Schuiseppe, Schak und Sprosse

2. Juni 2008 in Weblogs

Schuiseppe, Schak und Sprosse (Julo)

"Tschau Schak!"
"Bongschur Schuiseppe"!
Die beiden Freunde begrüßten sich sehr herzlich.
Schuiseppe, der eigentlich Josef hieß, war ein großer Italienfreund.
Seit vielen Jahren schon fuhr er mit seinen Eltern in den Sommerfe-rien nach San Lorenzo zum Baden. Sie mieteten dort eine Ferienwoh-nung und wurden von Luitschi, dem italienischen Verwalter betreut. Von ihm hatte Schuiseppe auch seine italienischen Sprachkenntnisse. Immer wenn sie sich begegneten, entwickelte sich folgendes Ge-spräch: "Tschau Schuiseppe, kommesda?", was so viel heißt wie <> Und Schuiseppe antwortete darauf: "Tschau Luitschi, wabene, grazie!", was wiederum soviel wie <> heißt. Manchmal sagte Luitschi auch Pepe zu Josef, aber Schuiseppe gefiel ihm einfach besser.
Und seither ließ sich Josef auch zuhause mit der italienischen Form seines Namens anreden.
Und Schak, der normalerweise Jakob hieß, war ein großer Frank-reichfreund, und ließ sich daher auf Französisch ansprechen. Das je-doch hing zum einen damit zusammen, dass er ins Gymnasium ging und dort französisch lernte, und zum anderen mit seiner Brieffreundin Angschelik, die er im Rahmen eines Schülerbriefaustauschs kennen- gelernt hatte. Er war ihr zwar noch nie persönlich begegnet, aber er hatte eine Fotografie von ihr. Und wenn Angschelik ihm schrieb, dann begann jeder Brief mit "Mong scher Schak!", was so viel heißt wie << Mein allerliebster Jakob! >>Am Anfang hatten sich ja die Freunde und Bekannten der beiden da-gegen gewehrt, diesen Blödsinn mitzumachen; aber mit der Zeit hat-ten sie sich dann doch daran gewöhnt. Also nannten sie die beiden Spinner einfach mit ihren Wunschnamen; und es tat ja auch niemand weh.
"Was machst du denn so", fragte Schuiseppe."Nun ja", entgegnete dieser, "nichts Besonderes, nichts Weltbewe-gendes; mir geht da nur so ein Gedanke nicht aus dem Kopf.""Was für ein Gedanke", bohrte Schuiseppe weiter.
"Du kennst doch sicher den Ausdruck <>", antwortete Schak.
"Natürlich kenn ich den; denn kennt doch jeder"."Ja schon; aber warum sagt man nicht <>"?
"Hmm."Schuiseppe war sichtlich verwirrt. Er kratzte sich am Kopf, er ver-drehte die Augen und dann legte er die Stirn in Falten. Das sah schon sehr bedeutungsvoll aus.
Ein weiteres "Hmm" folgte; aber auch nicht mehr."Na, siehst du", unterbrach Schak den Freund, "du weißt es auch nicht!""Das ist aber auch verdammt schwer", sagte Schuiseppe, um sein Nichtwissen etwas zu verteidigen, "das ist schon eine Frage der Ka-tegorie 10 plus".
"Was heißt das denn"?Schak hatte noch nie etwas von einer solchen Kategorie gehört."Und überhaupt, was ist eigentlich eine Kategorie"?Schuiseppe schaute verlegen, und in seinem Gehirn begann man schon heftig nach einer glaubwürdigen und leicht verständlichen Erklärung zu suchen. Er hatte sich da in etwas verrannt, und wusste nun selbst nicht so recht, wie er da wieder heraus kommen könnte.
"Also, wie soll ich dir das erklären", versuchte er nun Zeit zu gewin-nen, denn sein Gehirn hatte noch keine rechte Lösung des Problems gefunden.
"Na so, dass ich es verstehen kann", antwortete Schak."Ich will es versuchen". Schuiseppe musste jetzt in die Hufe kom-men; so viel war ihm klar."Eine Kategorie ist wie ein Fieberthermometer, das kennst du ja"."Natürlich kenne ich einen Fieberthermometer", bestätigte Schak,"so ein Ding haben wir zuhause, und wenn Emilie - so hieß Schaks Schwester - krank ist, dann wird damit gemessen"."Jetzt unterbrich mich doch nicht", kam es da schroff aus Schuisep-pes Mund, der inzwischen wieder Oberwasser gewonnen hatte."Ich meinte doch nur", gab Schak kleinlaut zurück; Entschuldigung!"
So gefiel das Schuiseppe schon besser, und er fuhr beflissen fort dem unkundigen Freund sein reiches Wissen weiter zu reichen."Also, auf so einem Fieberthermometer sind doch Zahlen. Und wenn man jetzt das Fieber misst, z.B. bei deiner Schwester Emilie, dann wandert der rote Strich in diesem Thermometer hinauf und man kann ablesen, wie sehr krank Emilie ist. Wandert er nur ein kleines Stück, dann hat das keine tolle Bedeutung. Wandert der aber ganz weit, dann hat das eine ungeheure Bedeutung. Verstehst du das?"
Schak war tief beeindruckt und wieder einmal erkannte er, wie klug sein Freund Schuiseppe doch war. Davon war er weit entfernt, ob-wohl er ins Gymnasium ging und nicht Schuiseppe. Umso mehr be-glückte es ihn, dass er einen solch klugen Freund hatte. Was nun aber die Sache mit der Kategorie und dem Fieberthermometer auf sich hatte, das konnte er noch nicht so recht begreifen. Und so fragte er zaghaft weiter."Habe ich das richtig verstanden, eine Kategorie ist nur ein anderes Wort für einen Fieberthermometer?"Schuiseppe erkannte in diesem Augenblick, dass er, im Grunde ge-nommen, dem lieben Schak irgendeinen Blödsinn erzählen konnte; denn dieser verstünde ja ehedem nur Bahnhof.Jetzt lief Schuiseppe zur Höchstform auf.
"Ja, mein Lieber, durchaus!", referierte er nun tüchtig weiter, "man kann sagen, wenn etwas wichtig ist, dann hat es großes Fieber, und wenn es nicht so wichtig ist, dann hat es nur ein wenig Fieber.""Das ist ja höchst interessant", ereiferte sich Schak, den dieses Ge-spräch nun voll gepackt hatte. Aber du hast doch gesagt <> und auf dem Fieberthermometer gibt´s doch kein 10 plus.""So ein sturer Bock!", ging es in diesem Moment durch Schuiseppes Kopf, "der macht mich noch ganz verrückt. Wieso weiß der das mit den Zahlen auf dem Thermometer?"
"Stimmt doch, oder?", legte Schak nach."Ja natürlich stimmt das", gab Schuiseppe zu und seine Stimme hatte etwas von dem Strahlen und Glanz verloren, die ihr gerade noch eigen waren."Das ist recht kompliziert", antwortete er, um etwas Zeit zu gewin-nen, und fuhr dann fort. "Das Fieberthermometer ist ein altmodi-sches Gerät, das es schon sehr lange Zeit gibt, und die Kategorie wurde von großen Wissenschaftlern erst in jüngster Zeit erfunden".Auf Schuiseppes Stirn hatte sich inzwischen eine große Ansammlung von Schweißerlen gebildet; denn er war sich nicht sicher, ob Schak diesen Brocken schlucken würde.
"Ich denke, ich weiß jetzt, was du meinst", kam da plötzlich und völlig unerwartet Hilfe von Schak. "Fieberthermometer, das ist das Teil, das die Mutter der Emilie immer in den Popo schiebt, wenn sie Fieber hat, und Kategorie, das ist das neue Ding, das man jetzt ins Ohr steckt, wenn jemand Fieber hat. Frau Netzer, unsere Nachbarin, die hat so etwas.""Genau!", entfuhr es Schuiseppe in einem Anflug größter Erleichte-rung, "ich hätte es nicht besser erklären können". Und das entsprach durchaus der Wahrheit.

