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  • Victor Klemperer und Dresden (9)

     Constantia antwortete vor 2 Jahren, 7 Monate 1 Teilnehmer · 1 Senden
  • Constantia

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    26. August 2021 um 11:57

    Im Sommer 1942 steht fest, dass Mitbewohnerinnen in der Caspar-David-Friedrich-Straße der Transport nach Theresienstadt bevorsteht. Damit verbunden ist, dass Eva und Victor Klemperer die Wohnung in diesem Haus verlassen müssen. Am21. August 1942 ist im Tagebuch zu lesen:

    “Eva hat gestern vormittag im wesentlichen unsere Wohnungsangelegenheit in Ordnung gebracht und sich für … zwei Zimmer am Lothringer Weg, Blasewitz, entschieden, die allerlei Vorzüge und Nachteile haben haben sollen.”

    Die beiden Zimmer befinden sich in einer Villa in Elbnähe. Der Hofjuwelier Julius Jacoby ließ sie sich bauen. In dem Bildband “Dresden – Villenarchitektur” (erschienen 1999 im Benedikt Taschen Verlag GmbH) lese ich “Der schlossartige Bau gehört zu deen aufwendigsten Villen seiner Zeit.” Als Architekten sind Giese & Weidner verzeichnet. Entstanden 1893/1894 bot es dem Hofjuwelier samt seiner sechs Kinder ein zuhause. Das Familienunternehmen hatte seinen Sitz am Neumarkt in der Nähe der Frauenkirche.

    Das Familienoberhaupt starb 1925, das Geschäft wurde 1939 zwangsenteignet. Die Villa bekam 1940 den Status Judenhaus. Die Witwe Julius Jacobys wurde kurz nach dem Einzug der Klemperers nach Theresienstadt deportiert. Ihr Totenschein weißt den 20. September des gleichen Jahres aus.

    Was im Grundriss schlicht als Diele ausgewiesen ist, zeigt sich auf einem Foto als eine Halle über mehrere Etagen . Eine Treppe führt nach oben, eine Galerie umschließt diese Etage und die beiden Räume der Klemperers ist ein kleiner Flur vorgelagert. Die beiden Räumen waren ursprünglich mal für die Kinder und die Erzieherinnen bestimmt, lese ich. Einem Zimmer ist ein winziger Balkon vorgelagert. Eine zur Villa gehörige große Terrasse darf nicht benutzt werden. Eine Küche hat man im Keller. Wieder heißt es sich mit den Mitbewohnern zu arrangieren, das Provisorium (so nennt er es im Tagebuch) zu akzeptieren in diesem so gar nicht zur Herberge passenden Lebenssituation.

    Zeughausstraße 1 ist die neue Adresse ab 14. Dezember 1943. In die Villa zog im Frühjahr 1944 eine “Mullah-Schule für turkotatarische und kaukasische Freiwilligenverbündete der SS” ein. Wie las ich dazu den Begriff “Irrwitz”. Es wurde also eine kriegsrelevante Einrichtung.

    Mit der Zerstörung 1945 verschwand die architektonisch sehr interessante Villa. Ich habe mir nur einen kleinen Blick über den Gartenzaun zur gegenwärtigen Nutzung erlaubt. Steht man auf dem Fußweg hat man nicht nur einen Blick zur Elbe. Wir schauen auf ein echtes Schloss – Schloss Albrechtsberg. Ein Gebäudekomplex der eine royale und eine sozialistische Vergangenheit zu bieten hat. In der DDR war das Gebäude als “Pionierpalast” ein Begriff. Da schlich sich dann neben der “sozialistischen Erziehung” so mancher Prinzessinen-Traum ein. Aber das wäre dann eine ganz andere Geschichte.

    Mit dem Einsetzen von historischen Fotos bin ich vorsichtig. Aber bei Eingabe der Begriffe bei google findet man unter Bildern die die entsprechenden Bilder. Ansonsten hat(te) die Fotothek in Dresden die Hoheit dazu.

    Ich werde demnächst mal wieder dort vorbei schauen. Für Jenny und Johann wollte man diesem Sommer Stolpersteine verlegen.

    Constantia

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