Das Gedicht mit dem lapidaren Titel »Maria« ist das Pendant zu den wohl populärsten Weihnachts-Marien-Liedern, die von »stiller Nacht« und dem »holden Knaben im lockigen Haar« künden.
So viel Rührseligkeit! Dabei ist es in jener Nacht sicher kalt gewesen, bitterkalt. Wie soll da ein Neugeborenes überleben? Wie müssen wir uns eine Geburt unter dem rohen Geschwätz von Hirten vorstellen? Die Scham Marias, nicht allein sein zu können beim Gebären, das Fehlen jeglicher Intimität. Brecht entmystifi-
ziert die Weihnachtsidylle und deckt gleichzeitig das Bedürfnis nach Verklärung, nach rückwärtsgewandter Beschönigung auf.
Brecht offenbart sich als Mensch, der ins Herz der Glaubens-
botschaft vordringt. Dass Marias Erinnerung zu einem versöhnenden Akt der Aneignung des Durchstandenen, der Umdeutung des Schweren in das letztlich doch Schöne und Erwärmende kommt, hat mit den Kind zu tun: »Alles dies kam vom Gesicht ihres Sohnes …«
Alles scheint geerdet und zugleich geheimnisvoll: weder klagend noch anklagend, weder banalisiert noch überhöht. Weihnachten ist das Wiederanfangen mit dem Menschensohn, der das Singen liebte, mit den Armen feierte und die Gewohnheit hatte, »einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit«.
Dem Stern folgen? Führt er uns durch die Wüsten der Zeit?
Die Auslegung fand ich bei Friedrich Schorlemmer.