Safari

Safari

Da hatte ich mir selbst etwas Zweifelhaftes eingebrockt. Langsam dämmerte es bei mir, warum man gerade mich mit Engelszungen dazu überredet hat, in den Flieger zu steigen, um im südlichem Afrika eine abenteuerliche Safari zu erleben, sie sollte im zerklüfteten Hochland von Sambia stattfinden. So in etwa geahnt habe ich es schon vorher, doch jetzt weiß ich es genau, sie brauchten einen Volltrottel, ein zweibeiniges Muli, der den Verpflegungsvorrat und die schwere Ausrüstung schleppte. Für ein Packtier vor Ort wie Esel, Maultier oder Träger reichte offensichtlich das Geld der Reisekasse nicht, also kam ich ins Spiel.

Jetzt war es zu spät für meine Erkenntnis, ich saß im Flieger.

Den Doofen als Packesel hatten sie wohl in mir gefunden. Eine Erklärung als Trost für meinen sachlich edelmütigen Einsatz erfolgte aber auch von ihnen. Sie mussten bei der Safari mit den großkalibrigen Waffen beweglich sein, zum Schutz für alle, und sie sahen sich deshalb außerstande, sich mit schwerem Gepäck zu belasten. So hatten sie es zumindest im Nachhinein versucht zu erklären. Besser und vor allen Dingen viel gesünder für uns alle wäre es allerdings gewesen, sie hätten das Kauderwelsch im Brief aus Sambia besser studiert.

Die Einsicht, dass ich nur ein Mittel zum Zweck war, kam leider zu spät, jetzt musste ich wohl oder übel da durch. Und ob die Großwildsafari legal und gesetzeskonform war, daran hatte ich mittlerweile auch so meine Zweifel. An einer Safari teilzunehmen, um Bilder von großen wilden Tieren zu schießen, war ja legitim, so hatte ich jedenfalls den Ausflug und die Teilnahme am schönen Abenteuer ins Hochland nach Sambia verstanden. Das wäre für mich auch okay, aber mit großkalibrigen Waffen auf arme, wehrlose Tiere zu ballern, das ging mir gegen den Strich!

Lukas war der eigentliche Initiator der Safari. Weiß der Kuckuck, wie die Einladung nach Sambia zustande gekommen war, welche er nun schon seit Tagen jedem zeigte, ob er sie nun sehen wollte oder nicht. Das Schriftstück war handschriftlich verfasst und teils in englischer und sambischer Muttersprache gehalten. Darum wurde auch niemand so richtig schlau aus dem Inhalt. Doch eine Zeile im Brief war gut zu entziffern, dort stand: vor Ort steht weder Fährtensucher noch Träger aus religiösen Gepflogenheiten zur Verfügung.

Nach der Landung in Sambia erreichten wir nach längerer Fahrt mit dem Jeep den Ausgangsort unserer geplanten Safari. Der Besuch beim Ortsvorsteher brachte nicht viel Neues für uns, erst die Einladung des Dorfältesten in seine Hütte brachte Licht in die ganze Angelegenheit. Der Aberglauben in dieser ländlichen Region war sehr stark ausgeprägt. Dazu kam noch der Zauber und dessen magische Wirkung, an dem alle Dorfbewohner glaubten.

Gravierend war allerdings das Verschwinden zweier Dorfbewohner. Sie waren zur nächtlichen Stunde zur Jagd aufgebrochen und seit dieser Zeit wie vom Erdboden verschwunden. Das konnte nur ein böser Zauber verursacht haben und deswegen war kein männlicher Dorfbewohner dazu zu bewegen, sich als Träger in der Dunkelheit zu verdingen.

Wir hatten ja eine genaue Wegbeschreibung zu einer Erhebung im Gelände. Laut Dorfältesten hatte man von diesem Plateau einen besseren Überblick über das gesamte Territorium, auch sollte das besagte Plateau frei von Strauchwerk sein. Nur die Zeit drängte, und nach meiner Ansicht war es mittlerweile für den Jagdausflug viel zu spät in einer unbekannten Gegend. Aber mein Einwand wurde ignoriert, ich wurde überstimmt.

