Victor Klemperer und Dresden (2)

[Constantia]

Das Leben Victor Klemperer beginnt im Juni 1920 mit seiner Berufung als Ordentlicher Professor an die Technische Hochschule in Dresden. Er ist fast 40 Jahre alt. Es ist eine Stellung als Beamter mit allem Drumherum. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde er immer noch von seiner Familie mit monatlichen finanziellen Zuwendungen unterstützt.

Kurze Zeit lebt er in der Pension Blancke in der Bendemannstraße. Ein halbes Jahr später ziehen das Ehepaar in eine Wohnung in der Holbeinstraße 131 in die dritte Etage. Fast luxuriös liest sich das: Sieben Zimmer, ein langer Korridor. Wenn auch nicht in allen Räumen, aber er konnte bei seinem Arbeiten auf elektrisches Licht zurückgreifen. Auf der einen Seite genießt das Ehepaar die Südseite des Arbeitszimmer. Auf der Nordseite hat man einen traumhaften Blick auf die Elbhänge.
Ich wollte ein bisschen mehr wissen über diese Häuser. Ein erster Anlaufpunkt sind für mich oft die historischen Adressbücher Dresdens, die man online einsehen kann.
Dort kann ich lesen, wer in dem Haus wohnte. Unmittelbarer Nachbar der Klemperer ein Stadtrat. Während sich in der 1. bis 3 Etage immer zwei Wohnungen befinden, sind in der 4. Etage 5 Namen genannt. Tischlergehilfe, Schaffner, 2 Witwen – bei einer ist Aufwartung vermerkt. Aber auch ein Oberstadtsekretär.
Vielleicht waren diese Räumlichkeiten auch für das Personal gedacht. Allerdings wird für die Wohnung der Klemperers auch ein Mädchenzimmer angegeben. Vielleicht hat man das ursprünglich Angedachte zu einer zusätzlichen Einnahmequelle umfunktioniert. Statt das Personal unterm Dach immer rufbar in der eigenen Wohnung.
Einmal hatte ich Gelegenheit, zwar an anderer Stelle in Dresden, eine solche Wohnung kennenzulernen. Ich hatte ständig Sorge mich zu verlaufen. Dabei war aus der ursprünglichen Wohnung schon zwei gemacht worden. So habe ich eine schwache Vorstellung wie Eva und Victor Klemperer gewohnt haben müssen.
Nun ist es von der genannten Holbeinstraße bis zur Technischen Hochschule nicht gerade ein Katzensprung. Er fährt die Strecke mit dem Rad bei entsprechendem Wetter durch den Großen Garten, der grünen Lunge der Stadt.
Die Zeit in dieser Wohnung ist wohl zweigeteilt. Dem geselligen Leben folgt die Weltwirtschaftskrise. Für zeitgeschichtliche Analysen fühle ich mich weder berufen, noch ist es mein Anliegen. Ich habe nach Erinnerungen der Klemperers und meiner Stadt gesucht.
Ich beschränke mich hier nur auf ein paar Orte der Stadt, wo man Victor Klemperer mit etwas Phantasie finden kann.
Auf meinem Weg zur Holbeinstraße 131 stand ich vor einem Neubaublock. Ich betrachte das Nachbarhaus. So oder so ähnlich könnte das Haus mit der Wohnung Klemperers ausgesehen haben. Der Balkon wurde unter Eva Klemperers zur grünen Oase.

“Im Kern ein deutsches Gewächs” heißt die Biografie über Victor Klemperer von Peter Jacobs. Ich habe eine TB-Ausgabe des Aufbauverlages aus dem Jahre 2000. Sie war für mich der Anstoß, verschiedene Dresdner Standorte näher zu betrachten.

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