Victor Klemperer und Dresden (5)

[Constantia]

Wir hatten die Klemperers in der Hohen Straße verlassen mit dem Traum Evas vom eigenen Häuschen. Wir schreiben das Jahr 1932 und an dessen Ende ergibt sich die Möglichkeit ein Grundstück zu erwerben. Tausend Quadratmeter im Süden Dresdens, am Eingang zum Plauenschen Grund zwischen eben diesem Plauen und Dölzschen.

Bei Biografien oder Tagebüchern vergesse ich manchmal, ich kenne die Zukunft der betroffenen Personen. Für mich ist ihre Zukunft Vergangenheit. So geht es mir bei Victor Klemperer. Er nimmt einen Hausbau aus Liebe zu seiner Frau Eva in Angriff. Er sieht Probleme, die aber weit entfernt sind, von dem was ihm in den nächsten 12 Jahren erwartet.

Ich muss mich einmal quer durch die Stadt begeben. Am S-Bahnhof Dresden-Plauen starte ich. Hier blicke ich zunächst auf die Bienertmühle. Eine der ältesten Mühlen im Plauenschen Grund. 1568 kaufte sie Kurfürst August, sie wurde später zur Hofmühle. Gottliieb Traugott Bienert pachtete sie 1852 zunächst, bevor er sie 1872 kaufte. Er wurde zu einem der erfolgreichsten Unternhemer seiner Zeit. Er schuf die erste Brotfabrik. Noch in meiner Kindheit hörte ich sagen “Ich kaufe ein Bienertbrot.” Einer seiner Söhne, Erwin, heiratete Ida Suckert. Ida Bienert wurde zu einem Begriff in der Kunstwelt, besonders der Malerei. Das gutgehende Unternehmen und ein doch recht fortschrittlicher Ehemann erlaubte ihr sich als Kunstsammlerin zu etablieren. 2006/2007 gab es dazu eine wunderbare Ausstellung im Lipsiusbau in Dresden.

Aber wegen den Bienerts bin ich ja nicht hier. Das Museum zur Hofmühle ist zur Zeit ohnehin geschlossen und soll 2022 nach coronagerechten Umbauten wieder geöffnet werden.

Ich überquere eine der Weißeritzbrücken. Jener Weißeritz, die 2002 dafür sorgte, dass es die Bilder von dem überfluteten Hauptbahnhof gab. Friedlich plätschert sie so dahin und alle hoffen, dass die vielen Veränderungen zur Sicherung auch greifen würden im dem Fall der hoffentlich aber nie eintrifft.

Am anderen Ufer steige ich durch den Bienert-Park nach oben. Ja, wenn es einen (Plauenschen) Grund gibt, gibt es auch ein oben. Ein schöner stiller Park, an manchen Stellen bekomme ich einen Blick in den Grund und in die Umgebung.

Gut dass ich mich im Vorfeld schlau gemacht habe. Ich schlendere die Grenzalle lang, genieße die Stille in diesem Wohngebiet und da ist sie, die Straße Am Kirschberg. Auch das Haus ist schnell gefunden. Inzwischen ein normales Wohnhaus versteckt hinter viel Grün. Ob da noch Bäume dabei sind, die Eva Klemperer einst gepflanzt hat? Oder vielleicht der Baum, den ihr Victor Klemperer schenkte? Soweit ich es sehen kann, dass Spitzdach statt dem ursprünglich von dem Ehepaar gedachten Flachdach macht sich in dem Grün gut. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist eine Gedenkstele aufgestellt. Hier ist die Möglichkeit noch einmal das Wichtigste nachzulesen.

Plötzlich ein Geräusch. Aus dem “Klemperer-Grundstück” kommt eine schwarze Katze. Eine Katze gehörte doch zu diesem Haushalt? Ob sie allerdings schwarz war?

Ich habe das Gefühl, ich sollte mich nicht allzulange hier aufhalten. Nachbarn scheinen mich schon zu beobachten.

Als ich zur Grenzallee zurückgehen, stelle ich fest, von hier hat man einen wunderbaren Blick auf das Elbtal. Wer hier wohnt, wohnt abseits vom Trubel der Großstadt.

Wieder am Ausgangspunkt angekommen entscheide ich mich für die Heimfahrt zu einer anderen Variante. Ich nehme den ersten Bus der kommt. Er bringt mich fast bis nach Hause, aber erst nach einer kleinen Stadtrundfahrt vom Westen über den Süden nach dem Osten Dresdens. Was es da alles zu sehen gab …

Constantia

+3 Mehr Fotos

• Dieser Beitrag wurde am vor 2 Jahren, 8 Monate von  Constantia geändert.
• Dieser Beitrag wurde am vor 2 Jahren, 8 Monate von  Constantia geändert.
• Dieser Beitrag wurde am vor 2 Jahren, 8 Monate von  Constantia geändert.
• Dieser Beitrag wurde am vor 2 Jahren, 8 Monate von  Constantia geändert.