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Stoizismus - Zeitverschwendung
ZEITVERSCHWENDER
»Selbst wenn alle Genies der Geschichte sich auf dieses eine Thema konzentrierten, könnten sie doch niemals Worte finden, die ihr Erstaunen darüber ausdrücken, wie beschränkt der menschliche Verstand ist. Kein Mensch würde auch nur einen Zentimeter seines Besitzes hergeben, und bei dem kleinsten Streit mit dem Nachbarn können höllische Kosten auflaufen; dennoch erlauben wir es anderen ganz selbstverständlich, in unser Leben einzugreifen – schlimmer noch, oft bereiten wir denen, die uns übel mitspielen, sogar noch den Weg. Niemand gibt einem anderen im Vorbeigehen eine Münze – aber wie viele von uns verschenken derart ihr Leben! Bei Besitz und Geld achten wir auf jeden Heller, doch über die Zeitverschwendung denken wir nicht nach – dabei ist sie das einzige, wo wir wirklich geizig sein sollten!«
Seneca, Über die Kürze des Lebens, 3.1–2
Heute wird es endlose Unterbrechungen geben: Telefonanrufe, E-Mails, Besucher, unerwartete Ereignisse. Booker T. Washington stellte fest, dass »die Anzahl der Menschen, die bereit sind, einem Zeit zu rauben, ohne jeden Zweck, schier endlos ist.«
Philosophen dagegen wissen, dass ihre optimale Haltung Reflektion und nach innen gerichtete Aufmerksamkeit ist. Darum achten sie so sorgsam darauf, ihre Privatsphäre und ihre Gedanken vor äußerer Einflussnahme zu schützen. Sie wissen, dass einige Minuten der Kontemplation viel mehr wert sind als jedes Meeting oder jeder Geschäftsbericht. Sie wissen auch, wie wenig Zeit wir im Leben eigentlich haben – und wie schnell unser Lager leergeräumt sein kann.
Seneca erinnert uns daran, dass wir vielleicht sehr gut darin sind, unseren materiellen Besitz zu schützen, aber uns überhaupt nicht gut genug um unsere inneren Grenzen kümmern. Besitz kann man wiedererlangen – es gibt noch ziemlich viel Land, das von Menschen unberührt ist. Aber Zeit? Die ist unwiederbringlich verloren, und wir können sie uns nicht zurückkaufen. Wir können nur versuchen, so wenig wie möglich zu verschwenden.
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