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Nachdem ich die Klaus Mann-Biografie von Thomas Medicus gelesen habe und in der Folge “Bilder und Dokumente Thomas Mann (1906 – 1949) unter dem Titel ,Ruhe gibt es nicht, bis zum Schluss'” meiner Betrachtung unterzogen habe, erinnerte ich mich. Zumindest ein Buch der Tagebücher Klaus Manns hat sich irgendwann zu mir verirrt und wartete gelesen zu werden.
Gut, wenn ich schon mal bei dem Thema bin. Es sind die Tagebücher der Jahre 1931 – 1949, ich besitze 1931 – 1933 und beschloss dieses erst einmal zu lesen, dann zu entscheiden, ob ich Ausschau nach den anderen halte.
Mit den Tagebüchern ist das so eine Sache. Schreibt die Person für sich, weil sie glaubt, so die eigenen Gedanken ordnen zu können? Oder sind es Sammlungen von Ereignissen, Begegnungen, Handlungen, Emotionen von denen man glaubt, dass sie später noch wichtig sein könnten (eigene Bücher)?
Victor Klemperers Tagebücher ” Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum (1918 – 1932) und “Ich will Zeugnis ablegen bis zum Letzten” (1933 – 1945) sind ein beredtes Zeugnis über das Leben dieser Zeit. Auch ein Aspekt.
Die zeitliche Paralellität ist offensichtlich. Klemperer (1881 geboren) war Literaturwissenschaftler und Romanist. Klaus Mann dagegen (geb. 1906) war ein junger Mann, auf der Suche nach seinem Platz in Leben. Beide eint Anfang der dreißiger Jahre die Frage der Emigration. Für beide ist die deutsche Sprache die Grundlage ihrer Arbeit. Klemperer entscheidet sich immer wieder in Deutschland zu bleiben. Der jüngere Klaus Mann lebt da schon in einer Internationalität, war allein und mit seiner Schwester Erika außerhalb Deutschlands unterwegs. Auch ihm fällt die Entscheidung nicht leicht. Sie sieht aber eben am Ende anders aus.
Zurück zum Tagebuch Klaus Manns. Es enthält eine Unmenge von Fakten, Daten, Begegnungen, im kurzen Stil. Ich bin froh, das Buch erst jetzt zu lesen. Ich habe hinter den Stichworten eine Vorstellung. Was Klaus Manns Aufzeichnungen zeigen sind auch seine Hinwendung zu Drogen und sein Sexualleben. Für mich scheint er ein Getriebener. Die vielen Ortswechsel, die Tage erscheinen vollgepackt mit geplanten und zufälligen Treffen mit Namen/Menschen der Zeit. Unendliche Ideen, im Tagebuch festgehalten, ob sie je zur Verwendung kommen? Er hält Träume genauso fest wie Kinobesuche (Gemeinsamkeit mit Klemperer), Urteile, Einschätzungen sind kurz und prägnant. Drogenkonsum (“genommen”) und der schnelle Sex werden festgehalten.
Es strengt an, dem Tempo des Lebens von Klaus Mann zu folgen. Die Entscheidung die Gesamt-Ausgabe der Tagebücher (über 1700 Seiten) mir zuzulegen, schiebe ich noch ein wenig vor mir her. Aber wenn sie im Buchladen vor mir ständen, ich glaube, ich würde nicht widerstehen können. Wie immer wenn es um die Familie Mann geht.
Ich mag kein Tagebuch führen, wem geht es nach meinem Lebensende etwas an, wann ich glücklich, wann unglücklich war, in Tränen zerflossen bin. Eine Bekannte hat kürzlich ein altes Tagebuch von sich gefunden. Sie sagte nur: “Mir war es peinlich nach all den Jahren.” Ich fürchte, mir würde es ebenso gehen.
Constantia
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Schön, Deine Betrachtung @Constantia. Ich lese sehr, sehr gerne Autografen von „Persönlichkeiten“, vorallem Tagebücher. Sie vermitteln einen guten, subjektiven Eindruck während eines bestimmten Zeitrahmens.
