Das Pilsner Bier hatte es mir angetan. Dankbar ergab ich mich der böhmischen Gemütlichkeit und empfing im selben Moment ein inneres Glücksgefühl. Immer wenn ich dem edlen Gerstensaft zu gründlich meine Ehre erwies, vergaß ich die Zeit und wurde redselig. Ich sprach mit allen Menschen, manchmal auch mit Tieren. Ich war glücklich, wenn sie mir zuhörten, auch wenn sie meine Sprache nicht verstanden.
Der Wirt des Ratskellers auf der Prager Burg komplimentierte mich zum Tor hinaus, es war Sperrstunde. Als Wegzehrung gab er mir noch einen Sechserpack Pilsener mit auf die holprige Reise. Die Suche nach meiner Unterkunft erwies sich als schwierig, ich hatte mich prompt verlaufen. Die nächtlichen Straßen von Prag waren nach Mitternacht wie leer gefegt. Am Ende der abwärts führenden Gasse sah ich kurz vor der alten Brücke eine kleine gedrungene Figur an der Hauswand stehen. In der Hoffnung, einen Gesprächspartner gefunden zu haben, schwankte ich wie ein müder Schmetterling auf sie zu.
Was ist das für ein wesen – ein versprengter Überirdischer – oder gar ein Wegelagerer? Warum steht das gelb-schwarze Ungeheuer an einer Prager Hauswand und starrt mich mit großen, schwarzen Augen an? Es schien, als würde das gelb gehörnte Wesen allein zu sein. Dicht angelehnt an der grob gemauerten Wand lauert es auf etwas. Aber auf was? Auf mich?
Die gelbe Farbe dieses sprachlosen Gnoms wirkte signalhaft, also gar nicht so, als würde er unentdeckt bleiben wollen. Ich untersuchte das Ding. Es hatte einen Namen, Hydromar, so stand es auf einem Amulett, das es statt einer Mundöffnung trug. Das ist in der Sprache der Hydranten geschrieben und bedeutet: Großer gelber Hydrant mit den abgestoßenen Hörnern. Ein Hydrantenmann also. Seine Hörner sind abgestoßen, aber klar erkennbar. Eines ist kürzer als das andere, wahrscheinlich das Relikt eines Kampfes um die Gunst einer Hydranten-Frau.
Irgendwie gefiel mir Hydromar, ich hatte Zutrauen gefasst und setzte mich zu ihm, lehnte meinem Rücken an seinen kühlen Körper und schlief ein. Ich träumte an Hydromars Seite einen meiner schönsten Träume: Im Hintergrund öffnete sich eine schwere Eisentür, dahinter wohnte ein Weibchen, eine Hydrantin. Es war Hydromars Geliebte, er nannte sie Hydromarova. Sie war eine zierliche Schönheit mit eindeutig Shades of Grey Anzüglichkeiten. In Erwartung ihres Hydromar, hatte sie in vorauseilendem Gehorsam bereits ihre Führungsleine um den Hals gelegt. Sie schleicht um die Steinwandmauerecke des städtischen Wasserwerkes und begibt sich unter die unwiderstehliche Aura ihres Hydromar. Der wiederum steht gehörig unter Druck, wie es einem gestandenen Hydranten geziemt. Das Tete a’ Tete im Reiche der Hydranten ist eine wahre Wasserorgie. Prickelnde Wasserspiele sozusagen. Klares Wasser wird zum Liebesdom. Alle Schleusen öffnen sich, Fontänen übersprühen den Reigen der Liebenden.
Losgelöst vom kristallinen Wassernebel ist ein Kind zu erkennen. Ein Mini-Hydrant. Zwar noch krabbelnd und blau vom kalten Wasser, hat es durchaus schon den Blick von Papa Hydromar. Es ist vollbracht: Wasser ist Leben. Geben und empfangen …
Mein Traum ist zu Ende.
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