Erzählung :Sehnsucht nach mehr Licht.
Über Jahre hatte Michael mit Zeigefinger und spitzer Zunge das Lesen erlernt -Silbe für Silbe .Mit siebzehn Jahren bewältigte er die Texte eines Schulbuches für Erstklässler und schloss ein erstes Abonnement mit einer Buchgesellschaft ab, die ihn üppig belieferte.
Mühsam war es der Heimleitung gelungen ,diesen Vertrag aufzulösen.
Nach weiteren derartigend Abonnements war die Tolleranz aller Beteidligten -abgesehen von Michael- verbraucht ,und ein Gutachten sollte dazu verhelfen diese auswuchernde "Bibliophilie "einzudämmen.
Allein saß Michael schwitzend vor mir ,verkrampft,mit angstvoll geöffneten Augen und ständig wechselndem Gesichtsausdruck :Er werde so etwas nie wieder tun und er werde immer brav sein.Auch im Heim wolle er bleiben.-
Fast hätte dieses Tohu Wabohu von Angst und Erregung bis zur Unkenntlichkeit verzerrt was man früher seine "schöne Seele "genannt hätte.In der Tat war Michael einer der wenigen Menschen ,die heranwachsend n i c h t die Sehnsucht nach mehr Leben,Geist und "Licht "verlieren ,sondern lebenslang ihr stets nur potentielles Menschsein unruhig empfinden .Theologen wissen ,daß das die Unruhe des Augustinus ist.
Weniger seltene Menschen ,-wie Du und ich,lieber Leser,-bevorzugen Genussmittel verschiedendster Art ,deren Wirkungen diese faustisch-augustinische Unruhe beschwichtigen .Michael jedoch "stand "auf
Bücher.
Erst vorsichtig und schüchtern ,dann zuversichtlicher , meldete sich Michaels "schöne Seele "im Gespräch zu Wort, als er erkannte,daß niemand ihm Bücher vorenthalten und verbietend wollte. Er beruhigte und entspannte sich sichtlich.Es war Weihnachtszeit und ein Gespräch über das "Buch der Bücher "war naheliegend.Mit einem Gutschein für ein solches Buch in der Hand verabschiedete sich Michael freundschaftlich von mir.
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