Klaus Mann stand immer im Schatten seinen übergrossen Vaters. (Wie kann man auch neben ihm bestehen?) Er hat sich an ihm abgearbeitet. Hat aber im Laufe seines Lebens eine eigene literarische Stimme entwickelt, finde ich! 👍
LG
Seestern47
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@seestern47 , ist das nicht ein Widerspruch an sich. Ich lese gern Biografien, auch Autobiografien. Aber mein eigenes Leben in Form eines Tagebuches zur Disposition stellen? Ich möchte es nicht.
Viele Grüße
Constantia
Noch ein Nachtrag: Peter Laemmle, einer der Herausgeber, relativiert einige von Klaus Manns Eintragungen. Es tauchen Namen bei K. M. auf, bei den betreffenden Personen spielt er aber nur eine kleine bzw. gar keine Rolle.
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Hallo, liebe @Constantia,
Ja, mir wären meine Tagebucheinträge aus meiner Jugend auch peinlich 🙈, aber wir sprechen hier ja von Tagebüchern mit einer hohen intellektuellen und/oder literarischen Qualität. Das kann man, einer Meinung dann auch nicht vergleichen.
Hast Du die Diktate von Peter Noll gelesen. Er nennt sie eigentlich Notate (Notizen). Fazinierend und so unglaublich persönlich.
https://www.amazon.de/Diktate-über-Sterben-Peter-Noll/dp/3866120672
Schönen Sonntag!
Seestern47
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@seestern47 , ich wage keine Einschätzung über die intellektuelle und/oder literarische Qualität. Ich habe das Buch noch mal aus dem Regal gezogen und einfach eine Seite aufgeschlagen, nehme den Eintrag vom 4. VI. 1933:
—–Pfingstsonntag. Besuch von Verleger Fritz Landshoff, aus Amsterdam kommend. Plötzlich Wolfgang, als Dame gekleidet, hereinschwirrend. – Feinstes Mittagessen im Chon de Lait mit Landshoff, N., Miro, Th. E. – Wolfgang – Teddy. Über Preise für Liebe. – Gelesen: “Les Pieds dans le Plat.” Immer ausführlicher die Ähnlichkeit mit den großen romantischen Pamphlet. Brief an Ebermayer. Noch mal Besuch von Landshoff: ausführliches Gespräch über die Zeitschrift: scheint mir nicht aussichtslos – wäre die günstigste Lösung.
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Dieser Eintrag, durch Zufall jetzt hier stehend, ist typisch. Es ist alles nur in Kurzform festgehalten und sollte ihm als Arbeitshilfe für den “Wendepunkt” und “Kinder dieser Zeit” sein. Daher die Namen auch nur mit dem Anfangsbuchstaben festgehalten.
Er lässt sich nicht in die Seele blicken. Klingt ein bisschen schwülstig, trifft es abere ganz gut. Die Abkürzungen (die zwar am Buchende erklärt sind), verlangen ein gutes Gedächtis des Lesers bzw. der Leserin. Aber da es eben eine Arbeitsgrundlage für K. M. sein sollte und nicht für Generationen nach ihm ist das alles legitim.
Vielen Dank für den Buchhinweis. Ist sicher sehr interessant. Ich werde es aber wahrscheinlich nicht lesen aus persönlichen Gründen, die ich nicht öffentlich darlegen möchte.
Und mit den Tagebüchern ist das so eine Sache. Wenn sich dort Hinweise über die Probleme mit dem eigenen Stuhlgang wiederfinden (ich glaube es war bei Thomas Mann), dann habe ich so meine Zweifel an der Auswahl solcher Dokumente durch die Herausgeber (kommt mir da so in den Sinn) Oder anders geschrieben, Tagebücher können intensiv und breit gefächert sein.
Schönen Sonntag noch
Constantia
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Dito @Constantia – Und aus diesen Einträgen, Skizzen, Entwürfen sind die schönsten Romane entstanden. Thomas Mann hat sogar die Rezepte seiner Mutter literarisch verarbeitet. Alles war Inspiration.
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