Nächtliche Ruhestörung

Nächtliche Ruhestörung (lesefink)

Zugegeben, ich habe eine blühende Fantasie, aber die Geschichte, die ich jetzt erzähle, ist tatsächlich passiert. Ich will auch nicht verschweigen, das meine Gehör nicht mehr vom Feinsten ist, und man denken könnte, ich hätte mich verhört. - nein es ist alles wirklich geschehen,.

Wie das so ist, Senioren nehmen es mit der Disziplin in punkto Gesundheit sehr genau, was bedeutet, trinken, viel trinken, tagsüber mindestens 2 - 3 Liter. Die Folgen bleiben nicht aus, und nachts wird gewandert, zur Toilette. Man gewöhnt sich daran. Allerdings muss ich gestehen, es dauert immer ein bisschen bis ich , insbesondere jetzt im Winter richtig wach werde und aufstehe. Da horcht man in sich hinein, na also, was sein muss, muss sein.

Kürzlich nun, es war Anfang November, ich hatte gerade die Bettdecke zurückgeworfen, höre ich Stimmen. Nicht wie dereinst die Jungfrau von Orleans, überirdische, Engel oder Heilige, wie auch immer . Bekannt ist jedenfalls ; Johanna von Orleans hörte Stimmen nachts auf dem Felde., und wurde, von den Stimmen aufgefordert ,Frankreich zu retten. Sie war blutjung und kräftig, kann sein, man hat ihr das zugetraut, Bei mir käme keiner mehr auf die Idee , dass ich Deutschland retten könnte, der Bundestag hat da seine eigenen Vorstellungen und ließe sich von einer alten Frau nicht links überholen. Nein, solcherlei Stimmen hörte ich nicht, Und sie kamen auch nicht von außen, auch nicht von der Terrasse der Mitbewohner des Hauses, die manchmal im Sommer nach einer Grillparty lachend und schwatzend in den Sonntag hineinfeiern. Dafür ist es im November zu kalt.

Dennoch hörte ich Stimmen., nein Ich träumte nicht. Ich richtete mich im Bett auf setzte die Füße auf die Erde und hörte Stimmen. Jetzt ganz laut und deutlich. ohne Rücksicht auf mitternächtliche Störung. Ruhig bleiben, dachte ich, es kann nicht sein, Ich hatte am Abend die Wohnungstür ordentlich abgeschlossen und den Schlüssel an den Haken gehängt, , stecken lassen darf man ihn nicht, falls was passiert, kann ja keiner öffnen. ...Angst. Ja, ein bisschen kriegte ich es mit der Angst zu tun. Aber merkwürdigerweise bin ich In Momenten, wo Gefahr droht, plötzlich ruhig und fange an, zu überlegen. . Wie damals bei der Verschüttung als die Bomben neben unserem Luftschutzstollen einschlugen, die Erde über uns zusammen presste und wir zu ersticken drohten. .

Kein Vergleich, dennoch die Situation schient mir bedrohlich. Irgend etwas stimmt nicht. Immer klarer höre ich Stimmen in der Wohnung , und keineswegs leise. Wenn es Einbrecher sind, sind es Dilettanten oder sie wissen, dass ich eigentlich in dieser Woche verreisen wollte. Ich hatte es ja meinen Freunden telefonisch mitgeteilt, dass ich nach Halle zur Lesung und nach Leipzig auf den Friedhof wollte und erst Sonntag zurückkäme. Aber da die Lok-Führer streikten , was ich für richtig hielt, blieb ich zu Hause.

Ob man das Gespräch zufällig mitgehört hatte, rein zufällig? . Ich weiß es nicht. Es hilft mir jetzt auch nicht weiter . Irgendwer ist in der Wohnung . Die Nachbarin, der ich die Blumen anvertraut hatte falls ich wegfahre, wird sich nicht des nachts an ihre Selbstverpflichtung erinnern und wenn, keine Selbstgespräche führen. Jedenfalls höre ich eine Stimme, ein ziemlich gleichmäßiger Ton dringt an meine Ohr.. Sind sie zu zweit oder einer allein, der mit sich redet. Nein, einer ist der Boß und gibt Weisungen: und der Andere sucht vielleicht nach der EC- Karte, nach Bargeld, nach Schmuck,

