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  • Eine verpasste Gelegenheit.

     Webra antwortete vor 1 Jahr, 3 Monate 5 Teilnehmer · 7 Beiträge
  • Webra

    Teilnehmer
    21. Januar 2023 um 21:17

    So mancher politischer Akteur der Vergangenheit wird es tief bedauern, dass man nicht bereit war, nach damaliger Sicht unüberbrückbare Hindernisse zu überwinden.

    I. Die Ukraine und die NATO

    Die Beziehungen zwischen der Ukraine und der NATO haben eine lange Geschichte. Im Laufe der Zeit wurde zwischen ihnen eine rechtsverbindliche Basis bilateraler Beziehungen errichtet. Der erste Kontakt erfolgte im Herbst 1991. Am 22. – 23. Februar 1992 besuchte der damalige Generalsekretär der NATO Wernera zum ersten Mal Kiew, die Hauptstadt und das politische Zentrum der Ukraine. Während des Besuchs wurde der Ukraine angeboten an dem Rat der Nordatlantischer Zusammenarbeit (RNAZ) teilzunehmen. Im März 1992 wurde die Ukraine sein Mitglied.

    Am 8. Februar 1994 unterzeichnete die Ukraine ein Dokument des Programms „Partnerschaft für Frieden“. Als Folge durften militärische ukrainische Einheiten mit den Einheiten der NATO – Mitgliedstaaten und ihren Partnern gemeinsam an den Manövern teilnehmen.

    1995 wurde die Erklärung zwischen der Ukraine und der NATO über die vertieften und erweiterten Beziehungen angenommen, die bis Ende des Jahres 1996 zu einer Intensivierung der Kooperation zwischen ihnen führte, und sie galt als Grundlage für den Beginn der offiziellen Verhandlungen über die Bildung einer besonderen Partnerschaft der Ukraine und der NATO.

    Am 30. Mai 1997 wurde die Ukraine die Mitbegründerin und die Teilnehmerin des Nachfolgers vom RNAZ – des Rates der Euroatlantischen Partnerschaft, zu dem gegenwärtig 26 Mitgliedstaaten der NATO und 23 Partnerstaaten angehören.

    Am 9. Juli 1997 haben Ukraine und NATO eine Charta über eine besondere Partnerschaft unterschrieben. Es wurde ein Organ für die Koordinierung der Zusammenarbeit (eine analoge Einrichtung gibt es nur zwischen NATO und Russland) gegründet – die Kommission „Ukraine – NATO“. Im Rahmen dieser Kommission wurden die gemeinsamen Arbeitsgruppen geschaffen, die sich mit den Fragen der Militärreformen, der Rüstung, der ökonomischen Absicherung, der Planung für den Ausnahmezustand und mit den Fragen von Wissenschaft und Umweltschutz zu befassen hatten.

    Im Jahr 2002 wurde auf der Sitzung der Kommission in Prag der Aktionsplan Ukraine – NATO bewilligt, im Rahmen dessen die von der Kommission vereinbarten Jahrespläne realisiert werden sollten. Am 21.04.05 wurde bei der Anhörung der Kommission in Wilnjus (Latwien) begonnen über den Beitritt der Ukraine in die NATO und die entsprechenden Reformen zu verhandeln.

    Am 22.10.07 bestätigte das ukrainische Staatsoberhaupt W. Juschtschenko bei der Eröffnung der Anhörung des Rates der Verteidigungsministern der südosteuropäischen Staaten die Unveränderlichkeit des Beitrittskurses der Ukraine in NATO und Europäische Union. Er rief außerdem die europäischen Partner auf, die Ukraine beim Streben nach Mitgliedschaft zu unterstützen. Der Präsident betonte, dass die Ukraine die entsprechende Erklärung auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen am 4. April 2008 in Bukarest abgeben werde.

    Während der nächsten Anhörung der Kommission wendete sich die ukrainische Seite auf dem Treffen der Außenminister offiziell an die Vertreter der NATO – Staaten mit der Bitte, die Ziele der Ukraine während des Gipfeltreffens der NATO in Bukarest zu unterstützen. Darauf sprachen sich die meisten Verbündeten für die enge Zusammenarbeit mit der Ukraine und für die schnelle Bildung der entscheidungsfähigen Regierung aus, die in der Zukunft die Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten W. Juschtschenko und der Premierministerin Julia Timoschenko trotz gravierenden Meinungsverschiedenheiten in den Fragen von NATO und Ukraine erreichen sollte.

