Anrede
Ich möchte über die Gleichberechtigung bei der Anrede schreiben. Von den Leserinnen und Lesern... Mehr anzeigen
Anrede im Krankenhaus
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Anrede im Krankenhaus
Im Krankenhaus
Da liege ich in einem feinen sauberen Krankenhausbett so vor mich hin und harre der Dinge, die da kommen. Die Tür öffnet sich leise, eine junge Dame im Krankenhausdress kommt an mein Bett, reicht mir die Hand und sagt:
„Ich bin Schwester Maria und arbeite auf dieser Station.“
Wir unterhalten uns noch ein wenig, als die nächste junge Dame hereinkommt und mir mitteilt, dass sie Schwester Heike ist.
Am gleichen und auch an den beiden nächsten Tagen kommen junge Damen im weißen Krankenhausdress und stellen sich als Schwester mit ihrem Vornamen vor. Wer soll alle die Namen behalten? Zum Glück tragen alle ein Namensschild mit dem Vornamen. Somit kann ich mir die Namen nach und nach merken. Ich kenne noch nicht alle Schwestern der Station, aber alle Schwestern sprechen mich mit meinem Hausnamen und dem Wörtchen “Herr“ davor an. Ich bin also nicht der Oberarm von Zimmer 51 oder der Tumor von Zimmer 55.
Der Herr Doktor Schmidt war schon da und hat mich untersucht. Kurz darauf kommt Schwester Manuela herein und teilt mir mit, dass Frau Doktor gleich zur Untersuchung kommt und ich das Zimmer bitte nicht verlassen solle. Ich bin erstaunt, die Frau des Herrn Doktor Schmidt, die Frau Doktor kommt mich auch untersuchen?
Kurz darauf kommt eine Dame mittleren Alters in einer ähnlichen Kleidung, wie sie der Herr Doktor Schmidt trägt, herein, stellt sich mir vor und erklärt mir die nun folgende Untersuchung.
Es ist Frau Doktor Kranz und nicht Frau Doktor Schmidt. Somit kann Frau Doktor auch nicht die Gattin des Herrn Doktor von eben sein. Nach der Untersuchung bitte ich Frau Doktor um Aufklärung über ihre Bezeichnung. Ich frage sie:
„Warum werden Männer die Medizin studiert haben mit Herr Doktor und Frauen die Medizin studiert haben mit Frau Doktor angesprochen? Müsste es da nicht Herr Doktor und Dame Doktor oder Mann Doktor und Frau Doktor heißen?“
Ein Lächeln, ein nachdenkliches Lächeln war die Antwort. Dann ging die Zimmertür auf und Herr Doktor kam kurz herein und dann gingen Dame Doktor und Herr Doktor, oh Entschuldigung, Frau Doktor und Mann Doktor, gemeinsam aus dem Zimmer.
Nach meiner Operation wachte ich aus der Narkose auf und ein Mann in weißer Kleidung kam zu mir, fragte nach meinem Befinden und stellte sich vor.
„Ich bin der Krankenpfleger auf der Station und heiße Malze.“
Malze ist ein seltsamer Vorname dachte ich noch als ich zu meiner rechten einen Leidensgenossen rufen hörte:
„Herr Malze, könnte ich ein Schmerzmittel haben?“
Ist der Masochist, oder benötigt er ein Mittel gegen seine Schmerzen, ein Antischmerzmittel? Sicherlich, er wollte eine Medizin, die seine Schmerzen mindert, aber doch bestimmt kein Schmerzmittel.
Ja so ist das in einem Krankenhaus, es ist ein rechtes Durcheinander.
Die Krankenpflegerin ist Krankenschwester und wird mit Schwester und ihrem Vornamen angesprochen. Der Krankenpfleger ist nicht Krankenbruder und wird auch nicht mit Bruder und Vornamen, sondern wie ebenfalls außerhalb des Krankenhauses üblich, mit “Herr“ und seinem Nachnamen benannt.
Herr Doktor ist Herr Doktor. Frau Doktor ist nicht die Frau des Herrn Doktor (Ausnahmen sind möglich), sondern sie ist selber Doktor.
Müsste Frau Doktor, die selbst Doktor ist nicht mindestens Dame Doktin oder Dame Doktorin oder gar Dame Doktor genannt werden, damit sie von der Gattin des Herrn Doktor, die nicht Doktor ist unterschieden werden kann?
Und die Kranken, die verlangen ein Schmerzmittel, obwohl sie keine oder weniger Schmerzen haben wollen.
Nachsatz: Der Text ist von 1992
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