Weltversionen

Kann es sein, dass unsere Vorstellung, nur eine einzige Weltdeutung habe Berechtigung, eine Täuschung ist? Gibt es nicht vielmehr verschiedene Deutungen der Welt, die mit menschlichen Mitteln nicht auf eine, wahre Version zurückzuführen sind?

Die Weltversion eines Kernphysikers ist nicht wahrer oder weltadäquater als die Version einer Ordensfrau, eines Almhirts oder einer alleinerziehenden Mutter. Die Vernünftigkeit verschiedener Versionen bemisst sich nicht daran, ob sie mit einer zugrundeliegenden Welt übereinstimmen, sondern an ihrer praktischen Brauchbarkeit und an ihrer inneren Stimmigkeit.

Jeder kann für seine Weltversion bestimmte Erkenntnisse und Erkenntnisansprüche erheben, solange er zugesteht, dass diese Erkenntnis nichts über die Welt an sich, sondern nur über seine Welt, über seine Weltversion aussagt. In anderen Weltversionen sind diese Erkenntnisse je nach Umständen ganz unerheblich.

Vermutlich ist kein uns bekanntes Wesen mit der Fähigkeit begabt, diese verschiedenen Weltversionen miteinander abzugleichen und auf einen Nenner zu bringen, um die Welt an sich erschließen zu können.

Gedanken von Andreas Urs Sommer

Ähnliche Beiträge

Kommentare

  1. Es ist zweifellos so, dass "die eine Weltdeutung" eine Täuschung ist. Unsere Interpretation bleibt immer geprägt von unserer Biographie und kann deshalb nicht objektiv sein. Erziehung, Erfahrungen und Meinung und weitere Faktoren prägen unsere Wahrnehmung, ob wir es wollen oder nicht. Der wissenschaftlichen Welt geht es nicht besser. Die Relativitätstheorie erklärt uns das Funktionieren der Welt in großen Dimensionen und sie ist bis heute unangefochten darin. Doch sie versagt, sobald es um die kleinsten Teilchen geht. Die Quantentheorie kann uns umgekehrt die winzigen Dimensionen erklären, doch sie funktioniert nicht im großen Zusammenhängen. Die beiden Theorien zur Erklärung der Welt sind bis heute nicht miteinander vereinbar, obwohl sie in ihren jeweiligen Bereichen gut sind. Die Quantentheorie eröffnet uns zusätzlich eine Sicht auf die Welt, die mit unseren Alltagserfahrungen nicht zusammen passt. Doch sie hat die Grundlagen geschaffen für das Gerät, mit dem ich gerade diesen Text schreibe. Sie funktioniert also ebenfalls in ihrem Bereich.
    Es gibt zahllose Wahrnehmungen der Welt, sei es wie Menschen sie erleben, sei es der Hund auf der Straße, dessen andere Sinne ihm ein ganz anderes Bild vermitteln, oder seien es die Naturwissenschaften.

    1. @Yossarian
      Wir sind uns einig darin, dass In den Naturwissenschaften nur von Theorien gesprochen wird, und dass davon ausgegangen wird, dass eine Theorie modifiziert werden kann oder sich sogar als nicht mehr brauchbar erweist. Auch in der Philosophie spricht man gegenwärtig meist nur von Theorien, zB. wurde das vergangene Jahrhundert geprägt von der Arbeit an der sog. Erkenntnistheorie.

      Der Text den ich gepostet habe, geht in Richtung Konstruktivismus. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Mensch sich seine eigene Weltinterpretation schafft mit dem Ziel, sich in der Welt zurechtzufinden bzw. einfach nur zu überleben. Wie du erwähnt hast, gilt das vermutlich für jedes Lebewesen.

      Erwähnen muss ich noch, dass Andreas Urs Sommer mE. alles andere als ein Konstruktivist ist. Die obigen Gedanken sind wohl nur eine literarische Spielerei unter dem Aspekt der Skepsis.

      Gruß/Florian.

Verstoß melden

Schließen