Schreibfreunde
Öffentlich / Hobby & Freizeit
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Gibt’s noch mehr Foristen hier, die – wie ich – in Ihrer Freizeit schreiben? Ich würde hier gern über Selbstverfasstes reden, Ideen entwickeln oder auch einfach nur mal “lesen”. Schreibst du gerne Geschichten? Lass uns daran teilhaben.
Die Lesung
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Die Lesung des Daniel Kehlmann
Es ist noch Zeit bis zur Lesung. Ich stehe bei den Rauchern vor dem Glas-Marmor-Palast. Im Foyer des Auditoriums stehen Gruppen diskutierender Leute. Dauerlächelnde Hostessen scannen Einladungskarten. Mir wird klar: Das ist keine heimelige Bibliothekslesung mit Sesselkreis, hier wird es kein intimes Zusammenrücken zwischen Literaturfreunden geben. Meine Hoffnung, Bekannte zu treffen, ist vergeblich. Ich schlängle mich durch weiß drapierte Partytische.
„Ein Glas Sekt für den Herrn?“, lispelt eine junge Auszubildende. Sie wirkt schüchtern und unsicher. Das macht sie zu einer Seelenverwandten, denn mir geht es auch nicht viel besser.
„Haben Sie auch was Alkoholfreies?“, frage ich freundlich.
„Ich hole Ihnen ein Wasser“, sagt Janette. Ihr Name steht auf dem Anstecker.Ich schlendere in Richtung Auditorium. Gigantisch – mein erster Eindruck. Die ersten Reihen sind reserviert. Auch für mich? Immerhin bin ich eingeladen, denke ich, verzichte aber auf das Privileg und steuere den Bereich weiter hinten an. Reihe zwölf ist fußfrei. Die Sicht auf die Bühne ist gut, außerdem gibt es eine Videowall. Der kleine Lesetisch, gerademal groß genug für das Buch des Autors und dem obligaten Wasserglas, bildet mit dem spartanischen Sessel eine einsame Symbiose. Der Einladungsfolder dient meinen Händen als Beschäftigung für die rauchfreie Zeit. Es herrscht Rauchverbot. Die Argumente mehren sich, endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Meine Alkoholsucht habe ich erfolgreich bekämpft, mit dem Rauchen bin ich noch nicht so weit. Vermutlich, weil das Rauchen keine sozialen Probleme bereitet. Oder doch? Mittlerweile werden auch Raucher ausgegrenzt, vor die Tür verbannt, abgesondert.
Das Porträt Daniel Kehlmanns blickt in die Sesselreihen. Ich habe den Eindruck, dass er mir direkt in die Augen schaut. Neben dem Bild stehen die Slogans: Bestsellerautor – Millionen verkaufte Bücher – trotz Superlative nicht abgehoben – Mensch wie du und ich – Geerdet.
Ich fantasiere. Was wäre, wenn ich von da oben herunterlächeln würde, mein Buch vorgestellt würde, ich vom Moderator begrüßt und vom Publikum mit Applaus empfangen würde. Wenn ich bedrängt würde, zu erzählen, wie ich das alles geschafft habe. Wie mein Wort mehr Gewicht bekäme, ich mir gescheite Sätze einfallen lassen müsste, um meinen Erfolg zu rechtfertigen. Ich glaube, Erfolg kann betrunken machen. Oder poetisch gesagt: Trunken vor Glück. Das wäre der Rausch, den ich mir zugestehen würde. Ja, ich würde was tun. Meine Sorge gilt den Leuten vom Rand. Sie brauchen eine Stimme die gehört wird. Das wäre meine Aufgabe.
Spot an! Daniel Kehlmann betritt die Bühne. Dezenter Applaus lässt die Luft vibrieren, das bringt mich zurück in die Wirklichkeit. Der Schriftsteller begrüßt, fast ein wenig verlegen, das Publikum und stellt seine Geschichte vor. Mit feinem Humor erklärt den Leuten, wie es dazu kam. Ich bewundere diese Kunst des Autors. Wie leidenschaftlich er sein Werk interpretiert, wie er den Wörterteppich aufzurollen versteht und sein Publikum in eine Welt mitnimmt, die das Erzählte greifbar macht.
Ich stelle mich nicht in die endlose Schlange um das Buch vom Autor signieren zu lassen. Still und leise gehe ich am Büchertisch vorbei und verlasse tief beeindruckt das Auditorium. Ich will nach Hause an meinen Schreibtisch. Ich muss meinen Traum zu Ende bringen.
© story by suffade
© foto by suffade
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Auch dieses Mal hast du sehr anschaulich erzählt und mich als Leserin deiner story gewissermaßen zur Lesung eingeladen.
Gut nachempfinden kann ich es, wie du dir vorstellst, es wäre dein Auftritt als Autor. Habe ich doch selbst diesen Traum auch schon geträumt, und dann …kam das Leben dazwischen.
Dir wünsche ich viel Erfolg beim Umsetzten deines Traums.
LG – happyday
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