In der Zwischenzeit hatte sich Sprosse zu den beiden gesellt. Spros-se, die offiziell Monika hieß, war ein Mädchen, das eigentlich ein Jun-ge hätte werden müssen. Sie spielte Fußball wie ein Junge, sie stieg auf Bäume wie ein Junge, sie bewegte sich wie ein Junge und sie klei-dete sich auch so. Rock und Bluse waren ihr ebenso fremd wie Wim-perntusche und Lippenstift. Und das, obwohl sie schon dreizehn war. Monika hieß Sprosse, weil ihr Gesicht, ebenso wie ihre Arme von Sommersprossen nur so übersät war. Sie selbst empfand den Namen "Sprosse" mehr als Auszeichnung, denn als Schimpfnamen."Was redet ihr denn da für einen Schwachsinn?", unterbrach sie die beiden Diskutanten, denen sie schon eine geraume Weile zugehört hatte.
"Davon verstehst du nichts!", giftete Schuiseppe Sprosse an.
"Halt du dich da raus, das sind Männergespräche!", kam es unterstüt-zend aus Schaks Ecke."Geht das auch eine Nummer kleiner, ihr Männer?", lachte Sprosse.Das Lachen hatte eine ansteckende Wirkung und trug wesentlich zur Entspannung der Situation bei."Was ist, du Neunmalkluge; weißt du vielleicht, was eine Kategorie ist?", fragte Schak ihre gemeinsame Freundin mit einem genussvollen Lächeln."Nun ja, rein sprachlich gesehen bedeutet Kategorie so viel wie Ei-genschaft, Aussage, Prädikat. Im Mittelalter verwendete man auch für Kategorie das Wort Prädikament."
Schuiseppe und Schak waren sprachlos. Ihr Gesicht war Ausdruck nackten Entsetzens. Ja gut, Sprosse war die Tochter vom Apotheker Eichhorn, und sie war Klassenbeste. Aber was sie da von sich gab, das war Wissen vom anderen Stern; das war außergalaktisch."Kant würde sagen", fuhr Sprosse fort, "Kategorien sind Werkzeuge zur Wahrnehmung und Beurteilung, sind eine apriorische Denkform,Grundvoraussetzung für alle Erfahrungen.""Halt, halt, das versteht doch kein Schwein!", unterbrach sie da Schuiseppe, "das ist ja unverdünnter Wahnsinn!"Schak stand noch immer mit offenem Mund da. Er hatte so wie so nur Bahnhof verstanden; aber das hatte ihm schon mächtig imponiert. Sprosse stieg in diesem Augenblick auf seinem persönlichen Katego-riethermometer auf volle 100 plus..."Woher weißt du das alles", kleidete er sein Erstaunen in Worte. Gut, du bist zwar ein wenig älter als wir, aber das kann es ja wohl nicht sein.""Ganz sicher nicht", ergänzte Schuiseppe, "und außerdem bist du ja ein Mädchen.""Lesen - Männer - lesen.", antwortete Sprosse mit einem breiten Grinsen im Gesicht. "Lesen - lesen bildet!"Die beiden Freunde begnügten sich mit dieser Antwort. Was sonst hätten sie auch tun sollen."Ich hab´s, ich hab´s!", entfuhr es Schak in voller Begeisterung, "Sprosse, du bist unsere Rettung!""Wofür, wobei, wieso?""Na wegen meiner Frage, die du ja nicht beantworten konntest", wandte sich Schak an Schuiseppe. "Die Frage 10 plus!""Was kommt jetzt wieder für ein Unsinn?", fragte Sprosse.Schuiseppe traf die Bemerkung von Schak ob der Unfähigkeit, des-sen Frage nicht beantwortet zu haben, wie ein Nadelstich. Er bemüh-te sich um einen gelassenen Gesichtsausdruck, was ihm jedoch sicht-lich misslang."Jetzt kannst du ja zeigen, was du wirklich drauf hast", spöttelte er in Richtung Sprosse.Sprosse überging diese Bemerkung elegant und forderte Schak auf ihr doch mitzuteilen, worum es sich handle."Du kennst doch sicher die Redensart << Bis über beide Ohren ver-liebt sein in jemanden>>."Klaro!", entgegnete Sprosse spontan."Den Spruch kennen alle Weiber.", gab Schuiseppe seinen Kren dazu."Halt die Klappe, Schuiseppe!"
Das was Schak, der seinen Freund in die Schranken verwies. Schui-seppe, sichtlich geschockt über das Gesagte, war viel zu baff, als dass er etwas erwidern hätte können.
"Warum sagt man nicht "Bis in die Haarspitzen verliebt sein", fuhr Schak fort.
Sprosse hatte die Frage wohl verstanden. Sie dachte einen Augen-blick nach, kramte in ihrem reichen Wissensschatz herum nach etwas Passendem; fand aber nichts Gescheites.
Es herrschte erwartungsvolles Schweigen."Männer", richtete Sprosse das Wort an die Freunde, "da muss ich leider passen. Das ist keine Herausforderung an meine Intelligenz; das ist eine Herausforderung an die Weisheit. Und der Erwerb von Weisheit setzt beim Mensch erst ein, wenn er schon sehr alt ist; also etwa ab dreißig."
