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Mein Weihnachten oder Ich steh an deiner Krippen hier
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Der Weihnachtsbaum wurde diesmal schon früh ins Wohnzimmer getragen. Ab sofort war der Raum tabu. Und wer trotzdem versuchte durchs Schlüsselloch zu gucken, scheiterte am Handtuch, das an der Türklinke hing und die Sicht versperrte.
Sie waren drei: der Große, das Mädchen und der Kleine. Wochenlang hatten sie vorher mit dem Kindermädchen gebastelt. Der Große einen Stempelhalter für den Vater. Schön aus Sperrholz ausgesägt und braun lackiert. Das Mädchen hatte Topflappen gehäkelt, die die Mutter heimlich spät abends immer ein Stück verlängert hatte. Der Kleine hatte einen Untersetzer aus Bast für die Teekanne gewebt. Sie waren stolz auf ihre Geschenke.
Doch bis zum Abend war es unendlich lange hin. Der Große begann sein Gedicht wieder und wieder aufzusagen: Ich steh an deiner Krippen hier, oh Jesu, du mein Leben. Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin…nimm hin…Verflixt, es klappte nicht! Die Kleinen sagten auch ihre Gedichte, aber ständig wurden sie gestört, …was du mir hast gegeben. Nimm hin…nimm hin… Blick ins Gesangbuch: Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn.
Das Mittagessen war vorüber. Womit sollten sie sich beschäftigen? Diese Warterei war so zermürbend. Wieder und wieder das Gedicht: Nimm hin…nimm hin…
Endlich stand der Kirchgang an!Es war eine feierliche Stimmung. Nicht alle Menschen hatten einen Sitzplatz bekommen. Der Kleine saß auf dem Schoß der Mutter. Sie sangen O du fröhliche und der Pastor las die Weihnachtsgeschichte vor. Er erzählte etwas über die Freude der Geburt, das Schenken und das Teilen zu Weihnachten, und es wurde für Brot für die Welt gesammelt.
Beim Nachhausegehen wünschten sich alle frohe Weihnachten. Es war bereits dunkel. Der Große sagte leise sein Gedicht: Nimm hin…
Zu Hause zappelten die Kinder herum. Dürfen wir endlich ins Wohnzimmer? Nein, erst wurde gegessen, Würstchen mit Kartoffelsalat, wie immer. Und dann musste noch abgewaschen werden. Dafür musste das Wasser auf dem Kohleherd zum Kochen gebracht werden, der Tisch mit den Waschschüsseln ausgezogen werden, und das Mädchen musste abtrocknen, während die Mutter das Geschirr wusch.
Nun ging der Vater allein ins Wohnzimmer. Die Kleinen saßen im Kinderzimmer und mussten sich das Gedicht des Großen anhören: Ich steh an Deiner Krippen hier…nimm hin…nimm hin…es ist mein Geist und Sinn.
Endlich war es soweit. Der Vater klingelte mit der Kuhglocke, die sie im Harz gefunden hatten, und die Kinder stellten sich der Reihe nach auf, der Kleinste zuerst, dann das Mädchen und hinten der Große. Das Wohnzimmer wurde aufgeschlossen, die Kinder mussten sich brav hinsetzen. Der Baum erstrahlte im Kerzenlicht. Die Tische waren mit Tüchern abgedeckt, und man konnte nicht ahnen, was sich darunter verbarg.
Zuerst las der Vater noch einmal die Weihnachtsgeschichte vor. Sie war viel länger als in der Kirche. Dann wurde gesungen, und die Kinder sagten ihre Gedichte. Zuerst der Kleine, dann das Mädchen und zuletzt der Große: Ich steh an Deiner Krippen hier, oh Jesu, du mein Leben. Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin…nimm hin…nimm hin…, es ist mein Geist und Sinn, sagten die Kleinen.
Endlich duften sie ihre gebastelten Geschenke abgeben und den Eltern damit eine riesige Freude machen: Ach so schöne Topflappen!, der Stempelhalter kommt auf meinen Schreibtisch, nein, so ein schöner Untersetzer!
Danach wurden endlich, endlich die Tücher von den Tischen genommen, und wunderschöne Dinge kamen zum Vorschein: Puppen, Autos, Bücher, ein Fischer-Weltalmanach für den Großen und der Michel-Katalog, die er im Laufe des Jahres wieder auswendig lernen würde, das konnte er nämlich gut! Die bunten Teller waren gefüllt, und man tauschte Marzipan gegen Kekse und Fondant gegen Lebkuchen, bis alle zufrieden waren. - 
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Danke schön, Wattfrau
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Moin mal von einem Nisa-Nordlicht (sogar mit etwas SchleHo in der Vita
), grüße euch hier. @Wiederholung , habe deinen schönen Bericht gern gelesen – bei uns waren’s nur die beiden Jungs, für ne lütte Deern hats nicht gereicht.
 
Aber bei der Erwähnung “Tisch mit Schüsseln zum Abwasch” kam jetzt noch ein mulmiges Gefühl auf. Ich war 2-3, Mutter war beim Abwasch, ging kurz zur Seite, der kleine Klabu turnte am Tisch-Auszug herum – d i e Bescherung war auch groß, auch ohne Weihnachten. Was die Folgen für mich waren, kann ich nicht mehr sagen, aber Mutter hatte oftmals erwähnt, dass neben der Schwei . . . in der Küche auch eine Anzahl Scherben in Erinnerung blieben.
Fiel mir beim Lesen ein. (Heute mit der Küchen-Minna könnte sowas nicht mehr passieren.)
Schönen Abend noch. Gruß -k - 
Sehr hübsch beschrieben hast du dein Weihnachten in der Kindheit, liebe @Wiederholung und auch bei mir kamen Kindheitserinnerungen auf, wie es am Heiligabend war. Dankeschon und Abendgrüße
von Picco
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Danke, ich freue mich über die vielen positiven Antworten.
 
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