Komische Hochstaplergeschichte

  • Komische Hochstaplergeschichte

     rhebs antwortete vor 7 Monate, 3 Wochen 1 Teilnehmer · 1 Senden
  • rhebs

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    9. September 2023 um 23:24

    Ich mag Hochstaplergeschichten:

    „Wie mal ein Lied durch Salzinge ging“

    Zu Zeiten, als noch keine Straßenkehrmaschine durch Salzinge fuhr, hatte man in der Stadt einige trinkfeste Männer mit ziemlich kräftigen Oberarmmuskeln – welche vom manuellen Kehren der Straßen mit riesigen Reisigbesen kamen. Die Kehrer waren fast immer zu zweit, und zwar mit einem Blechkarren unterwegs. Einer kehrte den linken, der andere den rechten Bordstein; die Fußwege wurden nicht gekehrt, dafür waren die Anlieger zuständig.

    Der berühmteste Straßenkehrer, den Salzinge je hatte, war der Caprikarl – der aber weder Fischer noch in Süditalien je die Sonne untergehen sah oder gar in eine Marie verliebt war, eigentlich nur Salz- und Bismarck-Heringe kannte, die es jedoch in der Werra bei Salzinge nicht gab. Karl war nämlich ausgebildeter Operntenor und saß bei einem der ersten schweren Bombenangriffe 1942 in Berlin ein wenig zu lange im Keller, weil das Haus darüber zusammenstürzte. Ein großer Teil erstickte im Luftschutzkeller, ein kleinerer Teil, darunter der Karl, war darum seelisch krank und konnte seinen Beruf nicht mehr ausüben, lange nicht mehr das singen, was er sollte. Nach einer gelungenen Kur in Salzinge hatten sich jedoch seine beschädigten Lungen etwas erholt, und er hatte nun wieder mehr Luft und Lust zum Singen. Nur sein Gehirn funktionierte nicht mehr so ganz, weshalb Karl in Salzinge “Städtischer Arbeiter” wurde. Ab 1944 wurde ihm befohlen, “Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt” nicht mehr öffentlich, vor allem beim Straßenkehren zu singen, denn das Lied war auch schon für den Rundfunk bzw. für Volksempfänger gesperrt, da die Amerikaner bereits auf Capri gelandet waren. Erst nach dem Krieg – bis Ende der 50er Jahre – sang Caprikarl das Lied wieder, bei seinem täglichen Feierabendbier auf der Bauerfeldkreuzung, wo im Hochsommer die Sonne rechts hinter der Krayenburg unterging. Fast jeder Stadtbürger, ob Genosse oder keiner, kannte dieses Lied, weil Caprikarl es immer wieder, und zwar aus vollster Kehle sang, mit tiefer Inbrunst, je später, umso tiefster!

