Gestern Nacht

15. Februar 2008 in Weblogs

Die Sache ist die: Ich träumte schon immer gern, manchmal sogar „druckreif“, ohne zu ahnen, dass Träume für Senioren wichtiger sind als für Jüngere, wie Dr. Andrew Weil, der US-Guru der Altersforschung und „einer der 100 einflussreichsten Menschen der Welt“ (Time-Magazine 2005) behauptet. Weil man sich dadurch den Zugang zu Bewusstseinsebenen öffnet, die beglückender sind als die Alltags-Logik. Dr. Weil geht sogar so weit, regelmäßig Melatonin (in den USA als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich) zu nehmen, weil ihm das Ding hilft, sich besser an das Geträumte zu erinnern.
Ich nehme kein Melatonin. Habe aber beschlossen, meine Träume aufzuschreiben – ohne sie zu analysieren. Natürlich habe ich Freud gelesen und liebe alte Traumdeutungs-Bücher mit Hinweisen wie: Siehst Du drei Schornsteinfeger, ist Dir Glück in der Lotterie sicher; siehst Du nur zwei, lass Deine Hände von den Karten usw.
Aber ich will nicht erklären, nur erzählen...
Wie auch immer: hier sind meine Träume.
Frei nach dem Motto: Ich träume, also bin ich.

Eines noch: wenn ich das Gefühl habe, dass eine Szene oder Situation mit Hilfe einer Erklärung verständlicher wäre, findet man sie kursiv in Klammern. Und selbstverständlich sind die Namen der Menschen, von denen ich träume, verändert.

Gestern Nacht:
Ich bin knapp 20, schlank, habe mir einen glitzernden, dünnen Schal um die Stirn gebunden, um meine langen blonden Locken zu bändigen, aber vermutlich auch, um von meiner Brille mit riesigem Rahmen aus Rosa-Plastik - die ich seit den Tanzstunden hasse! - abzulenken. Ich sehe mich nicht, weiß aber, wie ich aussehe.
Ich bin in einem herrlichen, friedlichen, weiträumigen Park mit uralten, dick-stämmigen, würdevollen Bäumen und hunderten weisen Holz-Bänken. Manchmal sind sie so dicht nebeneinander, als würden sie sich in einer Warte-Schlange stehen, und die eine oder andere versuchen möchte, sich vorzudrängeln.
Es ist unheimlich still. Dennoch habe ich das Gefühl, in diesem Park nicht allein zu sein, obwohl auf den ersten Blick keine Menschenseele zu sehen ist. Ich flaniere zwischen den Bäumen, tänzele fast, nur noch Fliegen wäre vermutlich schöner...
Sobald sich mein Blick auf einer Bank „festhält“, sitzt plötzlich jemand drauf. Kaum wende ich mich ab, verschwindet er wieder. Ach, ein Spiel, denke ich und spiele mit: ich starre die eine, die andere Bank an. Und der Park bevölkert sich. Als hätte ich das Spiel verstanden, konzentriere ich mich auf eine beliebige Bank mit zwei Menschen, die mir irgendwie bekannt vorkommen, ich starre sie sehr lange an, ohne mit der Wimper zu zucken – und zack, sie lösen sich auf. Weg sind sie.
Prinzip kapiert: ich kann Menschen „abrufen“ und sie ebenso „löschen“, eine ziemlich gewagte „Mensch ärgere dich nicht“-Variante, denke ich, aber bin weder schockiert noch entsetzt. Wie ein Kind vergnüge ich mich mit meiner „Macht“: ich fühle sehr wohl, dass es eine geliehene Macht ist, aber das ist mir egal, ich will nicht über den Preis nachdenken, solange es mir Spaß macht. Ich lasse hier jemanden auftauchen, lösche dort einen anderen.
Da merke ich, dass einige auf ihren Bänken sitzen bleiben, obwohl ich sie löschte. Wieso, wieso gehorchen die nicht, verdammt? Spielverderber! Dieser Eigenwille macht mich fast wütend.
Schnitt.
Ich stehe vor einem Tor, das dem Triumphbogen in am Ende der Münchner Leopold-Straße ähnelt. Ich ahne, dass sich hinter diesem Prachttor „mein“ Park befindet, aber man kann nichts sehen, der Tor-Durchgang ist undurchsichtig.
Es gibt auch keine Wachsposten, keine Absperrung, und doch bin ich sicher: Man lässt mich nicht durch.
Also warte ich. Plötzlich erscheint ein etwas untergesetzter Mann (mit dem Gesicht eines deutschen Top-Verlegers) mit weißem Kittel und reicht mir wortlos zwei weiße Tabletten. Ich soll beide schlucken. Ich weiß, die eine ist ein Placebo, die andere Gift. Er sagt mit väterlicher Fürsorge: Das heilt alles, das ist gut für Sie. Ich habe das Gefühl, er verarscht mich, fühle mich beleidigt, schlucke in einer spontanen Trotzreaktion beide Pillen, bin überzeugt, dass er mich vergiften will.
Aber habe nur eines im Kopf: ich will durch das Tor... (aber bin aufgewacht)