    Am 18.01.08 übergab der Außenminister der Ukraine Ogrizko dem Generalsekretär der NATO Scheffer den von dem Präsidenten, der Premierministerin und dem Vorsitzenden des ukrainischen Parlaments unterschriebenen Brief, in dem sie sich einstimmig für die Notwendigkeit und Bereitschaft der Ukraine, der NATO im Verlauf des Gipfeltreffens in Bukarest beizutreten, aussprachen. Dieser Brief löste heftige Kritik in der ukrainischen Öffentlichkeit und insbesondere bei der Opposition aus, die sofort politische Gegenmaßnahmen ergriff.

    Am 29.01.08 hat sich die Premierministerin J.Timoschenko während ihres Besuchs in Brüssel mit dem NATO – Generalsekretär Scheffer getroffen. Sie besprachen eine Reihe von Fragen der bilateralen Zusammenarbeit im Rahmen des Dialogs über die Intensivierung der Beziehungen Ukraine – NATO und die Erwartungen der Ukraine an das Gipfeltreffen in Bukarest.

    Das Zusammentreffen mit der Chefin der Exekutive der Ukraine setzte ein zusätzliches Signal für die Versöhnung bzw. Übereinstimmung zwischen den Lagern der ukrainischen Regierungsmacht bezüglich des weiteren Vorgehens auf dem Wege zur euroatlantischen Integration bzw. ihrer konkreten Vorstufe – der Aufnahme in den Aktionsplan der Mitgliedschaft.

    II. Vorteile und Nachteile der Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO

    Mit dem Beitritt der Ukraine in die NATO öffnen sich für sie folgende Perspektiven und Möglichkeiten auf der nationalen Ebene sowie in der politischen Arena Europas und der ganzen Welt:

    – Der Prozess des Beitritts in die NATO ist ein stimulierender Faktor für die Durchführung der innenpolitischen und sozial – ökonomischen Reformen in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in der Ukraine.
    – Die Ukraine wird unmittelbar an den Entscheidungsprozessen, die die Entwicklung der europäischen und euroatlantischen Sicherheit betreffen, beteiligt sein, was ihr Ansehen heben und sie dem Beitritt zur Europäischen Union näher bringen dürfte.
    – Gemäß dem Vertrag von Washington erhält die Ukraine die zusätzlichen Garantien für die Sicherheit der staatlichen Souveränität, Untastbarkeit ihrer nationalen territorialen Grenzen (Sewastopol, die Halbinsel Krim).
    – Die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO wird das internationale Investitionsklima verbessern.
    – NATO unterstützt die Militärpersonen, die im Zuge des Rüstungsabbau vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden.
    – Die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO hat auf verschiedenen Sektoren eine große Bedeutung (z.B. Stärkung der demokratischen Werte, die Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten der NATO bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die Kontrolle der Verbreitung der Massenvernichtungswaffen, Hilfe im Kampf gegen illegale Drogen und Menschenhandel sowie in den Fragen des Umweltschutzes).
    – Die endgültige Positionierung der Ukraine im geostrategischen und geopolitischen System besonders bei der Sicherheit als europäischer Staat und die endgültige Befreiung vom Einfluss Russlands.
    – Die Beiträge der NATO – Mitgliedstaaten in das Budget der NATO sind nicht höher als 0,5 – 1 % ihrer Ausgaben für die Rüstung (für die Ukraine würde das ungefähr 20 – 30 Millionen Dollar im Jahr ausmachen).
    – Die gleichberechtigte Teilnahme der Ukraine an der Sicherheitspolitik im euroatlantischen Raum; alle Entscheidungen der NATO werden im Konsens getroffen, und die Entscheidung über die Teilnahme an militärischen Operationen trifft jeder Mitgliedstaat selbst.
    Mit dem Beitritt der Ukraine in die NATO sind negative Auswirkungen für die Entwicklung des Landes nicht ausgeschlossen. Mögliche Nachteile sind:
    – Der meist genannte Nachteil für die Ukraine wirkt paradox. Um Mitglied der NATO zu werden, muss sich im Lande sehr viel verändern, und zwar muss politische Stabilität geschaffen werden. Dies bedarf großer Anstrengungen.
    – Nach den Kriterien der meisten Mitgliedsländer der NATO müssen die Rüstungsausgaben gesenkt und deshalb militärische Einheiten abgebaut werden, was zu andauernden sozialen Problemen pensionierter Militär-personen führen könnte. Umgekehrt aber kann ausgerechnet diese Reform das Militär der Ukraine zur modernen, mobilen, professionellen, gutbezahlten und einsatzbereiten Armee machen.
    – Die Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO bedeutet eine wirtschaftliche Perspektive für neue Investitionen und neue Waffenmärkte in den anderen NATO – Staaten. Aber möglicherweise werden einige ukrainischen Unternehmen diesen Vorteil nicht nutzen können und unter den harten Konkurrenzbedingungen anderer hochentwickelter Länder vom Markt gedrängt.

    https://www.grin.com/document/158809

  • SFath

    Teilnehmer
    21. Januar 2023 um 22:58

    Danke @Webra für diese Hintergrundinformationen!

