Herbstzeitlose- alles ist möglich

Herbstzeitlose- alles ist möglich!(lesefink)

Sich räkeln, mehr ist es nicht. Irene nennt es Frühgymnastik auf dem Balkon. Jeden Tag! Auch jetzt, wo es am Morgen schon empfindlich kühl ist: Traininganzug an und los geht es: Tief einatmen, Rumpf beugt, ausatmen ,einatmen - ausatmen, fünf mal hintereinander, das reicht , Knie beugt, Knie streckt, Arme hoch, Arme breit genug. Es ist ohnehin keiner da, um sie zu bewundern und überhaupt sind nun die Blumen dran. Irene redet mit ihnen, wie eben jetzt. . Gestern hat sie die vom Regen arg zerzausten Petunien durch wunderschöne gelbe Herbstastern mit vielen Knospen ersetzt. Nun werden die ermuntert , aufzublühen und zusammen mit den roten Geranien Flagge zu zeigen, leuchtende Herbstflagge.

Rechts neben, dem Balkon, direkt vor dem Schlafzimmerfenster der prächtige Ahorn, hochgewachsen bis übers Dach, kennt das alles und spielt mit. Im Frühjahrwirft er Blüten einschl. Blütenstaub auf Irenes Sitzbank, später tummeln sich die sogenannten Nasenklemmer auf ihrem Balkon und Ende Oktober wehen jeden Tag bunte Blätter zu ihr herüber. Die meisten holt sich allerdings der Wind zum Tanz und wirbelt sie über den Rasen. Dort liegen sie dann eine Weile, die handgeprägten rotgoldenen Blätter, ein bunter Teppich wie er nicht schöner gewebt sein könnte. Dieses Jahr , denkt Irene , werde ich mir wie Nachbars Kinder auch 6 oder 7 der schönsten Blätter aufsammeln, pressen , zu einer Collage zusammenstellen, einrahmen und im Wohnzimmer aufhängen, gerade dort, wo das wunderschöne Bild hing, das sie ihrem Enkel Bernd mitgegeben hat.

Aber bis dahin ist noch Zeit. Jetzt Anfang Oktober wird erst einmal ein bisschengefeiert, oder auch demonstriert. Das hat der Oktober so an sich. Heute Nachmittag ist Feiern angesagt. Kulturelle Veranstaltungen, Marktreiben, man wird sehen. Viel-leicht trifft man Bekannte, bisschen einsam ist es schon seit Bernd weg gezogen ist.

So schlendert Irene also wieder mal ans Brandenburger Tor, das hat was.. Hin und wieder verweilt sie an den Ständen in der Festmeile , schaut ob es was Besonderes gibt und tritt schließlich an eine Bildergalerie Galerie ist freilich übertrieben, denn da ist nichts zum aufhängen, alles liegt auf dem Tisch.Kein Gedränge , nur ein älterer Herr verhandelt gerade mit der Verkäuferin.. Irene blickt auf das Bild, das er in der Hand hält.
""Verzeihung," sagt sie," darf ich mir das Bild einmal näher ansehen"?."Ich will es gerade kaufen," sagt der Herr, " wir sprechen eben über den Preis". und zur Verkäuferin gewandt fährt er fort:" Höhe und Breite stimmen, es ist genau so groß wie das Bild, das ich bei der Renovierung im Hause meiner Tochter fallen ließ, tausend Scherben, alles zerstochen." "Nein, sagt Irene," so ein Zufall, es sind meine Herbstzeitlosen." -"" Was heißt das, Ihre Herbstzeitlosen,? Sie sind köstlich!,"
"Mein Enkel hat sie mitgenommen, weil er jetzt nach der Lehre in München Arbeit gefunden hat.<" Oma, das Bild, bitte gibt mir das Bild mit>, hat er gesagt,< weißt du noch, wie Opa es gemalt hat,? Damals als ich mit Euch in Ferien war und wir von Schierke nach Mandelholz gewandert sind. Plötzlich dann vor der Wiese standen woHunderte von Herbstzeitlosen blühten? Opa hat den Skizzenblock vorgeholt und sie gezeichnet. Man muss die Erinnerung an das Schöne bewahren, hat er gesagt"> Zu Hause hat mein Mann die Blüten koloriert, zartlila. Ich hänge selber sehr daran, aber für den Jungen ist es noch wichtiger, weil sein Großvater es gemalt hat".

"Das verstehe ich." Der schlanke ältere Herr streicht sich ein wenig verlegen über seinen vollen weißen Schopf und sieht Irene freundlich an: "Ich denke aber , Herbstzeitlosen sind Herbstzeitlosen - Ihr Mann könnte doch wieder - so ein Bild malen.!?".