"Wenn das so ist", sagte Schak, "dann gehen wir doch zu deinem Va-ter, der ist gescheit und über dreißig."Noch bevor Sprosse antworten konnte, brachte sich Schuiseppe wie-der ins Spiel."Ich hab eine viel bessere Idee; wir gehen zu Oma Eule!"
Oma Eule war die Großmutter Schuiseppes, mütterlicherseits, und schon weit über sechzig Jahre alt oder gar schon über hundert. Ei-gentlich hieß sie Eulalia, aber alle nannten sie Eule.
"Die Idee ist supermaximal!", streute Schak seinem Freund Rosen, und zwischen den beiden verbalen Streithanseln knüpfte sich wieder ein Band der Harmonie. Sprosse fand diesen Vorschlag ebenfalls zu-stimmungswürdig, und also machten sich die drei auf den Weg zu Schuiseppes Großmutter...
Als Eulalia die drei kommen sah, setzte sich ein Lächeln auf ihr Ge-sicht. Sie mochte sie alle drei; natürlich am meisten ihren Pepi. So nämlich nannte sie ihren Enkel Josef, und keineswegs Schuiseppe.
Schuiseppe, der es anfänglich sehr wohl probiert hatte, der Groß-mutter die Namensänderung schmackhaft zu machen, hatte aber de-ren Entscheidung, wenn auch leicht schmollend, hingenommen. Ver-standen hatte er die Großmutter nicht. Was wäre denn schon dabei gewesen, wenn sie mitgemacht hätte. Sogar seine Eltern hatten ihm den Gefallen getan."Welch seltener Besuch", begrüßte Eulalia die Ankommenden. "Was führt euch denn zu mir?"
"Wir hätten da mal eine Frage; eigentlich stammt sie von Schak, aber das ist ja egal. Warum heißt es <> und nicht <>?""Das ist eine sehr interessante Frage", bemerkte die Großmutter, um danach lange Zeit in die Gesichter der drei Jugendlichen zu schauen.
"Die hat überhaupt keinen Plan", schoss es Schuiseppe durch den Kopf, und er bedauerte im selben Augenblick zutiefst, dass ausge-rechnet er den Vorschlag mit Oma Eule gemacht hatte."Das ist ja auch eine saublöde Frage", versuchte er die Situation zu entschärfen."Aber nein; ganz im Gegenteil", hörte er da Oma Eule sagen, "die Fra-ge ist sehr interessant, und sie verdient sicher mehr als nur eine ein-zige Antwort. Ich kann mir vorstellen, dass es dafür viele Möglich-keiten gibt. Eine davon kann ich euch geben; vielleicht gefällt sie euch. Das müsst ihr dann selbst entscheiden."
"Dann sag sie uns bitte, Oma Eule!", bat Sprosse und ihre Augen be-kamen einen erwartungsvollen Glanz.
"Wenn man <>, dann ist der Kopf, genauer gesagt das Gehirn von diesem Vorgang ausgesperrt; denn die Denkzentrale sitzt ja bekanntlich ein Stück oberhalb der Ohren. Und wenn man jetzt sagen würde, man ist <>, dann wäre das Gehirn ja mit einbezogen. Und das wäre sicher-lich nicht so gut; denn lieben mit dem Kopf, das wäre wie pfeifen un-ter Wasser. Das geht nicht!""Wieso geht das nicht?", bohrte Schak weiter.
"Dummkopf!", sagte Schuiseppe, "hast du schon einmal versucht un-ter Wasser zu pfeifen?"
"Das meint er doch nicht", fuhr Sprosse dazwischen, und an Oma Eule gewandt: "Ganz verstehe ich das auch nicht; kannst du das noch et-was genauer erklären?"
"Ich will es versuchen.", antwortete Oma Eule.
"Wenn man verliebt ist, dann verändert sich das Wahrnehmungsver-mögen eines Menschen. Die Sonne scheint heller als sonst, die Mit-menschen scheinen freundlicher als sonst, man kann sich nicht mehr so schnell und gut ärgern wie sonst, man ist viel munterer als sonst, und vieles anderes mehr. Das ist der Tanz der Hormone; unsere Ge-fühle sind in hellem Aufruhr, wir schweben im siebenten Himmel. Jetzt stellt euch einmal vor, euer Gehirn, also der Verstand, kommt daher und sagt zu euch; <> Und somit würde der siebente Himmel einstürzen, und alles wäre wie immer. Dieser wunderbare Zustand der Schwerelosigkeit, des Schwebenkönnens, des Fliegenkönnens wäre mit einem Wisch wieder weg. Das wäre doch furchtbar, oder etwa nicht?""Und aus diesem Grund sperrt man den Verstand aus, und lässt die Liebe nur von den Zehenspitzen bis gerade Mal bis knapp über die Ohren in die Menschen hineinschlüpfen. Und ihre Hauptverwaltung richtet man im Herzen der Menschen ein. Das heißt aber nicht, dass der Verstand jetzt ein Böser ist. Er bleibt uns ja erhalten und er macht auch weiter seine Arbeit; aber eben nur in seinem Bereich.