    Der Weg ehemaliger Staaten der SU nach Europa, in die NATO als westlichem (Verteidigungs-Bündnispartner), ist lang und steinig. Die relativ kleinen Baltischen Staaten konnten ihn schnell gehen, um ihre staatliche Souveränität zu erhalten. Wenn es der Notwendigkeit eines solchen Anschlusses bedarf, um seine staatliche Unantastbarkeit vor Occupation zu schützen, ist das zwar bedauerlich, aber verständlich, wie die aktuellen Geschehnisse zeigen.

    Anrainerstaaten Russlands, wie z.B. Finnland mit der längsten Aussengrenze zu Russland und eigenen Erfahrungen zu russischen Überfällen, hat berechtigte Sorgen. Ebenso Schweden, das a.g. jüngster Ereignisse sogar seine Neutralität aufgibt. sic!

    Die Baltischen Staaten:

    Der internationale Druck auf Deutschland, die Lieferung von “Leopard 2”-Panzern zu erlauben oder selbst Panzer des Typs zu liefern, steigt weiter. Jetzt mahnen die Außenminister von Lettland, Estland und Litauen.

    Die Außenminister der baltischen Länder haben Deutschland aufgefordert, “Leopard 2”-Panzer an die Ukraine zu liefern.

    “Das ist nötig, um die russische Aggression zu stoppen, der Ukraine zu helfen und den Frieden in Europa schnell wieder herzustellen”, schrieb der lettische Außenminister Edgars Rinkevics auf Twitter – nach eigenen Angaben auch im Namen seiner Amtskollegen aus Estland und Litauen. “Deutschland hat als europäische Führungsmacht diesbezüglich eine besondere Verantwortung.”

    Das ist alles mehr als ungemütlich, als eigentlich “unbeteiligtes” Land, aber als Bündnispartner, so bedrängt zu werden. Und ich beneide niemanden, der hier Entscheidungen zu treffen hat!

    Vielleicht ist es aber eine Chance, sich im Umkehrschluß nicht nur als verläßlicher Partner zu beweisen, sondern auch als jemand, der nicht nur geschworen hat, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf, als auch die Stirn zu haben, anderen diese in einem solchen Fall zu bieten.

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 3 Monate von  SFath bearbeitet.
  • Ricarda01

    Teilnehmer
    22. Januar 2023 um 10:28

    @Webra

    Beitrag vom 21.1./21:17

    Lieber Webra, danke für deinen informativen Beitrag! Da hast du dir ja richtig viel Mühe und Arbeit gemacht. Das verlinkte Portal scheint sehr interessant zu sein.

    Mich würde in dem Zusammenhang noch interessieren, wie sich Österreich verhält. Gewährt es auch riesige finanzielle Unterstützung? Schicke herzliche Sonntagsgrüße nach Österreich (Salzburg?) – Ricarda01

  • Webra

    Teilnehmer
    23. Januar 2023 um 17:41

    Hallo liebe Ricarda01,

    Österreich steht auf der Spendenliste mit 38 Staaten an 28 Stelle. Militärisch darf Österreich

    wegen seiner “immerwährenden Neutralität” nichts liefern was als Kampfmittel eingesetzt werden kann. Deshalb haben sie am Beginn der Kriese auch nur mehrere zehntausend

    Schutzwesten und Schutzhelme geliefert. Sie liefern aber viel medizinisches Material

    und Medikamente. Sie haben auch bereits mehrere Krankenstationen in der ganzen Ukraine eingerichtet. Von der österreichischen Bevölkerung und österreichischen Firmen wird aber auch viel Hilfe geleistet.

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 3 Monate von  Webra bearbeitet.
    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 3 Monate von  Webra bearbeitet.
    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 3 Monate von  Webra bearbeitet.
  • Ricarda01

    Teilnehmer
    23. Januar 2023 um 18:57

    @Webra

    Beitrag von 17:41

    Danke für deine Antwort, lieber Webra!

    Ich wünschte, D. hätte sich ähnlich neutral verhalten und auch auf Waffenlieferungen verzichtet. Schönen Abend – Ricarda01

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