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Im Herbst letzten Jahres hörte ich eine Rezension zu dem Sachbuch “Die Europäer” – Drei kosmopolitische Leben und die Entstehung europäischer Kultur, Autor Orlando Figes. Das kam mir doch so ziemlich trocken entgegen. Der Kritiker sprach mit einer mir selten begegneten Euphorie (in der Buchkritik). Nun hatte ich das Glück kurze Zeit später bei einem Besuch in meinem Buchladen, das Werk in Händen halten zu können. Ich entschied mich zum Kauf. Jetzt habe ich die einsamen, kalten und schneereichen Tage genutzt.
Da fragt sich die geneigte Leserin was die Pionierfahrt einer Dampflokomotive von Saint-Lazare nach Brüssel am 13. Juni 18.46 Uhr mit der Dreiecksbeziehung zwischen dem Kunstkritiker Louis Viardot, dessen Frau, die Sängerin Pauline und dem Schriftsteller Iwan Turgenew zu tun haben. Welche Verbindung besteht einer Erfindung, wie die der Eisenbahn und die Entstehung der europäischen Kultur?
Die Reisezeit verkürzte sich mit jedem Kilometer entstandenen Gleis. St. Petersburg und Moskau rücken näher. Die Sängerin Pauline Viardot konzertiert in Russland ebenso wie in London. Von Nord nach Süd, von West nach Ost – Europa entdeckt sich und rückt irgendwie näher.
Pariser Kunstmaler können mit einem Vorortzug in die Natur reisen. Ihre Staffelei und Farben im Gepäck. Sie skizzierten nun nicht mehr auf dem Land und brachten es dann in ihren Atelier in Form und Farbe. Mit dem Malen in der Natur gab es irgendwann die Farben in der Tube.
Probleme des Urheberrechts, des Übersetzens, die Entwicklung der Tätigkeit des Verlegers, des Agenten und, und, und. Kunst ist ja so vielfältig und zieht so vieles nach sich.
So erzählt Orlando Figes vieles, in Anektoden, historischen Ereignissen und einer Unzahl von Fakten. Nicht zu vergessen, die drei Persönlichkeiten dieser Zeit. Ich fand als “Normalbürgerin” nicht nur lesbar, sondern ein Lesevegnügen. Interesse, Geduld und Zeit vorausgesetzt.
Manchmal schwirrte mir der Kopf anhand der vielen bekannten und unbekannten Namen und Erklärungen des Autors. Nicht Weniges kannte ich, Figes gibt mir Zusammenhänge und ergänzt es mit für mich Neuem.
Für alle, die mehr an der Liebe des bereits genannten Trios interessiert sind, empfehle ich (statt über 600 Seiten Europa) das Buch “Iwan Turgenjew und Pauline Viardot – Eine außergewöhnliche Liebe” von Ursula Keller und Natalja Sharandak.
Ich gebe zu ein etwas spezieller Buchtipp. Aber vielleicht findet es noch jemand so spannend wie ich – das 19. Jahrhundert bringt die Kunst auf D-Zug-Geschwindigkeit.
Constantia
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Dieser Beitrag wurde am vor 3 Jahren, 2 Monate von Constantia geändert.
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