Der Idealfall wäre, wenn Gefühl und Verstand sich gegenseitig res-pektieren würden und eine jeder für seinen Bereich die Verantwor-tung übernähme, ohne jedoch dem anderen in seine Angelegenheiten hinein zu reden. Aber das ist ein schwieriges Unterfangen und es ge-lingt nur ganz wenigen. Theresa von Aquila, eine Heilige aus früherer Zeit soll einmal gesagt haben: <>. Vielleicht hat sie ja damit Recht; wer weiß. In der Liebe hat er auf jeden Fall nichts verloren!"Die drei Wissbegierigen hatten Oma Eule interessiert zugehört, und ihre Ohren glühten vor lauter Aufregung. So ist das also mit der Lie-be. Aufregend, im höchsten Maße aufregend.
"Und wie merkt man, dass man <>", ertönte ganz sacht, ja beinahe be-hutsam die leise Stimme von Schak."Kann man das lernen?", wollte Schuiseppe wissen.

"Das brauchst du nicht lernen", antwortete Oma Eule ihrem Enkel, "das merkst du dann schon; und du auch Schak."Zu Sprosse sagte sie nichts; sie sah das Mädchen nur an und sie er-kannte eine leichte Röte in deren Gesicht, die nicht aus lauter Auf-regung entstanden war. Sie erkannte, dass Sprosse der Liebe bereits begegnet war, und es freute sie. Die beiden Männer hatten davon nichts mitbekommen; und das sollte auch so bleiben.

Eine Text von: julo

Frühlingssehnen

28. April 2008 in Weblogs

Frühlingssehnen (julo)

Ach, man wünschte sich ein Ende
endlos langer Winterpracht;
dass der Frühling zu uns fände
und uns rundum glücklich macht...
Frühlingsdüfte, mild und fein,
streichen wohlig durch die Nase,
Frühlingsblumen, zart und klein,
auf der Wiese - in der Vase.
"Kuckuck" ruft es aus dem Wald,
bitte, Frühling, komme bald!

