Freundschaft ist eine Seele in zwei Körpern,
Gleichheit die Seele der Freundschaft.
(Aristoteles)
Mein Freund war zwei Jahre jünger als ich.
In jungen Jahren, als wir uns kennen lernten, standen unsere Schreibtische nahe beieinander.
Schon bald entdeckten wir gleiche Ideale bei unseren Vorstellungen und Handlungsweisen.
Schließlich – wir waren in den Dreißigern – fassten wir Mut, gemeinsam ein Geschäft zu gründen.
Der Staat hatte andere Ansichten.
Er blieb Junggeselle, während ich bei unserem Kennenlernen bereits Familienvater war.
Beruflich ging jeder seinen eigenen Tätigkeiten nach, was der Freundschaft nicht schadete.
Als ich nach dem politischen Umschwung den Schritt in die Selbständigkeit wagte, sahen wir
uns zwar seltener, doch, wenn wir uns trafen, unterhielten wir uns in alter Vertrautheit.
In letzter Zeit klagte er immer häufiger über Schmerzen in den Beinen. Ich versprach, ihn
gelegentlich zu besuchen. “Nur im Moment – du verstehst – habe ich so wahnsinnig viel zu tun!”
Unsere Freundschaft währte ein Leben lang. S e i n Leben lang, dann erfuhr ich von seinem Tod.
Nun quält mich ein Schuldgefühl. Trotz des täglichen Stresses hätte ich Zeit für meinen Freund
aufbringen müssen. Im Stillen bitte ich ihn um Verzeihung, dass ich mein Versprechen nicht
einlöste und bekenne demütig, einen Freundschaftsdienst versäumt zu haben, den ich nicht
Nachholen kann.
Mögen wir stets das rechte Maß zwischen Pflicht und Menschlichkeit finden!
Staps