Schreibfreunde
Öffentlich / Hobby & Freizeit
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Gibt’s noch mehr Foristen hier, die – wie ich – in Ihrer Freizeit schreiben? Ich würde hier gern über Selbstverfasstes reden, Ideen entwickeln oder auch einfach nur mal “lesen”. Schreibst du gerne Geschichten? Lass uns daran teilhaben.
OLDIES UND DIE LIEBE
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OLDIES UND DIE LIEBE
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Alte Menschen sind großartig. Vor allem, wenn sie das Alter klug gemacht hat und nicht mürrisch. Ich selber bin über siebzig – auch wenn ich das nicht wahrhaben will. 70 ist nur eine Zahl, sie hat nichts mit meiner Befindlichkeit zu tun. Bei dem Gedanken kommt mir eine Begegnung aus dem vergangenen September in den Sinn: Eine Trattoria in der Salzburger Altstadt. Ein abendlicher Windhauch lässt den sonnigen Tag angenehm ausklingen. Neben mir sitzt ein alter Mann. Er sei gerade 85 geworden, sagt er. Wir stellen sich gegenseitig vor: Albert und Ferdinand.
„Liebst du dich selbst, Ferdinand?“, fragt er mich ganz unverhohlen. Als er meine Antwort nicht gleich bekommt, hakt der alte Herr nach: „Liebst du dich wirklich, Ferdinand?“
„Ich glaube schon“, sage ich und ernte für diese Beiläufigkeit prompt die verdiente rhetorische Tracht Prügel: „Glauben heißt nicht wissen.“
Diese Redewendung will ich keineswegs infrage gestellt wissen. Interessanter scheint mir, dass sich ein Fünfundachtzigjähriger auf so ein gefährliches Minenfeld wie das der Liebe, des Glaubens und der Weisheit begibt. Und überhaupt: Gehört ein 85-jähriger Mann abends nicht ins Bett statt an die Bar?
Hinter dem greisen Herrn sitzt, halb verdeckt von seinem weißen, weisen Kopf eine junge Frau mit blauen Augen, blondem Haar und MacBook. Mein Gesprächspartner hat sie längst entdeckt. Er beginnt mit den Augen zu kokettieren. Auf meine kritische Miene reagiert er prompt: Wer in Avignon geboren wird, in Tel Aviv aufwächst und dann über Wien nach Salzburg kommt, hat das Vieraugenprinzip verstanden.”
Ich muss mich für ein paar Minuten entschuldigen. Nach der Rückkehr aus meiner Zigarettenpause strahlen mich die Augen des alten Mannes geradezu an. „Ich möchte dir Natalie vorstellen“, sagt er. „Sie kommt aus Grenoble. Ist sie nicht herrlich?“
Aha. Natalie heißt sie also, die junge Frau mit den blauen Augen und dem MacBook.
Natalie lächelt, als sie mir vorgestellt wird. Auch mir hat die Begegnung mit zwei so unterschiedlich schönen Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.
Stunden später verabschiedet sich mein neuer Freund von Natalie und mir. „Ich muss morgen früh raus – die Uni gehe wieder los sagt er.
„Die Uni?“, frage ich ungläubig.
„Ja”, sagt der alte Mann, er sei seit fünf Jahren an der Universität eingeschrieben. Morgen treffe er sich mit einer Kommilitonin zum Gedankenaustausch.
„Wie machst Du das?“, frage ich meinen neuen, alten Freund.
“Es ist ganz einfach: First you have to love yourself, sagt der alte Schwerenöter, then they will love you.”Erst viel später, auf dem Heimweg, wird mir klar: Ich bin einem liebenswerten Menschenfänger begegnet. Einem, der das Alter als Luxus versteht und nicht als Last.
Ich möchte, bitteschön, auch fünfundachtzig werden. Und zwar genau so.
© Suffade
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Ganz wunderbar . Immer schön zu lesen . Ruhig mehr davon
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Vielen Dank! Es gibt noch viel zu erzählen. Dir noch ein schönes Wochenende.😊
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@Suffade , was für eine berührende Geschichte und was für ein kluger, alter Mann vom dem du schreibst. –
Meine Erfahrungen sind da so, dass gerade Männer unserer Generation mit der “Selbstliebe”, so nenne ich es mal, ein Problem haben. Frauen meiner Generation sowieso…
Es ist schon einige Jahre her, da fragte mich eine Patientin, was ich davon halte, wenn sie in ihren Räumen, Kurse für Frauen anbieten würde. Mir gefiel die Idee und ich frage, was denn das Thema sein soll. “Mut tut gut“, war ihre Antwort. Gutes Thema , war meine Meinung…
So besuchte ich einmal pro Woche ihren Kurs. Meine anfänglichen Bedenken, was passiert, wenn ich da noch mehr Patienten von mir außer der Kursleiterin treffen sollte, verdrängte ich.
Zum Abschluss des 10-wöchigen Kurses sollten wir auf Knien vor einem großen Blatt Papier, das auf dem Boden lag, unseren Körperumriss zeichnen, ohne den Stift abzusetzen. Allgemeines Gemurmel, wie soll das gehen. Die Antwort der Kursleiterin: “Probiert es, dann werdet ihr schon sehen, was passiert…”
Nachdem alle fertig waren, wurde mit jeder einzelnen Teilnehmerin ihr “Bild” besprochen. – Als sie mein “Werk” sah, sagte sie zu mir: “Genau so nehme ich dich wahr. Dein Kopf hat keine Verbindung zum Körper, du lässt Gefühle nicht zu.” Auf meiner Zeichnung hatte tatsächlich der Kopf keine Verbindung zu meinem Körper.
Kurze Zeit danach begann ich mit dem dreijährigen Zusatzstudium über Trauma und alles, was dazu gehört. Mein Antrieb war, meine Patienten noch besser verstehen und auch beraten zu können, vor allem in Bereichen, die nicht zu meinem Fachgebiet gehören.
Bereits in der ersten Woche merkte ich, was für ein Irrtum meinerseits. Zunächst geht es darum, mich selbst zu verstehen, mich mit dem auseinander zu setzten, was mir bisher im Leben passiert ist, was unbearbeitet blieb, was ich verdrängt hatte…
Damit begann mein Weg zur Selbstliebe…
happyday
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Dankeschön, ich bleib dran!🤗🙋♂️
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