Ein Gedicht von: julo

Gud morning, lejdies än dschendelmän!

7. August 2007 in Weblogs

Gud morning, lejdies än dschendelmän! (Julo)

Ich befinde mich auf dem Bahnsteig Nr. 8 des Wiener Westbahnhofs und bewege mich in Richtung "Prinz Eugen", einem Eurocity-Zug der Österreichischen Bundesbahn, der mich hoffentlich sicher und wohlbehalten von Wien nach Würzburg bringen wird. Es ist Sonntagmorgen, sieben Uhr dreißig, und wir haben "Kaiserwetter". So sagt man in Österreich zu einem strahlenden Sonnentag. Der Himmel ist blitzblau und ein paar weiße Wolken sind wie Farbtupfer, welche das "Himmelsgemälde" vollkommen erscheinen lassen.

Nachdem ich mich von meiner lieben Frau Lisi verabschiedet habe, steige ich ein und setzte mich auf meinen reservierten Gangplatz Nr. 21 im Waggon Nr. 254, Nichtraucher, Abteilwagen und richte mich für eine lange Fahrt ein: kleines Kissen für den Rücken, kleine Plastikflasche mit Mineralwasser, die ich vor jeder Fahrt neu anfülle und diverse Zeitschriften. Wenn man - so wie ich - zweimal wöchentlich diese Strecke fährt (einmal hin und einmal her), dann entwickelt man im Laufe der Zeit ein gewisses Prozedere, um sich die Fahrt so angenehm, wie nur irgend möglich, zu gestalten. Ich bin ja doch zwischen acht und neun Stunden unterwegs, bis ich mein Endziel in Form einer kleinen, entzückenden, schwäbischen Deutschordensstadt er-reicht habe.

Wenige Minuten nach Abfahrt des Zuges ertönt eine Stimme in gepflegtestem Meidling-österreichisch aus dem Lautsprecher mit folgendem Inhalt:"Guten Morgen, meine Damen und Herrn! Zugchef Jäger begrüßt Sie mit seinem Diehm im Eurosiddi Wien-Hamburg, über Bassau, Nürnberg, Würzburg, Frankfurd, Frankfurd Flughafen, Köln, Dortmund, Hamburg und wünscht Ihnen eine gute Reise. Im middleren Deil des Zuges, zwischen der ersten und zweiten Glasse, befindet sich der Speisewagen, in dem Sie gern erwartet werden."Es gehört zum umfangreichen Service der ÖBB (die DB macht das natürlich auch, allerdings in bayrisch-fränkischem Tonfall; bisweilen auch in sächsisch...), die Durchsage in einem nicht ganz astreinen "Oxfordenglisch" zu wiederholen:"Gud morning, lejdies än dschendelmän. Drejntschief Hanter ent his kruh wellkamms juh in ße jurosiddi Wien-Hamburg, weia Passau, Nürnberg, Frankfurt, Frankfurt-Ährport, Köln, Dortmund, Hamburg ent wisch juh ä plessent dschörnie. In ße middl of ße drejn, bidwiehn ße först ent ße seckent glas, ßer iß auer restorantkahr, wer wi wutt bließt tu wellkamm juh."Interessanter Weise werden die T`s in besagtem Englisch teils weich und teils hart ausgesprochen. Warum das so ist, hat sich mir - auch unter Hinzunahme eingehender Studien, weil oft gefahren - nicht eröffnet.Was mir hingegen auffiel, war die Tatsache, dass viele der nicht deutsch sprechenden Mitreisenden Schwierigkeiten damit hatten die Durchsage zu verstehen; aber vielleicht lag es auch nur daran, dass sie selbst nicht genug Englisch konnten...

In meinem Abteil Nr. 21 bis 26 im Waggon 254 befindet sich noch ein Ehepaar, welches sich schätzungsweise altersmäßig im Bereich zwischen 45 und 55 Jahren bewegt. Die beiden dürften schon geraume Zeit miteinander verheiratet sein, denn sie haben einander nicht allzu viel zu sagen. Die Ehefrau lehnt gelangweilt in ihrem Fenstersitz und starrt hinaus. Der Ehemann, welcher ihr vis-à-vis sitzt, hat sich in einem Buch vergraben. Es handelt sich, wie ich mit einem Blick aus meinen Augenwinkeln feststellen kann, um ein wissenschaftlich-mathematisches Werk, was auf den Beruf eines Lehrers in seiner Urform schließen lässt. Sein Habitus (alter Ausdruck für das Gehabe eines Menschen...) und sein Outfit (neuer Ausdruck für die Bekleidung eines Menschen...) nehmen mir die letzten Zweifel. Lehrer müssen sein, ganz ohne Zweifel, und sie sind auch wichtig; befreien sie uns Erwachsene doch tageweise für ein paar Stunden von der Last unser heranwachsenden Kinder...

