Schreibfreunde
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GANZ PARIS TRÄUMT …
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GANZ PARIS TRÄUMT …
Ich krame in meinem Lebensdepot: Sommer 1957.
Es herrschte allgemeine Aufbruchsstimmung in unserer Stadt. Die Stadtväter organisierten erstmals nach dem Krieg ein Stadtfest. Es sollte ein unvergessliches Fest werden, und alle machten mit. Damit war die erste Regional-Messe mit internationaler Warenschau geboren. Neben der Messehalle wurde ein riesiges Festzelt inklusive Schaubühne aufgebaut. Tagsüber bespielten Musikkapellen die Gäste. Abends sorgte eine Show-Band für beste Unterhaltung. Der absolute Höhepunkt war die Schluss-Veranstaltung. Ungläubiges Staunen allerseits: Ein Weltstar war angesagt: CATERINA VALENTE! Ich war elektrisiert!Seit ich sie das erste Mal im Radio gehört hatte, war es um mich geschehen. Es war Liebe auf den ersten Ton, sozusagen. Zugegeben, ich war zu jung, um die Tragweite dieses Gefühls zu überblicken, schließlich war ich gerade Mal knapp zwölf Jahre alt. Die Wärme, die ich bisher erfuhr, das wusste ich wohl, war nur ein Feuerfaden von jenem höheren Ding, das wie Pulver in der Sonne zündet. So stellte ich mir das damals vor.
Eines war mir klar, ich musste alle Verbote umgehen, um sie erleben zu dürfen, denn eigentlich sollte ich um diese Zeit im Bett sein. Mein Glück war, dass die Eltern im Festzelt mitarbeiteten. Vater war der Mundschenk beim Weinhändler und Mama wusch die Gläser. Ich war allein zu Hause, also nichts wie hin.
Ich kannte ja die Schleichwege, denn tagsüber half auch ich dem Weinhändler – ich war Wasserträger. Mein Job war es, die Wassereimer vom nahen Hydranten durch eine Öffnung in der Zeltplane hinter die Bühne zu transportieren. Von diesem Schlupfloch wussten die Kontrolleure am Eingang nichts. Angelehnt an leeren Bierfässern, spähte ich ungeduldig durch ein Wirrwarr von Blumengirlanden im Rücken der Show-Band zur Bühne. Der Schlagzeuger ließ einen Trommelwirbel vom Stapel und der Conférencier trat vor das Mikrofon und stellte das Programm vor. Ein Mix aus Modenschau, Musik und schlüpfrigen Witzen füllte die erste Stunde. Dann der ersehnte Moment:
„Meine Damen und Herren, zum Höhepunkt des Abends wollen wir Sie in das Traumland der Liebe entführen. Ein Weltstar, begleitet von ihrem Bruder Silvio Francesco, gibt sich die Ehre: Caterina Valente!“
Unter tosendem Beifall erschien Caterina mit Silvio auf der Bühne. Sie im roten Kleid mit weißen Tupfen, Silvio im Glitzer-Jackett. Es ging los mit den Ohrwürmern: Ganz Paris träumt von der Liebe und Komm ein bisschen mit nach Italien bis zu Wo meine Sonne scheint. Zum Schluss sang sie urkomisch den Calypso-Song Tipitipitipso.Um mehr zu sehen, war ich auf die gestapelten Weinkisten geklettert und prompt mit Getöse samt den Holzkisten zu Boden gekracht. Plötzlich stand meine Caterina vor mir und fragte in jovialem Ton: „Na, mein junger Verehrer, wie gehts dir?“ Ich wurde feuerrot und starrte ängstlich auf. Sie strich mir übers struppige Haar und lächelte. Statt entzückt zu sein, vor so viel Wärme, die sie mir armseligen Bürschlein entgegenbrachte, wand ich mich hin und her vor Verlegenheit. „Danke, gut“, konnte ich gerade noch stammeln. Rasch, mit heftig schlagendem Herz verließ ich die Stätte meiner Blamage. Zu Hause schlich ich selig in mein Bett und machte mich ans Träumen.
© by Suffade (Ferdinand)
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