Was tun. Leider steckt der Schlüssel zu dem Zimmer ,wo ich auf meiner Couch schlafe und den Laptop- in der Nähe habe, von außen. Mein Leben ist mir lieb, sollen sie nach Schmuck suchen, Brillanten sind es sowieso nicht. Aber was mache ich, wenn die Klinke plötzlich heruntergedrückt wird und sie wollen mein Zimmer durchsuchen, mein ganz persönliches Heiligtum und ich bin ihnen ausgeliefert, bestimmt sind sie zu zweit. . Um mein Leben werde ich nicht betteln. Aber vielleicht könnte ich vorher den Laptop nutzen und noch eine E-mail schicken an Freunde oder Enkel . Wenn sie auch mitten in der Nacht nicht ihr Postfach öffnen, so wüssten sie doch, warum ich mich nicht mehr melden kann. . Ein bisschen schade ist es schon und je länger ich hier wie festgenagelt sitze, umso unangenehmer wird die Situation. Also muss ich handeln..

Das Herz klopft, leise öffne ich meine Zimmertür. Alle anderen Türen, die von der Diele abgehen sind geschlossen, aber die Stimme ist noch da, noch lauter Es klingt als käme sie aus der Küche. Vielleicht haben sie Hunger und untersuchen erst mal den Kühlschrank. Sie denken sicher, Ich sei verreist und um zwei Uhr nachts können sie sich Zeit nehmen, es wird erst gegen 7.OO Uhr hell.

Also, ich schleiche mich Ins Badezimmer, schaue aus dem Fenster, ob ein fremdes Auto geparkt hat, komme auf die Idee, dass es was nützt, wenn ich mir die Nummer merke, aber es steht kein fremdes Auto da. Auch kein Fahrrad. Einbrecher zu Fuß.

Also schließe ich mich im Badezimmerein ein, ziehe den Bademantel an , benutze die Toilette , schleiche zurück , ziehe den Schlüssel von meiner Tür außen ab, gehe in meine Kemenate und schließe mich auch dort ein. Vielleicht sollte ich das Fenster öffnen, Hilfe schreien und die Nachbarn alarmieren.? Irgendetwas hält mich davon ab, dieses Risiko einzugehen. Sie könnten dann erst recht aggressiv werden.

Es vergeht eine Viertelstunde, eine halbe Stunde, mittlerweile ist es drei Uhr und die Stimme tönt unverändert laut. Meine Gefühle wechseln, soll ich etwas tun oder nicht. Das hört sich jetzt einfach an, aber mutterseelenallein in der Wohnung.? Es ist gespenstisch gefährlich, ach ,was weiß ich. Schließlich fasse ich mir eine Herz, schließe die Tür auf, gehe in die Diele ,lege mein Ohr nahe an die Küchentür, jetzt höre ich es ganz genau, von dort kommt die Stimme und bleibt. . Sonst kein Geräusch.. Soll ich mich bewaffnen, - im Schubfach des kleinen Schränkchens in der Diele liegt eine große Schere . Lächerlich . Also einfach Hände hoch und Geld anbieten. Bargeld.. Vielleicht sind es arme Schlucker. . Ich öffne die Tür .-

Und da steht er denn, der kleine alte Radio-Apparat, den mir mein Neffe neulich mitgebracht hat, weil meiner runtergefallen und sprachlos war. Er redet und redet, ohne Punkt und Komma. Kommentiert alle Ereignisse der Welt laut und verständlich wie nie zuvor.

Ich hatte ihn ausgemacht, den Deutschlandfunk, gleich nach dem Frühstück, das wusste ich genau und auch beim Frühstück hatte ich ihn, unmittelbar daneben sitzend, leise gestellt.

Wieso er sich zur Nachtzeit selbst ermuntert hat, laut zu werden, bleibt sein Geheimnis. Ich muss meinen Neffen fragen, welche Kommunikationsprobleme es zwischen ihnen beiden gegeben hat.

Aber als er, dieser Schelm, vorgestern da ich meine nächtliche Wanderung zur Toilette antrat, noch einmal den gleichen Trick probierte, sagte ich ihm unmissverständlich, "lieber Freund, solche Scherze klappen nur einmal" , ging sofort in die Küche, drehte mit der ganzen mir noch innewohnenden Kraft in den Arthrose-Händen den Kasten ab und schlief sogleich wieder ein, stolz den Einbrecher so schnell entlarvt zu haben..

Käthe Seelig

Eine Geschichte von lesefink

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