Wir fahren nicht lange, da beginnen meine beiden Mitreisenden ihr Frühstück einzunehmen. Zu diesem Zweck packt die Ehefrau des pädagogischen Mitreisenden (immer vorausgesetzt, meine Mutmaßung stimmt, was den Beruf dieses Herrn angeht) eine randvoll beladene Tasche aus: Joghurt, Brotaufstriche, Wurst-Majosalat in Plastikbechern, Kabernossi (das ist eine lange dürre Wurst, die nach Länge und nicht nach Gewicht verkauft wird), Margarine, Vollkornbrötchen, Messer, Kaffeelöffel und kleine Geschirrtücher. Dazu Kaffee in einer Thermoskanne aus Edelmetall, diverse Säfte und einige 1,5 l Plastikflaschen mit Mineralwasser. Frau Lehrer (ich nenne sie der Einfachheit halber so), die in ihrer Art und in ihrem modischen Aussehen einen krassen Kontrapunkt zu ihrem Gatten bildet, öffnet mit gespreizten Fingern einen Joghurtbecher und beginnt dann genüsslich, ja beinahe sinnlich in einem eher bedächtigen Tempo den Inhalt - Löffel für Löffel - in ihren kräftig geschminkten Mund zu stecken. Ich schaue ihr zu, denn sie wendet ihren Blick nicht ein einziges Mal vom Fenster, und mir fällt auf, wie interessant es ist einen nahrungsaufnehmenden Menschen zu beobachten. Der Herr Lehrer rückt indessen dem Wurst-Majosalat zu Leibe und er legt dabei ein Tempo vor, als gelte es einen Eintrag in das Guinessbuch der Rekorde zu erzielen. Ebenso wie die Kleidung der beiden, so steht auch die Art des Essens in einem völligen Widerspruch zueinander. Es gibt wohl nichts, so scheint es zumindest, was diese Zeitgenossen gemeinsam haben; außer ihrem Schweigen vielleicht. Die Kommunikation zwischen Mann und Frau findet auf einer Ebene der Zeichengebung statt. Wenn einer von beiden etwas will, so deutet er mit dem Finger darauf oder er nicht mit dem Kopf in die Richtung, in welcher sich der gewünschte Gegenstand befindet.

Zwischenzeitlich ist eine junge Frau (so um die zwanzig Lenze) zugestiegen und hat auf dem Sitz mir gegenüber Platz genommen. Sie grüßt höflich und wendet sich dann einem Taschenbuch in englischer Sprache zu, wie ich dem Titel auf der Umschlagseite entnehmen kann. Auf ihrem Schoß liegt ein Langenscheid-Wörterbuch, welches sie jedoch nur selten zu Hilfe nimmt. Sie ist eine bildhübsche Gretel (das ist eine alte Wiener Bezeichnung für eine weibliche Schönheit) mit guten Manieren. Und das, obwohl sie einen Kaugummi nicht völlig geräuschlos bis zur Bewusstlosigkeit zwischen ihren Kiemen hin- und her schiebt. Aber man weiß ja, dass junge Menschen gerne den Mund leicht geöffnet halten, wie die Karpfen; man weiß jedoch nicht, warum das so ist. Ich nenne sie gern die "Fischmaul-Generation", was sicherlich nicht ganz in Ordnung ist...

