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Frage des Monats: Welche Erfahrung hat Ihr Leben geprägt?
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Beitrag von 16:48
Hallo, lieber forscher – ich bin immer wieder erstaunt, mit welcher Offenheit, nur geschützt durch einen Nick, hier über privateste, intimste Dinge geschrieben wird! Das käme mir nie in den Sinn, darüber tausche ich mich nur per Mail mit mir seit langem bekannten, vertrauenswürdigen Mitgliedern aus, wenn überhaupt. Dir einen schönen Abend – Ricarda01
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Ich denke, es sind oft mehrere Erlebnisse im Leben, die uns prägen.
Es können sowohl schlimme Ereignisse als auch schöne Erlebnisse sein.
Ich weiss noch, dass mich als Kind das Buch “BLAUVOGEL” sehr beeindruckt hat…die Selbstbeherrschung bei diesem indianischen Volk.Das Fazit war allerdings. dass ich bei einigen Mitmenschen als eingebildet verschrien war, weil ich meine Emotionen zwar tief empfunden, aber öffentlich nicht gezeigt habe.
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Mich haben am meisten die zehn Jahre geprägt, die ich in anderen Kulturen in Asien und Afrika verbrachte. Schlimm daran war vor allem das Zurückkommen nach Deutschland, wo mein Nachbar sich darüber aufregte, dass meine Katze auf seinem Auto saß. Im Kongo, wo ich zuletzt war, hatten die Menschen ganz andere, existentielle Sorgen. Bis heute ist mir unbegreiflich, wie verbissen man hier seinen Luxus verteitigt ohne das geringste Gespühr dafür, was echte Armut ist – dabei kann man hier schon genug davon sehen, wenn man nicht die Augen davor verschließt.
Noch ein Buch: Velma Wallis “Zwei alte Frauen”
Mondin
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@Mondin: “wenn man nicht die Augen davor verschließt” … geht Dein Beitrag bei mir unter die Haut.
Das Elend der Welt kann ich nicht aufhalten, aber eines kann ich: Dankbar sein, dass es mir so geht, wie es mir geht, und mit meinen Möglichkeiten versuchen, dem einen oder anderen sein Dasein zu erleichtern.
(Wenn sich eine Katze auf mein Auto setzt, werde ich keine Lupe nehmen und einen Schuldigen suchen.
)F@gus
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Es war mehr als eine Erfahrung, die mein Leben geprägt hat. –
Zu einer Zeit als ich sowohl privat wie auch beruflich unter enormen Druck stand, lernte ich einen Schweden kennen. Gegen jede “Regel der Vernunft” wurden wir ein Paar. Er zeigte mir seine “Welt” und vieles von der Leichtigkeit des Lebens, was ich schon völlig verlernt zu haben schien. Zwar hatte unsere Liebe auf Dauer keine Chance, doch er hat einen Platz in meinem Herzen.
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“Findet die Prägung eines Menschen nicht schon in früher Kindheit statt?”
malonia 2 Nov.
Hallo malonia
ich bin 1933 geboren und habe meine Kindheit in Dortmund verbracht.
Als Industriestadt erster Güte wurde Dortmund im Zweiten Weltkrieg
permanent bombardiert. Jede Nacht 2 bis 3 Mal Fliegeralarm.
Wir schliefen, bis auf unsere Schuhe, voll angezogen in den Betten.
Zwischen dem Heulen der Sirenen und dem Fallen der ersten Bomben vergingen nur ein paar Minuten. Im Luftschutzkeller unseres Hauses verharrten wir angstvoll. Nicht nur Frauen und wir Kinder, nein, auch “gestandene Männer” beteten das Vaterunser.
Eines Nachts wurde unser Haus von einer Bombe getroffen und stürzte über uns zusammen.
3volle Tage waren wir verschüttet, bis man uns ausgebuddelt hatte.