"Er ist vor drei Jahren gestorben", sagt Irene und auch deshalb ist es eine Erinnerung " .Ihre samtbraunen Augen sehen bittend zu dem mindestens einen Kopf größeren Herrn auf. Der scheint nicht unbeeindruckt. und wendet sich an die Verkäuferin "Tja, Was machen wir denn da? "
"Das müssen Sie beide entscheiden, mir ist det egal.""Ach bitte, überlassen Sie mir die Herbstzeitlosen " sagt Irene." Was waren denn für Blumen auf dem zerbrochenen Bild.?""Ich glaube es war Akelei, mein Schwiegersohn war wütend, weil es ein Original sei. " "Akelei ist von Dürer, und der ist tot. Seine Bilder , auch Akelei, hängen bestimmt im Museum, aber ein guter Druck ist überall zu finden. Lassen Sie mir das Bild., es ist auch ein Druck, ich weiß nicht von wem, aber es sind ganz bestimmt Herbst-zeitlosen."Nun muss der Mann, , nicht unbeeindruckt von Irenes Überzeugungskraft lächeln. .Und sagt: "Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wir lassen das Bild zurücklegen und können uns in aller Ruhe in einem hübschen Kaffee einigen. Nur keine Hast. Es lässt sich alles regeln." Und an die Verkäuferin gewandt, meint er ganz unbefangen:,:
"Sie sind gewiss so nett, das Bild für uns aufzuheben, wir holen es später ab.""Nett bin ich, " protestiert die Verkauferin," aber Kaffee trinken, das kann dauern,und bis Sie sich einig sind, habe ich Feierabend."Irene zückt ihr Portemonnaie.

"Gut, ich bezahle es".."Halbe, Halbe, jeder übernimmt vorerst einen Teil und hat Anspruch auf das Bild., aber tragen will ich es gern."Nun lächelt auch Irene., die Verkäuferin nennt einen moderaten Preis, die beiden potenziellen Käufer bezahlen anteilig und gehen wie tausend junge und alte Paare seit eh´ und je Unter den Linden entlang zum Alex, in das hübsche Kaffee im Nicolai-Viertel...

Es ist anzunehmen, dass sie sich einigen und Irene das Bild bekommt. Nur weilder nette ältere Herr einen Kopf größer ist als sie, will er sie nicht übervorteilen,. ImÜbrigen hat sie ihm versprochen , alle Bildergeschäfte abzuklappern, Dürers Akelei gibt es bestimmt irgendwo!.

Ob die beiden sich darüber hinaus verabreden, in der Folgezeit einmal gemeinsam einen Herbstspaziergang zu machen, oder gar in den in Harz zu fahren? Bunt sind schon die Wälder, herrliche Buchenwälder und mitten drin die Wiese in Mandelholz. Es gibt sie noch. Schon von weitem könnte man ihn leuchten sehen, den großen Teppich aus zarten lila Herbstzeitlosen.

Es könnte natürlich auch sein, dass Irene den freundlichen Herrn, weil er ihr das Bild überließ, einmal zu sich nach Hause einlädt, damit er sich überzeugt, wie gut sich die "Herbstzeitlosen" im Wohnzimmer ausnehmen . Einen ordentlichen Kaffe hat sie schon immer gekocht und ihr Pflaumenkuchen kann sich mit jeder Konditorei messen. Was aber den sehr schlanken und recht ansehnlichen älteren Herrn angeht , so würde er gewiß keine Mühe scheuen auch im Herbst ein Sträußchen Akelei aufzutreiben, um es der reizenden Wirtin zu überreichen.

W e r an einem solchen Tag auf die Idee kommt, mit einem Glas "Goldener Herbst" auf einen glücklichen Zufall anzustoßen, kann man nicht wissen, ist auch nicht so wichtig. Aber ganz bestimmt, würden die beiden ehe die Dämmerung anbricht ,noch einmal auf den Balkon gehen. weil ER -, nennen wir ihn Felix (der Glückliche), den Ahorn bewundern muss, , der gerade von der scheidenden Sonne umarmt wird und in rotgoldener Pracht wie eine Fackel leuchtet.

Alles ist möglich, sagt der alte Fontane. Fantasie ist gefragt und schon Aristoteles hat uns wissen lassen, dass die Poesie im Unterschied zur Geschichte die Begebenheiten darstellt, wie sie gewesen sein k ö n n t e n , Ob es sich um Herbstzeitlose in Mandelholz oder an der "Festmeile " handelt.!

Haben Sie, lieber Leser , vielleicht zufällig gehört, wie die Geschichte ausgegangen ist, ?

Käthe Seelig

Eine Geschichte von lesefink

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