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Nun mein Fazit zu diesem ostalgischem Roman:
Der Roman, der mit dem Booker-Preis ausgezeichnet wurde, hinterlässt bei mir gemischte, eher negative Gefühle. Die Liebesgeschichte zwischen einer 19-Jährigen und einem älteren Schriftsteller (54) wirkt schwach, ermüdend und redundant. Sie wird mit viel Bildungs- und Berlinflair garniert, was unglaublich betulich wirkt. Die ausführlichen Sexszenen betonen nicht die Liebesgeschichte der Protagonisten, sondern wirken inszeniert.
Der viel gelobte Stil des Buches konnte mich nicht überzeugen. Die sprachliche Eigenwilligkeit und die stakkatoartigen “er denkt, sie denkt” Sätze machten das Lesen zu einer wenig erfreulichen Erfahrung.
Die Darstellung der DDR als idyllisches Paradies und die Kritik an den Westdeutschen, die nach der Wiedervereinigung als herzlose Konsumfetischisten dargestellt werden, ist ziemlich naiv. Das Buch scheint eine idealisierte Version der DDR zu beschwören, während die Westdeutschen als unempathische Konsummasse dargestellt werden, die letztlich für alles verantwortlich gemacht werden.
Nach der Lektüre dieses sprachlich bescheidenen und ermüdenden Romans, der ab der Mitte in triviale Liebesklischees abgleitet, stellt sich die Frage, warum diese Autorin überhaupt als preiswürdig betrachtet wurde.
Wer wirklich die letzten Jahre der DDR literarisch verarbeitet lesen möchte, dem empfehle ich “Der Turm” von Uwe Tellkamp. Und wer sich mit der deutsch-deutsche Befindlichkeit befassen will, sollte unbedingt “Unterleuten” von Juli Zeh lesen!
“Kairos” hat sich keinen Platz in meinem Regal verdient. Nicht zu empfehlen!
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@seestern47 , jetzt bin ich platt. Nicht, weil das Buch Dir nicht gefallen hat. Sondern über die Strenge Deiner Ausführungen.
Mitlesende hier könnten auf den Gedanken kommen wir haben unterschiedliche Bücher gelesen.
Die Bilder, die ich beim Lesen vor Augen hatte, zeigten nicht den verbildlichten Roman, sondern zeigten mir Bilder aus meinem Leben, die weit über das Buch hinausgingen. Auch spielt da wohl auch das “Zwischen-den-Zeilen-Lesen” (was man den Ostdeutschen ja nachsagt) eine Rolle. Alles was ich schon anfangs vermutete, hat sich bestätigt.
Und wenn ich nun noch schreibe, dass ich “Der Turm” nicht empfehlen würde. Wer möchte, mag es lesen. Inzwischen gab es hier eine Reihe von Vorkommnissen, mit denen ich von Uwe Tellkamp in jeder Beziehung Abstand nehme.
Ich hoffe, soviel Gegensätzlichkeit wird unseren gelegentlichen Austausch hier nicht zu Bruch gehen lassen.
Constantia
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Aber, aber, liebe @Constantia, wir können durch auch mal unterschiedlicher Meinung sein. Das finde ich ja gerade spannend!

Ich finde diese Liebesgeschichte eben einfach unglaublich unglaubwürdig.
Und ja, das “Abdriften” von Tellkamp habe ich auch verfolgt.
GlG

seestern47
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@seestern47 da fällt mir aber ein Stein vom Herzen
. Du gehst von einer “Liebesgeschichte” aus. Für mich aber war der ältere Mann auf sie angesetzt. Sie will doch zu ihrer Oma nach Frankfurt/M. fahren. Eine 19jährige bekam in den seltensten Fällen (wenn überhaupt) eine Genehmigung. Für ihn ist sie jedoch die Garantie für seine berufliche Karriere. Er musste alles tun, damit sie wieder zurückkommt in den Osten.
Auch vieles andere war für mich nicht unglaubwürdig, vielleicht nicht immer und überall, aber eben möglich.
So fügte sich dann für mich am Ende unter dieser Tatsache eines zum anderen und war für mich irgendwie schlüssig und damit glaubwürdig.
Constantia
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J. Erpenbeck soll den Tod der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek gepostet haben – was E. bestreitet. Es sei ein gefälschter Account. J. ließ mitteilen, dass sie, J. lebt. Ich weiß nicht, welches Smiley hier am besten passt.
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