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  • Victor Klemperer und Dresden (7)

     seestern47 antwortete vor 2 Jahren, 8 Monate 3 Teilnehmer · 7 Beiträge
  • Constantia

    Teilnehmer
    17. August 2021 um 12:28

    Einzug in das eigene Heim und Ausflüge mit dem “Bock”, wie Klemperer sein Auto nannte, zeigt nur den ganz eigenen immer enger werdenden Kreis. Im Jahr 1935 scheidet er aus der Technischen Hochschule aus. Es ist eine zwangssweise Versetzung in den Ruhestand auf der Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Die Vorschriften und Einschränkungen für die jüdische Bevölkerung werden von Tag zu Tag größer.
    Im Tagebuch steht unter dem 9. Dezember 1939 u. a.
    “… ich war am Montag im jüdischen Gemeindehaus, Zeughausstraße 3, neben der abgebrannten und abgetragenen Synagoge, um meine Steuer und Winterhilfe zu zahlen. … Dann wollte mich der anwesende Parteibeamte sprechen: “Wir hätten Sie sowieso dieser Tage benachrichtigt, bis zum 1. April müssene Sie Ihr Haus verlassen. Sie können es verkaufen, vermieten, leerstehen lassen; Ihre Sache, nur müssen Sie heraus; es steht Ihnen ein Zimmer zu. Da Ihre Frau arisch ist, wird man Ihnen nach Möglichkeit zwei Zimmer zuweisen.”
    Am 16. Dezember 1939 verhandelt Klemperer mit Berger, dem Besitzer eines Kramladens in unmittelbarer Nähe. Er will seinen Laden in Evas Musikzimmer einrichten. Aber in diesen Zeit ist alles unter Vorbehalt. Dann aber doch. Ab 1. Juni 1940 ist an Berger vermietet. Noch im Adressbuch von 1943/44 ist er zu finden.
    Am 27. April 1940 werden Eva und Victor Klemperer zwei Zimmer in einer Villa in der Caspar-David-Friedrich-Straße gezeigt.
    Über dem “26. Mai, Sonntag morgen” steht “Judenhaus, Caspar-David-Friedrich-Straße 15b” im Tagebuch, die neue Anschrift der Klemperers.
    “Eine hübsche Villa, zu eng, zu ,modern’ gebaut, gepfropft voll mit Leuten, die alle das gleiche Schicksal haben.” Privatsphäre gleich Null.” Nur Weniges kann mitgenommen werden. Aber was? Was kommt auf den Speicher?
    Hausbesitzer Paul Kreidl, Bankprokurist, Anfang 60 wohnt mit seiner arische Frau in der ersten Etage. Seine verwitwete Schwägerin, aus ihrem eigenen Haus vertrieben, hat hier ebenfalls Zuflucht gefunden. Der Mann besaß ein großes Sportgeschäft im Stadtzentrum (Galeriestraße), der Sohn ein Florettfechter.
    Nur mühsam richtet sich das Ehepaar ein, so gut es eben geht. Es wird nicht ihre letzte Station sein. Ein Stolperstein erinnert an einen der Bewohner.

    Constantia

    • Dieser Beitrag wurde am vor 2 Jahren, 8 Monate von  Constantia geändert.
    • Dieser Beitrag wurde am vor 2 Jahren, 7 Monate von  Constantia geändert.
  • nordlichtw

    Teilnehmer
    20. August 2021 um 13:20

    Liebe Constantia , es ist immer sehr interessant ,deine Beiträge über deine Heimatstadt zu lesen ..

    Ich bin kurz nach der Wende einmal einen halben Tag in Dresden gewesen ,habe mich allerdings nie wirklich mit der Stadt beschäftigt.

  • Constantia

    Teilnehmer
    22. August 2021 um 10:55

    @nordlichtw , ein halber Tag ist wirklich ein bisschen wenig. Ich habe die Liebe zur Stadt von meinen Großeltern und meiner Mutter sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Ich kann einfach nicht anders, als auch abseits der Touristenmagneten zu suchen.

    Bücher wie die Tagebücher Klemperers von 1933 – 1945 sind da für mich eine Fundgrube. Wenn er in Tagebuch scheibt, dass er keine Verkehrsmittel nutzen darf, habe ich ein Gefühl, von wo nach wo er zu Fuß gehen musste. So manchmal bin ich dann dankbar, in die Straßenbahn oder in den Bus steigen zu dürfen.

    ConstantiaFace With Monocle

  • nordlichtw

    Teilnehmer
    22. August 2021 um 13:42

    Wir hatten damals eine Rundreise gemacht in den ” Neuen Bundesländern” Constantia

    Meine Lieblingsstädte sind Hamburg und Berlin und ich bin jedes Mal erstaunt ,was es abseits der markanten Gebäude zu entdecken gibt

  • seestern47

    Teilnehmer
    24. August 2021 um 11:28

    Ja, das Auto wurde für Klemperer zum Symbol der Freiheit. Er beschreibt in seinen Memoiren Ausflüge ins Umland. Bis die Nazis ihm das Auto wegnahmen. Er hat ja relativ spät den Führerschein gemacht. Die Aufzeichnungen dazu sind köstlich!

    Danke für Deinen Beitrag, liebe @Constantia

    LG Blush

  • Constantia

    Teilnehmer
    25. August 2021 um 11:43

    @seestern47 , vielleicht erinnerst Du Dich in diesem Zusammenhang noch (oder wieder) an die Probleme mit dem Tacho (24. August 1938 “Wenn ich 60 km fahre, zeigt der Tachometer unweigerlich 20 an, und dabei bleibt es trotz allen Nachbesserns und Herumdrehens.”)

    Klemperer wird an den Feinmechaniker und Spezialist hierfür, Wenzel Bronetz, verwiesen. Die Tagebucheintragung registriert die “enge Palmstraße”. Palmstraße war auch die Adresse meiner Urgroßmutter. Bonetz in der Hausnummer 26, meine Vorfahren gegenüber in der 27. Nun weiß ich also auch, es war eine enge Straße. Übrig ist von dieser Straße kaum etwas da. Fast alle ist nach der Zerstörung überbaut. Ein Haus habe ich entdeckt. So habe ich auch hier eine Vorstellung. Daneben die Architektur der neuen Zeit.

    Meine Großmutter hat zwar den Angriff zunächst überlebt, ist aber zwei Tage später in dem in der Nähe liegenden Krankenhaus verstorben.

    Constantia Face With MonocleCamera

    • Dieser Beitrag wurde vor 2 Jahren, 8 Monate von  Constantia bearbeitet.
    • Dieser Beitrag wurde vor 2 Jahren, 7 Monate von  Constantia bearbeitet.
  • seestern47

    Teilnehmer
    26. August 2021 um 11:57

    Haha Sweat Smile Natürlich kann ich mich an diese Textpassage erinnern, liebe Constantia.

    Mit dem Foto bekommt sie noch mal eine ganz neue Konnotation. Danke. Deine Fotoreportage ist ein reines Vergnügen. Danke Heart Eyes

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