Als ich noch ein kleiner Junge war... Der Pfeifendeckel!

Eine alte Volksweisheit behauptet: "Wenn man anfängt zurück zu blicken, ist man alt." Ich, für meine Begriffe blicke mit eher gemischten Gefühlen zurück, und zwar in jene Zeit, wo ich noch ein kleiner Junge war. Es war kurz nach dem 2. Weltkrieg, die Besatzungsmächte diktierten den Alltag, waren zwar allesamt – zumindest zu uns Kinder - nett, und wir hatten wieder das, was wir am notwendigsten benötigten: Genug zu essen. Bei den Franzosen gab es Konserven, die Engländer versorgten uns mit Schokolade und bei den Amis gab es Kaugummi. Lediglich die Russen, die hatten für uns nichts zu Beißen, aber dafür jede Menge Action. Wir Jungs durften auf ihren Militärrössern reiten.
Was wir Jungen allerdings nicht wussten: Die allgemeine Versorgungslage war ziemlich prekär. Ich kann mich noch gut erinnern, wie meine Oma mir beim Einkauf offenbarte, dass es 'Heute' keinen Grießbrei geben würde, weil auf der Lebensmittelkarte der Milchabschnitt bereits eingelöst war. Hab mich in meiner kindlichen Einfalt entrüstet und meiner Oma geraten, sich nicht so viele Abschnitte von der Lebensmittelkarte schnipseln zu lassen. Erst viel später konnte ich mit Begriffen wie Marshallplan etwas anfangen.
Den Besatzungsmächten war eine heillose Flucht geschlagener Heere vorangegangen. Fazit: In Wald und Flur lagerte an fast jeder Ecke eilends weggeworfenes Kriegsmaterial. Für uns Jungen ein wahres Eldorado, nicht wissend ob der lebensbedrohenden Gefährlichkeit. Schnell hatten wir den Dreh heraus, die Kugeln von den Patronenhülsen zu entfernen, das Schießpulver schlangenförmig zu streuen und dann anzuzünden. Gab jedes Mal ein herrliches Feuerwerk. Einmal wurde unser Nachbar – schon weit über siebzig Jahre alt - uns spielenden Kinder fast zum Verhängnis, als wir ihm einen runden Gegenstand mit einer Kette zeigten, den wir auf der Spielwiese hinter einem Gartenstrauch fanden. Er begutachtete das Ding von allen Seiten, zog mal kurz an der Kette und beschloss dann, sich daraus einen Pfeifendeckel zu fertigen. Alle standen wir im Kreis um ihn herum, nicht ahnend, ob der tödlichen Gefahr, die unser Nachbar da in Händen hielt. Eine halbe Stunde später wurde jedermann allerdings klar, dass wir einen besonderen Schutzengel gehabt haben mussten. Beim ersten Hammerschlag auf den vermeintlichen 'Pfeifendeckel' explodierte die Eierhandgranate, zerfetzte den Unterarm des Nachbarn, und richtete in der Wohnung arge Schäden an.

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