So sitze ich nun, nicht gerade sehr bequem, eingepfercht zwischen Taschen und Koffern meiner Mitreisenden, auf meinem Sitz Nr. 21 im Waggon Nr. 254, bar jeder Möglichkeit meine Füße auszustrecken oder gar aufzulegen, in dem von mir selbst eingeredetem Gefühl, dass jede Reise irgendwann einmal zu Ende geht.
Das Abteil eines Zuges besteht aus zwei Sitzreihen mit jeweils drei sich gegenüber liegenden Sitzen. Vier Plätze meines Abteils sind besetzt und zwei, nämlich die beiden mittleren sind zwar reserviert, aber derweil noch nicht belegt. Diese besagten Sitze dienen unserem Lehrerehepaar als Parkplatz für Teile ihres umfangreichen Gepäcks. Meine Nachbarin, beneidenswert jung und geschmeidig, sitzt mit angezogenen Beinen, mit dem Rücken zum Gang, auf ihrem Sitz. Ihre Füße erstrecken sich in einem eher bescheidenen Ausmaß auf dem mittleren Sitz, wobei sich ihre Zehen ganz verstohlen unter eine der Taschen von der Frau Lehrer bohren, was diese jedoch sofort bemerkt und mit einem strafenden Blick belegt. Meine junge Mitreisende registriert dies nicht oder will es nicht registrieren und fährt unbeirrt fort ihren sicher spannenden Roman zu lesen...
"Grüß Gott! Fahrscheinkontrolle!"
Mit diesen Worten stellt sich uns ein Teil des Zugteams vor, nämlich der Herr Schaffner, vulgo der Herr Zugbegleiter, wie man diese Herren in diesen Zeiten tituliert.
Mein Gegenüber und ich sind die ersten, die ihre Tickets vorzeigen. Dann kommt der Herr Lehrer. Er kramt nervös in seiner Herrentasche (sicher ein Geschenk der liebreizenden Gattin) und reicht dann dem Herrn Zugbegleiter seinen Fahrschein."Kann ich Ihre Zuschlagskarten sehen?"fragt dieser den Herrn Lehrer und der Herr Lehrer befleißigt sich in einer eher devot anmutenden Art dem Wunsch des Herrn Schaffners nachzukommen. Dieser wiederum studiert die Unterlagen eingehend, um dann dem Herrn Lehrer lang und tief in die Augen zu schauen.
"Auf Ihrem Fahrschein sind nur zwei Reisende vermerkt, und Sie haben Reservierungen für vier Personen!"bemerkt der Herr Schaffner und fixiert den Herrn Lehrer weiterhin mit festem Blick. Upps!!! Unser Herr Lehrer schluckt, er schluckt noch einmal und dann noch einmal, und dann bekennt er mit einer hauchdünnen, ja beinahe Mitleid erzeugenden Stimme, dass es nur zwei Reisende gäbe; nämlich ihn und seine Gattin. Schweigen und Betroffenheit... Die Blicke des Herrn Schaffners, die Blicke der jungen Frau und auch meine Blicke bündeln sich - einem Laserstrahl gleich - und treffen unbarmherzig auf den ertappten Sünder. Dieser ringelt sich wie ein Wurm, und er versucht mit unschuldigem Blick das Beste aus der Situation heraus zu holen. Seine Ehefrau, die meines Erachtens der Kopf dieser "Zweierbande" ist und deren Hirn diesen "Eisenbahn-Reservierungs-Coup" ausgebrütet hat, schaut teilnahmslos beim Fenster hinaus; so, als gehöre sie gar nicht dazu. Unter Herr Lehrer ist in diesem Augenblick wohl der verlassenste Mensch auf Gottes Erdboden Sein Anblick dokumentiert auf eindrucksvolle Weise, wie schrecklich er sich fühlen muss...
Der Vertreter der ÖBB, in dieser Situation Herr über Wohl und Wehe, gibt sich einer längeren Überlegung hin und reicht dann, ohne jeglichen Kommentar die Reiseunterlagen an den augenscheinlich total Verzweifelten zurück. Ich empfinde Hochachtung für diesen Menschen in Uniform, der - obwohl Beamter - ein hohes Maß an Feingefühl erkennen lässt. Er wünscht noch eine gute Reise, verlässt das Abteil und schließt die Tür.
Der sichtlich erleichterte Sünder schaut flehentlich zu seinem Weibe hin, die ihm jedoch ihren Blick verweigert. So, als wolle sie ihm bedeuten, was für ein Versager er doch wäre, was für ein Waschlappen. Man kann die Verachtung förmlich spüren, die sie für ihn empfindet...
Uns schaut er nicht an, dazu fehlt ihm offensichtlich der Mut. Für uns beide ergibt sich nun eine völlig veränderte Situation. Da das Lehrerehepaar durch sein nachgewiesenes Fehlverhalten sämtliche "Ehrenrechte eines Bahnreisenden" verloren hat, sehen wir uns ermutigt Ansprüche auf das Territorium zu erheben, welches die beiden Betrüger bisher unrechtmäßig besetzt hielten. Das junge Mädchen fährt ihr "Fahrgestell" deutlich weiter aus, und ich entledige mich meiner Schuhe, um meine Füße schräg hinüber in Richtung Tasche auszustrecken. Es macht mir auch keinerlei Probleme den "Fremdbesitz" mit meinen, wenige Stunden zuvor frisch gewaschenen Füße zu berühren. Die Frau Lehrer zieht darauf hin ihre Tasche mit einem energischen, deutlich erkennbaren Rück etwas mehr zu sich, und ich unterdrücke nur mühevoll ein kleines, unreines Lächeln, welches einer gewissen Schadenfreude nicht entbehrt. Der so vollzogene Gebietsanspruch zieht keinerlei böse Blicke nach sich, denn unsere beiden Mitreisenden sind deutlich geschrumpft...
Der arme Sünder wendet sich - sichtlich erfreut über seine wieder gewonnene Fassung - weiterhin leiblichen Genüssen in Form eines Bechers mit Liptauer (das ist ein spezifischer österreichischer Brotaufstrich, bestehend aus Schichtkäse, Margarine, edelsüßem Paprika, Kapern, gewürfelten Essiggurken, gehackten Zwiebeln, Salz und Pfeffer) zu. Dazu einen Kornspitz, und beide Dinge isst er wieder in der bereits eingangs erwähnten Geschwindigkeit. Seine liebe Frau schaut weiterhin gelangweilt beim Fenster hinaus; die junge Mitreisende wendet sich wieder ihrem Taschenroman in englischer Sprache zu, und ich packe meinen Discman aus (das ist ein batteriebetriebener, tragbarer CD-Player), lege eine Scheibe von Celin Dijon ein, setze mir die Kopfhörer auf und gebe mich dem Musikvergnügen hin. Ich bin rundherum zufrieden mit dem Stand der Dinge, genieße den Sonnenschein, der durch das Fenster - vorbei an der Frau Lehrer - ins Zuginnere hereinfällt und freue mich schon sehr auf meine idyllische schwäbische Kleinstadt.
Nachzutragen wäre noch, dass sich diese Geschichte tatsächlich zugetragen hat, und zwar am 17. Mai 1998. Die Frage, ob es sich um ein österreichisches oder um ein deutsches Ehepaar gehandelt hat, bleibt vom Verfasser unbeantwortet. Und was den mutmaßlichen Beruf des mitreisenden Herrn betrifft, so ist dieser sicherlich nicht spezifisch für sein Verhalten... oder doch?

