Fühlte es sich anfangs noch wie eine Idee an, entpuppte es sich beim Notieren als Fata Morgana. Der ersehnte Schreibfluss blieb aus. Mein Gehirn war leer gesaugt, das Konzentrieren fiel schwer, der Antrieb war weg.
„Du musst raus hier”, sagte ich zu mir selber. Ein Spaziergang hinunter zum Fluss wird mir guttun, wird frische Luft in meine Lungen saugen und Gehirnströme aktivieren, hoffte ich.
Jetzt, wo ich den Schreibtisch verlassen habe und der Bildschirm mich nicht mehr fordernd anglotzt, kehrt langsam Ruhe ein. Überzeugt, richtig gehandelt zu haben, marschiere ich frohen Mutes los. Zwischen Auwald und Fluss schlängelt sich ein schmaler Trampelpfad. Pfeifend tripple ich die Böschung hinunter. Nach etwa fünfzig Metern liegt ein Baum quer über dem Weg. Ich klettere über die noch im vollen Saft stehende, jetzt aber liegende Rotbuche. Der schmale Pfad wird glitschig und verschwindet zwischen wild wucherndem Gestrüpp. Die Blätter der Bäume rauschen über mir. Lauer Sommerwind weht über die Au.
Ich bin am Ufer angekommen. Der Fluss macht hier eine Biegung, davor ist eine Bucht mit einer kleinen Sandbank entstanden. Wo es nicht rauscht, da murmelt und gluckert es. Ein riesiger Wurzelstock erweckt mein Interesse. Er ragt wie ein Monument aus dem Sandstreifen der Bucht. Vom Wasser gebleicht, der Erde entledigt, zeigt er pures Wurzelwerk von strammen Strängen bis zu fein ziselierten Tentakeln, die zu ihren Lebzeiten Nährstoffe bis in luftige Höhen lieferten. Ein Kraftwerk der Natur, bloßgelegt und vom letzten Hochwasser angespült. Wahrscheinlich von Holzfischern mit Enterhaken an Land gezogen und zur späteren Weiterverwendung vorerst meiner Fantasie überlassen. Schaut da nicht ein Gnom mit herausgestreckter Zunge aus dem Wirrwarr?
Ich fühle mich fernab des Getriebes der Welt, wäre da nicht diese Bahnlinie am anderen Ufer des Flusses. Das schauderhafte Rattern eines langen Zuges stört das viel leisere Schwappen des Wassers. Es ist dieser eiserne Lärm. Hässlich und schön. Hässlich, weil er im Moment mein Naturempfinden stört – schön, weil er andernorts Fernweh erzeugt. Ein Widerspruch, der sich nicht auflösen lässt.
So wie das Wasser unter mir, fließen diese Zeilen durch mein Gehirn und ich empfinde Dankbarkeit dafür, dass mir dieses Alleinsein, diese Einsamkeit geschenkt wird. Erlebnisse, die ich brauche – um wieder einmal eine Geschichte zu schreiben.
©Text & Bild by suffade