Mit einer normalen Straße hatte die Anfahrt zur Hochebene nichts zu tun. Das Gelände wurde immer unwegsamer und wir mussten den Jeep schließlich stehenlassen, weil die von uns eingeschlagene Fahrspur plötzlich endete. Nun ging es zu Fuß zum Ziel weiter und das lag zweihundert Meter entfernt

Um am Jeep keine Wurzeln zu schlagen, setzen wir uns langsam zu Fuß in Bewegung. Ich wurde reichlich mit Gepäck versorgt, denn meine Kumpel mussten ja beweglich sein mit ihren Schusswaffen, um mich vor eventuellen Raubtierangriffen zu schützen. Alles nur eine reine Vorsichtsmaßnahme, so wurde es mir verklickert. Nur komisch, den Gedanken, mich als Muli zu missbrauchen, den mussten sie schon vor dem Abflug in Deutschland gehabt haben, sonst wäre ich gar nicht hier.

Ich bildete sozusagen die Nachhut und schlich hinter den beiden her, dass mich auch von hinten etwas angreifen konnte, auf die Idee kam niemand. Und um unnötigen Lärm zu vermeiden, welcher wo möglich Wild verscheuchte, ging es vorsichtig weiter. Zweihundert Meter können lang sein, besonders wenn dorniges Buschwerk und Felsen den Trampelpfad versperrten, so wurden aus hundert Meter schnell hundertfünfzig.

Wir hatten zu viel Zeit im Dorf vertrödelt, denn plötzlich war es Nacht. Die Dunkelheit kam übergangslos, eine rabenschwarze Nacht umgab uns und gefährlich war es auch, zumal sich unter und hinter jedem Gesträuch giftige Reptilien verbergen konnten. Schon der Gedanke an einer Giftschlange jagte Schauer über meinen Rücken. Ich fragte mich insgeheim immer wieder, warum tust du dir diese Safari an!

Allerdings war es auf dem Pirschgang erstaunlich zu beobachten, wie schnell die Natur verbrannte Erde zurückeroberte. Noch vor kurzer Zeit wütete hier ein verheerender Flächenbrand, der alles vernichtet hat, was im Weg stand und nur öde Flächen zurückließ. Jetzt belebte schon wieder üppige Vegetation die Landschaft, und wenn es nicht so dunkel wäre, könnte man wahrscheinlich ringsum die Schönheit der Natur bewundern.

Mittlerweile war das Plateau erreicht, bis auf ein paar Kratzer vom stacheligen Gestrüpp war ich okay. Genau wie der Dorfälteste es beschrieben hatte, war alles flach und eben. Die Safarifreunde hatten schon nebeneinander ihre Gewehre in Position gebracht. Doch meinen Standort musste ich wieder ändern, denn große Ameisen hatten etwas gegen meine Anwesenheit, was sie mir deutlich durch Bisse zu verstehen gaben.

Nach meiner Erfahrung waren Wildtiere meistens dämmerungsaktiv, sie suchten die Wasserlöcher früh morgens und abends auf, um zu saufen. Jetzt war es stockfinstere Nacht und ob das Büchsenlicht für die billigen Zielfernrohre reichte, das blieb noch offen. Ganz so clever, wie sie taten, waren sie sowieso nicht, was sich auch kurze Zeit später an Ort des Geschehens klar und deutlich abzeichnete. Hochmut kommt meistens vor dem Fall.

Man hatte sich zwar zu Hause durchs Lesen in einem dicken Wälzer übers Jagdverhalten bei Großwild schlau gemacht und verstanden, dass ein Raubtier aus Sicherheitsgründen nur mit einem gezielten Schuss zwischen den Augen zu erlegen war. Wissen aus Büchern war so eine Sache, doch ich glaube, Erfahrung aus eigenen Erlebnissen zählt mehr. Irgendwo haben sie etwas von Büchsenlicht gelesen und es falsch gedeutet. Sicherlich war damit nicht die rabenschwarze Nacht gemeint.

Ich zweifelte schon seit einiger Zeit daran, ob ich weiterhin eine intime Freundschaft zu den Jagdkumpanen pflegen werde, das musste ich mir noch durch den Kopf gehen lassen. Denn eins stand fest, mit der Fotosafari wurde ich echt verarscht, sie hatten sogar einen riesigen Spaß, wie einfältig ich war, weil ich mir noch kurz vor dem Abflug in Deutschland eine teure Kamera für die Safari gekauft hatte. Die beiden hatten sicherlich von Anfang an untereinander ausgemacht, dass ich der unbezahlte Gepäckträger im Team war.

Was sicherlich nicht in dem Wälzer über frei lebende Raubtiere stand, ist Folgendes: In der freien Wildbahn werden Tiere ganz anders gefordert, und sie können Strategien entwickeln, um zu überleben, indem sie Gefahren erkennen und sich durch Veränderung in ihrem Verhaltens umstellen. Im Umfeld des Dorfes sollte sich laut Aussage einiger Dorfbewohner ein besonders cleveres Exemplar von Raubtier im Unterholz der Hochebene verborgen halten und dort bei sternklaren Nächten sein Unwesen treiben. Dorfangehörige, welche bei der Begegnung mit dem Untier mit dem Schrecken davon gekommen sind, beschreiben es als riesiges Ungeheuer. Und bei jeder Erzählung wächst die Kreatur um einige Meter.

