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  • Tschudi - jetzt habe ich es gelesen

     seestern47 antwortete vor 3 Jahren, 10 Monate 2 Teilnehmer · 2 Beiträge
  • Constantia

    Teilnehmer
    30. Mai 2020 um 9:26

    Am 3. Mai hatte ich nach einer Literatursendung auf 3sat gefragt, ob es schon jemand gelesen hat. Es hat sich keiner gemeldet, also habe ich es mir gekauft und selbst gelesen.

    Für mich war das Buch von Mariam Kühsel-Hussaini eine echte Überraschung und hat mir spannende Lesestunden verschafft.

    Hugo von Tschudi (1851-1911), Generaldirektor der Nationalgalerie Deutschland erwiwrbt für das Haus in Berlin Bilder der französischen Moderne. Es sind Werke von Manet, Monet, Renoir zu sehen.

    Damit ist das Museum nicht nur das Erste auf der Welt, dass diese Bilder zeigt. Tschudi hat im eigenen Land zu kämpfen. Kaiser Wilhelm II. und eine ganze konserative Fraktion ist gegen ihn.

    Diese folgenreiche Episode der Kunstgeschichte allein ist sicher schon einen Roman wert.

    Mariam Kühsel-Hussaini , 1987 in Kabul geboren, mit 3 Jahren nach Deutschland gekommen und hier aufgewachsen (sie ist die Enkelin des Kalligraphen Saywd Da’ud Hussaini).

    Ihre Lebenseckdaten habe ich mir nach den ersten Seiten des Buches aufgerufen, weil es für mich so anders war und ich so nach und nach die Frage stellte, schreibt sie so, weil sie auf Grund ihrer Herkunft ein anderes Sprachverständnis hat. Oder ist es ein neuer Schreibstil (vielleicht habe ich ihn auch nur noch nicht entdeckt – den Schreibstil an sich).

    Ich tendiere zu letzterem. Das Buch hat 320 Seiten, 72 Kapitel. Bei diesem Verhältnis fallen die Kapitel natürlich kurz aus, manchmal sehr kurz. Sie scheint keine Freundin von Endlos-Komma-Sätzen. Ihr gelingt es aber in dieser Form Prägnantes zu sagen. Ihre Sprache ist bildhaft. Wenn sie an einer Stelle über den an der Wolfskrankheit leidenden Tschudi schreibt “Sein Herz fiel in einen tiefen Abgrund.” braucht es keine weiteren Worte.

    In Kühsel-Hussainis Buch begegnen uns unendlich viele bekannte Namen. Sie alle gehören zur Zeit, wenn man von deren Werke nicht vor Augen hat, hilft das Internet.

    Ich hatte das Gefühl mit Hugo von Tschudi durch Berlin zu gehen, stand mit ihm vor Max Liebermanns Haus, es gibt ein Fest bei dem auch Gerhart Hauptmann zu Gast ist, es gibt einen Brief an Käthe Kollwitz. Wir wandern nicht nur durch Berlin, auch durch eine Zeit.

    Zum Schluss will ich auf die gestrige Frage zurückkomen. Joly fragte, wo ich meine Geschichten hernehme. In diesem Buch hier, trifft man sich im “Borchert”, nicht dem heutigen wo sich alles trifft, was im Bundestag Rang und Namen hat. Es ist ein für die damalige Zeit neues Restaurant, zu dem Anton von Werner die Wände gestaltet hat. Oder später, Tschudi trifft sich mit Liebermann im “Weinhaus Rheingold” , es muss ein Palast der Gastronomie gewesen sein. Eingedeckt vom Feinsten, auch mit Pfeffer- und Salzstreuern. Diese gibt es noch nicht lang und sind sogar beim Kaiserlichen Patentamt angemeldet. Ich dachte die gab es schon immer, oder naja fast immer.

    Beim Nachlesen von ein paar Kritiken vermisste der eine die Cousins Cassirers, Inhaber eines Kunstsalons in der Victoriastraße in Berlin-Tiergarten, Elke Heidenreich war die Aneinanderreihung von Adjektiven zu viel . Ich kannte die Cousins nicht, also habe ich sie nicht vermisst und die Adjektive fand ich ungewöhnlich, aber treffend.

    Hugo von Tschudi trug in Folge seiner Erkrankung des Öfteren eine Maske. Als die Autorin das Buch schrieb war von Corona noch keine Rede. “Gefangenschaft in sich selbst” ist zu lesen. Treffend finde ich.

    So genug, ihr merkt schon, ich bin fasziniert von dem Buch, verliebt in Zeit und Menschen und wollte euch teilhaben lassen.

    Constantia

    • Dieser Beitrag wurde am vor 3 Jahren, 10 Monate von  Constantia geändert.
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  • seestern47

    Teilnehmer
    30. Mai 2020 um 16:52

    Liest sich wirklich einladend deine Rezension. Nach „Americanah“ werde ich es auch lesen!

    Mich interessiert wie die Autorin Liebermann darstellt bzw. den ganzen Kunstbetrieb.

    Ich freue mich darauf.

    • Dieser Beitrag wurde vor 3 Jahren, 10 Monate von  seestern47 bearbeitet.
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