Idar-Oberstein: Wie es zum Bau der Felsenkirche kam

  • Idar-Oberstein: Wie es zum Bau der Felsenkirche kam

     Novis antwortete vor 4 Jahren, 2 Monate 1 Teilnehmer · 1 Senden
  • Novis

    Organisator
    4. Februar 2020 um 18:03

    http://up.picr.de/37803476xg.jpg

    Wenn man in Oberstein zur Felsenkirche hinauf schaut, wandert der Blick wie von selbst weiter nach oben. Dort, hoch über der Kirche erkennt man die Ruinen einer alten Burg. Bosselstein heißt sie. Das alte Schloß oder die alte Burg wird sie auch genannt. Hier wohnten einst zwei Brüder, Wyrich und Emich mit Namen.

    Wyrich, der ältere von beiden, war ein grobschlächtiger Kerl. Jähzornig und aufbrausend. Das Gesinde verkroch und versteckte sich, wenn Wyrich in der Nähe war, um nicht beschimpft oder geprügelt zu werden.

    Ganz anders war Emich. Er war verträumt, hatte Freude an schönen Sachen und war nachsichtig mit dem Gesinde.

    Schaute man aus dem Burgfenster, dann fiel der Blick auf die Winterhauch, jener große und dichte Wald auf der gegenüberliegenden Hangseite des Nahetals. Dort dauern die Winter besonders lang und kalter Wind fegt oft durch die kahlen Bäume. Wenn sich im Tal die ersten Frühlingsblumen hervorwagen, tragen die Bäume dort oben nach kalten Nächten oft genug noch ein weißes Rauhreifkleid. Die Winterhauch trägt ihren Namen zurecht.

    Hinter dem Wald aber, dort wo es wieder hinunter ins Tal geht, stand eine große Burg, die Lichtenburg. Burg Lichtenberg wird sie auch genannt. Die Burg ist heute noch vorhanden und ein Ausflug dorthin lohnt sich allemal. Dort wohnte die schöne Berta von Lichtenburg.

    Wie das Schicksal es will, hatten sich sowohl Wyrich, als auch Emich in das schöne Burgfräulein verliebt. Berta aber erwiderte nur die Liebe von Emich, dem Jüngeren der beiden.

    Das war eine tragische Situation, deren Tragweite man nur aus den Sitten und Gebräuchen der damaligen Zeit verstehen kann. Die größeren Rechte besaß nämlich der grimme Wyrich. Er war auch Familienoberhaupt, dessen Willen sich alle anderen Geschwister zu beugen hatten. Deshalb mußte Emich, wenn er die schöne Berta heiraten wollte, seinen Bruder um Erlaubnis bitten. Wie die Antwort auf diese Bitte ausfallen würde, läßt sich denken. Daß Berta ihrerseits den Emich zugetan war, war für Wyrich zwar ärgerlich, spielte aber keine große Rolle.

    An einem schönen Frühlingsvormittag stand Emich einmal wieder am Burgfenster und schaute sehnsüchtig zur Winterhauch hinüber, hinter deren Gipfeln die schöne Berta in der Lichtenburg auf ihn wartete.

    Da betrat Wyrich den Raum. Er war wegen einer anderen Sache ohnehin schon zornig und sein Temperament schwappte ein weiteres Mal über, als er seinen Bruder mit verträumtem Blick nichtstuend am Fenster stehen sah. Er herrschte ihn an und forderte ihn zur Arbeit auf.

    Emich aber, der seinem Bruder körperlich unterlegen war, wehrte sich mit Worten und er verstand es, seinen Bruder an der empfindlichsten Stelle zu treffen.

    Er bat ihn um Erlaubnis, zur Lichtenburg und dort zu seiner auserwählten Berta reiten zu dürfen. Und er fügte noch hinzu: „Du weißt, daß ich Berta heiraten möchte.“

    „Niemals gebe ich dazu meine Einwilligung,“ brüllte Wyrich seinen Bruder an und packte ihn am Wams. „Berta wird meine Frau!“

    Da lachte Emich auf. „Du willst Berta heiraten?“ spottete er. „Dir gibt sie niemals ihr Ja-Wort. Sie fürchtet sich ja vor dir.“

    Vielleicht ahnte Wyrich, daß sein Bruder recht hatte und geriet deshalb in noch unbeherrschteren Zorn. In seiner Wut packte er ihn und warf ihn aus dem Fenster. An einem Felsvorsprung, sechzig Meter unterhalb der Burg, blieb Emichs Körper zerschmettert liegen.

    Als Wyrich erkannte, was er angerichtet hatte, verließ er heimlich die Burg und irrte lange Zeit in den Wäldern der Umgebung umher. Ihn plagte das schlechte Gewissen und die Angst vor der Strafe, die er für seine Freveltat zu erwarten hatte.

    Schließlich aber entschloss er sich, sein Gewissen zu erleichtern und bei einem Geistlichen zu beichten. Er ritt nach Disibodenberg, jener Abtei am Zusammenfluß von Nahe und Glan in der Nähe von Kreuznach, die durch das Wirken der Hildegard von Bingen bekannt war.

    Er beichtete dem Abt seine Tat und schilderte ihm die Reue, die er empfand.

    „Baue an der Stelle, an der dein Bruder zerschmettert lag, eine Kirche und du wirst von deiner Qual erlöst werden.“

    Wyrich kehrte nach Oberstein zurück und begann sofort mit dem Bau der Kirche. Die Sage berichtet, daß Wyrich alles mit eigener Hand gebaut hat.

    Als das Werk endlich fertig war, entsprang aus dem Fels eine Quelle. Dies sah man als Zeichen an, daß Gott ihm seine Freveltat vergeben hatte.

    Die Quelle kann man heute noch in der Kirche besichtigen. Besucher werfen Münzen in das Wasser in der Hoffnung, dass dies ihnen Glück bringt.

    Die Kirche wurde vom Abt von Disibodenberg eingeweiht. Es war der gleiche Abt, dem Wyrich einst seine Missetat gebeichtet hatte und der ihm zum Bau der Kirche geraten hatte.

    Während des Schlussgebetes sank Wyrich in der Kirche tot zu Boden. Er hatte seinen Frieden gefunden.

Beitrag 1 von 1

Sie müssen angemeldet sein, um zu antworten.

Hauptbeitrag
0 von 0 Beiträge June 2018
Jetzt

Verstoß melden

Schließen