Die Angst der Dorfbewohner vor Geistern und bösem Zauber ist seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil ihrer Kultur und wird vom Medizinmann noch gefördert. Er lebt schließlich von dem Humbug. Solch ein fest verwurzelter Glaube lässt sich nicht einfach wegdiskutieren und enthält meistens auch einen Funken Wahrheit. Und wenn dieser besagte und gefährliche Säbelzahntiger wirklich existiert, sollte man ihm lieber aus dem Weg gehen, bevor etwas Schlimmes passiert.

Nun kauerte ich schon seit gut zwei Stunden an einem abgebrannten Baumstumpf und so langsam wird es langweilig. Ich komme mir vor, wie die drei Affen – nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

Nur ich kann wenigstens am Obst aus meinem Rucksack knabbern, was die Kollegen nicht können, da alle Vorräte nur bei mir lagerten.

Einschlafen hier in der Einöde ist auch nicht so angesagt, da hat der Aberglaube der Einheischen doch schon mächtig abgefärbt, denn eventuelle Risiken sollte man tunlichst vermeiden. Da Hilfe von außerhalb wohl kaum zu erwarten war.

Gegenüber bei den beiden Waffennarren regte sich auch etwas, ich denke, sie wollen das nächtliche Experiment abbrechen, was wohl auch vernünftig wäre. Mit mir selbst bin ich im Reinen, ich weiß, dass ich morgen am Jagdausflug nicht teilnehme, komme, was wolle.

Um auf unsere Habseligkeiten aufzupassen, brauche ich nicht in den Busch zu laufen, das lässt sich im Dorf in unserer Unterkunft leichter durchführen.

Geräusche in der Dunkelheit lassen sich immer schlecht orten, aus welcher Richtung sie genau kommen. Ich möchte gar nicht daran denken, wenn sich hinter meinem Rücken etwas anschlich, dort war zwar noch der dicke Baumstumpf, an welchem ich mich anlehnte, aber mulmig wurde es mir bei dem Gedanken schon. Doch nach einer Weile ließen sich das Geräusch genau lokalisieren. Taschenlampen flammten auf, und im Lichtkegel waren zwei riesig fluoreszierende Punkte zu sehen. Oh Schreck, die leuchtenden Punkte waren groß und lagen weit auseinander, es musste ein riesiges Geschöpf sein, was sich bewegte. Ob da eine Kugel genau zwischen den Augen platziert reichte, da bleibt nur die Hoffnung, denn angeschossene Tiere sind extrem gefährlich.

Ich hörte nur noch das Kommando schießen und es krachten vor mir fast gleichzeitig zwei Schüsse. Dann erfolgte im Unterholz noch bersten und brechen von morschen Ästen, gefolgt von kläglichen Aufschreien. Es war das Ende einer erfolglosen Jagdsaison meiner Safari Freunde. Mir laufen jetzt noch kalte Schauer über den Rücken, wenn ich an die Stunde des Grauens zurückdenke. Es war einfach fürchterlich.

Die Kommission, welche Tage darauf das Desaster untersuchte, kam zu folgenden Resultat. Es handelte sich bei dem Unglück nicht um ein riesiges Ungeheuer, sondern um zwei Löwinnen, welche bei der Jagd jeweils ein Auge fest geschlossen hatten, um gemeinsam ihre erklärte Beute arglistig zu täuschen.

Und genau der Hinweis fehlte im Buch für Großwildjäger.

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Kommentare

  1. Guten Abend RockyP,
    wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. So ähnlich empfinde ich Deine kurzweilige Story. Die überraschende Wendung am Ende, setzt dem Ganzen die Krone auf. Gut erzählt und kurzweilig zu lesen 🙂
    Gruß Bernd

  2. hallo, diese Geschichte scheint mir sehr als eine Erfindung zu sein als ein wirkliches Erlebnis. Eine Safari ist keine Großwildjagd, sondern eher eine Jagd mit der Kamera, um die Tiere der Savanne zu erleben. Und seit wann gibt es Tiger in Afrika? - Ich selbst habe eine Safari miterleben dürfen und denke sehr gern an dieses großartige Erlebnis. Meine Jagd mit der Kamera war sehr erfolgreich!
    lg. Heidi

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