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  • Der Graf von Habsburg

     Unbekannt antwortete vor 3 Jahren, 10 Monate 1 Teilnehmer · 1 Senden
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    11. Juni 2020 um 6:45

    Heute wird in Katholischen Ländern das Fest “Fronleichnam” gefeiert, das Fest des Leibes des Herrn Jesus Christus. In feierlicher Prozession wurde früher das Heilige Sakrament über Land getragen und die Felder wurden gesegnet.

    Heute gibt es keine Prozession. Darum ehre ich den Herrn durch einen Beitrag, durch eine Ballade von Friedrich Schiller. In diesem Text ehrt der große Dichter in wunderbaren Worten den Leib Jesu Christi.

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    Der Graf von Habsburg

    Zu Aachen in seiner Kaiserpracht,

    Im altertümlichen Saale,

    Saß König Rudolfs heilige Macht

    Beim festlichen Krönungsmahle.

    Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins,

    Es schenkte der Böhme des perlenden Weins,

    Und alle die Wähler, die sieben,

    Wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,

    Umstanden geschäftig den Herrscher der Welt,

    Die Würde des Amtes zu üben.

    Und rings erfüllte den hohen Balkon

    Das Volk in freud’gem Gedränge;

    Laut mischte sich in der Posaunen Ton

    Das jauchzende Rufen der Menge.

    Denn geendigt nach langem verderblichen Streit

    War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,

    Und ein Richter war wieder auf Erden.

    Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,

    Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,

    Des Mächtigen Beute zu werden.

    Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal

    Und spricht mit zufriedenen Blicken:

    «Wohl gänzet das Fest, wohl pranget das Mahl,

    Mein königlich Herz zu entzücken;

    Doch den Sänger vermiss’ ich, den Bringer der Lust,

    Der mit süßem Klang mir bewege die Brust

    Und mit göttlich erhabenen Lehren.

    So hab’ ichs gehalten von Jugend an,

    Und was ich als Ritter gepflegt und getan,

    Nicht will ich’s als Kaiser entbehren.»

    Und sieh! in der Fürsten umgebenden Kreis

    Trat der Sänger im langen Talare;

    Ihm gänzte die Locke silberweiß,

    Gebleicht von der Fülle der Jahre.

    «Süßer Wohllaut schläft in der Saiten Gold,

    Der Sänger singt von der Minne Sold,

    Er preiset das Höchste, das Beste,

    Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt;

    Doch sage, was ist des Kaisers wert

    An seinem herrlichsten Feste?»

    «Nicht gebieten werd’ ich dem Sänger», spricht

    Der Herrscher mit lächelndem Munde,

    «Er steht in des größeren Herren Pflicht,

    Er gehorcht der gebietenden Stunde.

    Wie in den Lüften der Sturmwind saust,

    Man weiß nicht, von wannen er kommt und braust,

    Wie der Quell aus verborgenen Tiefen,

    So des Sängers Lied aus dem Innern schallt

    Und wecket der dunkeln Gefühle Gewalt,

    Die im Herzen wunderbar schliefen.»

    Und der Sänger rasch in die Saiten fällt

    Und beginnt sie mächtig zu schlagen:

    «Aufs Weidwerk hinaus ritt ein edler Held,

    Den flüchtigen Gemsbock zu jagen.

    Ihm folgte der Knapp’ mit dem Jägergeschoß,

    Und als er auf seinem stattlichen Roß

    In eine Au kommt geritten,

    Ein Glöcklein hört er erklingen fern,

    Ein Priester war’s mit dem Leib des Herrn,

    Voran kam der Mesner geschritten.

    Und der Graf zur Erde sich neiget hin,

    Das Haupt mit Demut entblößet,

    Zu verehren mit gläubigem Christensinn,

    Was alle Menschen erlöset.

    Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld,

    Von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt,

    Das hemmte der Wanderer Tritte;

    Und beiseit’ legt jener das Sakrament,

    Von den Füßen zieht er die Schuhe behend,

    Damit er das Bächlein durchschritte.

    ‘Was schaffst du?’ redet der Graf ihn an,

    Der ihn verwundert betrachtet.

    ‘Herr, ich walle zu einem sterbenden Mann,

    Der nach der Himmelskost schmachtet;

    Und da ich mich nahe des Baches Steg,

    Da hat ihn der strömende Gießbach hinweg

    Im Strudel der Wellen gerissen.

    Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil.

    So will ich das Wässerlein jetzt in Eil’

    Durchwaten mit nackenden Füßen.’

    Da setzt ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd

    Und reicht ihm die prächtigen Zäume,

    Daß er labe den Kranken, der sein begehrt,

    Und die heilige Pflicht nicht versäume.

    Und er selber auf seines Knappen Tier

    Vergnüget noch weiter des Jagens Begier,

    Der andre die Reise vollführet;

    Und am nächsten Morgen, mit dankendem Blick,

    Da bringt er dem Grafen sein Roß zurück,

    Bescheiden am Zügel geführet.

    ‘Nicht wolle das Gott’, rief mit Demutsinn

    Der Graf, ‘daß zum Streiten und Jagen

    Das Roß ich beschritte fürderhin,

    Das meinen Schöpfer getragen!

    Und magst du’s nicht haben zu eignem Gewinst,

    So bleib’ es gewidmet dem göttlichen Dienst;

    Denn ich hab’ es dem ja gegeben,

    Von dem ich Ehre und irdisches Gut

    Zu Lehen trage und Leib und Blut

    Und Seele und Atem und Leben.’

    ‘So mög’ Euch Gott, der allmächtige Hort,

    Der das Flehen der Schwachen erhöret,

    Zu Ehren Euch bringen hier und dort,

    So wie Ihr jetzt ihn geehret.

    Ihr seid ein mächtiger Graf, bekannt

    Durch ritterlich Walten im Schweizerland,

    Euch blühn sechs liebliche Töchter.

    So mögen sie’, rief er begeistert aus,

    ‘Sechs Kronen Euch bringen in Euer Haus

    Und glänzen die spätsten Geschlechter!»

    Und mit sinnendem Haupt saß der Kaiser da,

    Als dächt’ er vergangener Zeiten;

    Jetzt, da er dem Sänger ins Auge sah,

    Da ergreift ihn der Worte Bedeuten.

    Die Züge des Priesters erkennt er schnell

    Und verbirgt der Tränen stürzenden Quell

    In des Mantels purpurnen Falten.

    Und alles blickte den Kaiser an

    Und erkannte den Grafen, der das getan,

    Und verehrte das göttliche Walten.

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