    Rund vierzig Jahre danach, zur Karnevalszeit, tauchte in Salzinge das Lied “Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt” bei zwei Geschehnissen wieder auf – obwohl sich Karl schon lange durch den ehemaligen Krematoriumsschornstein in den Opernsängerhimmel verabschiedet hatte! Die Sänger des Kalkofener Karnevalsvereines kolportierten – wie das zu bewerten wäre, überlasse ich dem Leser – “Wenn am Emmentaler Käsewerk die rote Sonne am Schornstein sinkt ….”, zu einer Zeit, in der ein Professor der Pathologie, Hasso Eßbach aus Magdeburg, seiner neuen Bekanntschaft und Liebe in Salzinge, übrigens einer Zahnärztin, den kleinen Kassettenrekorder aus dem Westen auf den nach Westen gerichteten Balkon stellte. Im noch kalten März, wenn in Salzinge die Sonne nicht rechts sondern links neben der Krayenburg untergeht. Da aber die Schornsteine von Dorndorf und Merkers – wie eigentlich jeden Tag rund um die Uhr – sehr viel Staub in den Werratalhimmel bliesen, sah fast jeder Sonnenuntergang in diesen Jahren so schön rot aus. Sogar ziemlich schön rot, fast so rot wie bei Capri. Dazu dudelte meistens das Caprisonnen-Lied von Rudi Schurike, und die Zahnärztin erzählte dann gerne ein- oder mehrmals dem Professor Eßbach aus Magdeburg jenes Ereignis vom Februar, als ein Mann mit weißem Kittel und Stethoskop um den Hals sich ein Taxi nach Erfurt zum Krankenhaus bestellte. Der Mann mit Arzttasche – ganz offensichtlich ein Chirurg – ließ sich dann, äußerst dringend und schnell, nach Erfurt zum Hotel Erfurter Hof kutschieren. Dort gebot er dem Taxifahrer, eine Stunde zu warten. Nach über zwei Stunden wankte der Chirurg – gestützt von zwei Kellnern – wieder zum Taxi. Das zurück nach Salzinge fuhr, wo er dem Chauffeur ein Rezept gab, das ein Dr. Keller unterschrieben hatte, damit der es zum Krankenhaus Salzinge schicke. Als vom Hotel Erfurter Hof und vom VEB Kraftverkehr die beiden Rechnungen nach einigen Tagen in der Verwaltung ankamen, war man verdutzt. Weil der Doktor Keller an den angegebenen Terminen im Operationssaal des Krankenhauses operiert, nicht aber mit dem Taxi durch die Gegend über die Glasbach gekutscht und sieben Pilsener Urquell und zwölf Weinbrand Spezi im Erfurter Hof getrunken, geschweige denn zwei Cordon Bleu verspeist hatte! Nach der Befragung einiger anonymer sowie inoffizieller Mitarbeiter fand man jedoch bestätigt, dass der neu eingestellte Hausmeister und Heizer – jener, der den Hof viel zu schlecht kehrte und und auch ganz, ganz mies und unzuverlässig heizte – der Taxigast war! Außerdem habe ihn eine Mitarbeiterin des Krankenhauses gesehen, als der mit einer Halbliterflasche Wodka in das Taxi stieg. Wobei hier zu erwähnen ist, dass der Heizer frisch aus Untermaßfeld kam, von wo er von der Abteilung Inneres zu diesem Heizerjob nach Salzinge berufen wurde. “Solche windigen Hochstapler gibt es in Salzinge!”, erzählte die Zahnärztin dem Professor Hasso Eßbach aus Magdeburg – der dazu freundlich grinste und sein feingeschliffenes Sektglas zum Prosten erhob.

    Wochenlang – sogar noch heute, als sie mir wieder einfiel! – wurde und wird diese Geschichte aus dem wahrhaftigen Leben in den vielfältigsten Varianten durch Salzinge kolportiert. Aber der angebliche “Professor Hasso Eßbach” erzählte sie nur seinem besten Freund und langjährigen Kollegen, bei einem Schichtwechsel in der Heizungsanlage des Universitätsklinikums. Welcher zwar nicht Professor wie der echte Professor Hasso Eßbach aus Magdeburg war, jedoch auf dem Gelände der Universität immer einen weißen Kittel trug, darum sogar die Telefonvermittlung der Klinik zu “Professor Hasso” in die Heizungsanlage durchstellte – der wegen dem Hofkehren äußerst muskulöse Oberarme und eine noch kräftigere Fantasie hatte! Und die Salzinger Zahnärztin erfuhr übrigens an eigenem Leibe, dass ihr Hasso aus Magdeburg ein ebenso fantasievoller Heizer war wie der Doppelgänger des Dr. Keller, der aus dem Heizungskeller ..

    Nachtrag: Diese Geschichte ereignete sich Mitte der 80er Jahre in Thüringen und wurde mein „Aufmacher“ für ein Buch. Vor ca. 12 Jahren streift mich hier in Berlin die Story um „Wenn bei Capri die Sonne im Meer versinkt“ ganz komisch wieder. Eine gute Bekannte erzählt mir, ihr Sohn hätte in Berlin ein halbes Haus von Rudi Schuricke gekauft. Ich recherchierte ein wenig herum und meinte, das kann nicht sein! Denn, er arbeitete und lebte in der Zeit, als das Haus gebaut wurde, als Hotelier und Waschsalonbetreiber in München!

    Dann stellte ich durch die Katastereinträge fest, das Haus gehörte wirklich Rudi Schuricke!.

    Auch hing im Heizungskeller ein Bild von Rudi. Zwei Nachbarinnen lösten das Rätsel auf. Der Rudi hätte in Berlin eine Geliebte gehabt, die hätte sich als Schwester von Rudi ausgegeben! https://youtu.be/09KWMUOyP6E?feature=shared Das wäre nun praktisch eine „Tiefstaplergeschichte“?

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