Nicht nur wir Kinder weinten, nein, auch die Erwachsenen taten es und flehten Gott um Hilfe an. Wir hatten aber eine Lichtquelle, ein aufgebocktes Fahrrad mit einem Dynamo. Das gehörte, neben einer Stahltüre und Deckenstützen zu jedem Luftschutzkeller. Ich weiß nicht,
wie ich es ohne dieses Licht ausgehalten hätte. Eine große Hilfe war für mich, dass unsere Mutter uns immer erzählte, dass jedes Kind einen Schutzengel hat. Ich hatte noch einen älteren und jüngeren Bruder. Im Zimmer über unseren Betten hing ein großes Bild.
Darauf ging ein Kind über einen schmalen Steg über einen reißenden Bach. Hinter diesem
Kind ging ein Engel, der schützend seine Arme ausgebreitet hielt. Dieser Schutzengel war für
mich so real, dass ich überzeugt war, er wird auch jetzt über mich wachen. Diese Überzeugung hat mir die drei Tage wesentlich leichter gemacht.
Da die Bombenangriffe immer stärker wurden, wurden Frauen mit Kindern evakuiert.
Wir kamen in ein kleines Dorf im Sudetenland. Vom Krieg haben wir da fast nichts gemerkt.
Am 10. Mai 1945, zwei Tage nach Kriegsende, haben wir ein paar Habseligkeiten auf zwei
Handwagen gepackt und uns zu Fuß auf den Rückmarsch nach Dortmund gemacht.
Ich musste meinen 6 Monate jungen Bruder im Kinderwagen schieben. Vater war Anfang
1945 auf Heimaturlaub gewesen. Ende August 1945 kamen wir in Dortmund an.
Über diese Zeit könnte ich einen ganzen Roman schreiben. Ich schreibe aber nur über
einen Zustand, der mich für mein ganzes Leben geprägt hat. DER HUNGER.
Es gab überhaupt keine amtlichen Stellen, die sich um uns gekümmert hätten. Alles musste
selbst organisiert werden. Betteln und stehlen waren an der Tagesordnung.
Mich haben diese Bombennächte und Hungermonate geprägt
Mir ist bewusst geworden, was fürs Überleben wichtig ist.
Ein voller Bauch, eine warme Höhle oder Nest und eine ruhige, angstfreie Nacht.
Seit dem dieser Zustand wieder erreicht war, waren alle anderen Bedürfnisse Nebensache.
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Danke Webra für Deine Schilderung, die ich gut nachvollziehen kann.
Ich wurde 1942 im Osten Deutschlands geboren, kam vom ersten Tag an auf eine Säuglingsstation, später Kinderkrippe und mit 2 Jahren zu Pflegeeltern. Ich erinner mich gut an das ständige Treppauf-Treppab, jedes Mal, wenn die Sirenen heulten, ging es in den Keller. So manches Mal saßen wir tagelang dort unten, und geschlafen wurde auf Holzbrettern.
1945 kamen die Alliierten und bombten alles zusammen, was ihnen unter die Augen kam.
Beide Nebenhäuser wurden zerbombt, unser Haus blieb stehen…………ein Wunder. Bei diesen Bombardierungen verlor ich meine ganze Familie, wie man mir später erzählte. Gut, ich kannte sie ja nicht, trotzdem weinte ich als ich es erfuhr.
Dann folgten Jahre des Hungers und der Entbehrungen, es gab Lebensmittelmarken, aber das reichte kaum. Fleisch kannte ich überhaupt nicht, wenn wir Glück hatten gab es mal einen halben Liter Fleischbrühe, der Schwarzmarkt blühte, Kohlen haben wir Kinder stibitzt um wenigstens zu Weihnachten ein warmes Zimmer zu haben, und mein Pflegevater ging aufs Land, arbeitete beim Bauern für ein paar Kartoffeln.
Dann starb mein Pflegevater, und ich kam in ein Kinderheim.
Diese Zeit hat mich stark geprägt, bis heute habe ich da Nachwirkungen. Und die Zeit im Heim war auch nicht besser.
 
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