Eine Text von: Julo

Annemarie, Babette, Christiane und Elvira

25. Juli 2007 in Weblogs

Annemarie, Babette, Christiane und Elvira (Julo)

Annemarie, Babette, Christiane, Dorothea und Elvira, das waren die Namen der fünf Damen, die mir die Kindheit unnötig erschwert haben. Alle nicht mehr ganz jung, die Haare schneeweiß und ein gewaltiges Goderl am Hals.Das waren zu Lebzeiten unsere Eierlieferanten und nach ihrem Ableben die Ingredienzien für Hühnersuppe mit Suppennudeln.

Die traurige Geschichte meiner Kindheit spielte auf dem Lande, genauer gesagt in meinem Elternhaus, und noch genauer gesagt, im Hof desselben.Es war Sommer, wohlgemerkt Sommer, wie ihn die Jungen gar nicht kennen: tagsüber heiß, nächtens gewittrig mit ergiebigem Regen, und am nächsten Morgen angenehm kühl. Im Verlauf des darauf folgenden Tages wieder heiß, Badewetter-heiß; eben Sommer.Meine Mutter ging früh morgens aus dem Haus um in der nahe gelegenen Fabrik unseren Unterhalt zu verdienen. Meine Aufgabe war es die 5 Damen zu füttern und zu mit Wasser zu versorgen. Und der allerwichtigste Teil meiner Aufgabe bestand darin, so gegen 18:00 Uhr die weißhaarigen Biester in den Stall zu bugsieren. Alles kein Problem, wäre nicht Sommer gewesen, wäre in der Nähe nicht der Fluss gewesen, der zum Baden einlud, und wären nicht Schulferien gewesen. Ein heranwachsender Zehnjähriger kann nun einmal nicht das nötige Verständnis dafür aufbringen, dass er um 17:00 Uhr das Badevergnügen beenden soll, obwohl seine Lippen vom vielen Inswassergehen noch gar nicht richtig blau waren. Und der zehn Jahre ältere Bruder war keine Hilfe für mich; der ging in jenen Tagen in eine Dachdeckerlehre. Nun ja, bis jetzt war ja noch alles glatt gegangen. Immer wenn die Glocke der Kirchturmuhr am Nachmittag 5 Mal geschlagen hatte, bin ich im gestreckten Galopp nach Hause geeilt und habe mich dem immer gleich währenden Prozedere hingegeben:
Mit einer langen Bohnenstange das malefitzte Federvieh vom Kirschenbaum herunter treiben, auf welchem sie regelmäßig saßen, und dann hurtig ab in den Stall.

Es war jedes Mal ein Rennen gegen die Zeit. Die Mutter konnte jeden Augenblick mit ihrem Fahrrad um die Ecke biegen, und das hätte fatale Folgen für mich. Was meine wenigen Pflichten betraf, so verstand die Mutter keinen Spaß. Sie war die wunderbarste Mutter, die man sich vorstellen kann; aber "Dienst war Dienst.."Heute sollte es passieren. Ich hatte mein Badevergnügen um eine Viertelstunde überzogen, und die fehlte mir jetzt. Und ausgerechnet heute waren die 5 Damen unwillig, wie noch nie. Babette flog vom Ast des Kirschbaums über den Zaun, der den Hof begrenzte, hinaus auf die Straße. Es war zwar nur eine Sackgasse mit minimalem Verkehr, aber das half mir jetzt auch nicht weiter. Die Nachbarin, eine Schulkameradin der Mutter, die mein alltägliches Treiben mit großem Vergnügen täglich beobachtete, wollte mir noch helfen, aber es war schon zu spät. In diesem Augenblick bog die Mutter mit ihrem Fahrrad um die Ecke und wurde Zeuge meiner Verzweiflungstat. Sie stieg wortlos vom Rad und half Babette einzufangen. Ihre Mine verriet nichts Gutes und mir war nicht gerade wohl.
Welche Strafe mein Missverhalten nach sich zog, weiß ich heute nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch gut an jene Sonntage, an denen Annemarie, Babette, Christiane, Dorothea und Elvira unser Sonntagsmahl bestritten. Und jeder dieser Sonntage war ein Festtag. Und als das letzte Huhn das Zeitliche gesegnet hatte, empfand ich ein ungeheures Gefühl der Freiheit. Heute verstehe ich die Mutter gleichwohl, war es doch in jenen Jahren nach dem Krieg kein Leichtes zwei Kinder satt zu kriegen und ihnen eine gute Erziehung angedeihen zu lassen. Aber sie hat es geschafft und sie hat ihre Sache gut gemacht. Danke, Mutter!

Eine Text von: Julo

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