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Wir lesen gemeinsam: Theodor Storm "Der Schimmelreiter"
Von Gelöschter Benutzer am 19. April 2021 um 15:05Willkommen!
etaner34 antwortete vor 4 Jahre, 8 Monaten 5 Mitglieder · 28 Antworten -
28 Antworten
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Ich hatte den Eindruck aus zwei deiner Beiträge, dass Dir die Sozialkomponente wichtig ist, und auf Biegen und Brechen ein solcher Bezug hergestellt werden sollte. Dein Verhältnis zur Literatur lässt sich schwer erkennen. Auch der „olle bürgerliche Patriarch“ hat mich irritiert. Kann es sein, dass wir im gleichen Beruf tätig waren?
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@Fiets
Wenn man Dichtung unter sozialen, sozialkritischen, sozialpolitischen Gesichtspunkten lesen will, ist man bei Storm nicht so gut aufgehoben. Mein Vorschlag: Lass uns als nächstes das Schauspiel „Die Weber“ von Gerhard Hauptmann lesen. Könnte auch Schullektüre gewesen sein. Und ist angesichts des gegenwärtigen Umbruchs der Arbeitswelt durch die Digitalisierung „brandaktuell“.
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@Fiets
Guck mal, was ich eben beim Googlen entdeckt habe! Es gab einen anderen Schluss der Novelle, der den Mythos des „ Schimmelreiters“ realistisch aufheben sollte. Der Autor hat ihn bei der Endfassung gestrichen.
Jemand hat eine Bachelor-Arbeit darüber geschrieben:
https://www.grin.com/document/300498
Hab einen schönen Tag und bleib gesund!
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@Fiets
„einen tüchtigen Kerl, nur weil er uns um Kopfeslänge überwachsen war, zum Spuk und Nachtgespenst zu machen – das geht noch alle Tage.”
Das sieht wie eine Rückkehr des Erzählers auf den Boden der Tatsachen aus.
Aber Storm hält in der Schwebe, ob es den „Schimmelreiter“ gibt, oder ob er die Erfindung von dümmeren Zeitgenossen und ihren abergläubischen Nachfahren ist. Der Erzähler des äußeren Rahmens hat ihn „gesehen“, und sein Bericht löst die Erzählung des Lehrers aus, der offenbar auch „weiß“, wovon die Rede ist. Das macht einen Reiz der Novelle aus, finde ich.
Erklärst Du mal genauer, welchen Bezug du aus dem zitierten Text zu Storms folgenreichem Engagement gegen die dänischen Herrschaftsansprüche ( 1848 – 1852 ) ableitest? Ich finde da auf Anhieb keinen.
@etaner 34
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@ Fiets , ich fand das Theaterstück sehr gelungen , die Charaktere waren gut herausgespielt .
Im Norden aufgewachsen war es natürlich Pflicht Lektüre und kaum zu glauben aber wahr hat unser Sohn den Vornamen HAUKE
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@Fiets
„Storm war wohl ein ausgeprägt sentimentaler oller bürgerlicher Patriarch.“
Ich meine, der Stil, der bei mir etwas Anstoß erregt, hat nicht so viel mit dem bürgerlichen Patriarchentum zu tun. Auch sentimental würde ich ihn nicht nennen.
Vielleicht lesen wir ja noch ein oder zwei andere Werke von Storm, in denen Frauen die Hauptfiguren sind, es gibt bei ihm Frauen von traditionsgebunden und – gezwungen, bis recht emanzipiert. Auch Elke ist kein „Frauchen“ für Patriarchen.
Sagst du ja auch.
Aber die Realisten Gottfried Keller oder Theodor Fontane liegen mir stilistisch eher.
„Was sein Frauenbild angeht, das war fast noch zweifelhafter – hat er sich nicht in eine Zwölfjährige verliebt?“
Ich meine jetzt nicht dich, aber:
Diese neumodischen, Auflagen steigernden Recherchen im Sexualleben bedeutender Autoren und anderer genialer Menschen mag ich überhaupt nicht.
Was soll der Bildersturm?
Es gibt eben Menschen, die sogar bedeutender sind als heutige Literatukritiker und Feuilleton-Journalisten.
Storm ist nicht der größte deutschsprachige Erzähler, aber anscheinend doch wert, heute noch bekannt zu sein. (Wie viel von Heutigen übrig bleibt, muss sich noch zeigen.)
Ansonsten: Er war verheiratet. Seine beiden Frauen waren jünger als üblich.
Ist noch nichts Abartiges.
Ich zitiere Wikipedia:
„1843 kehrte er nach Husum zurück und eröffnete eine Anwaltskanzlei. Im Januar 1844 verlobte sich Storm mit seiner Cousine Constanze Esmarch (1825–1865), die Heirat fand 1846 im Rathaus von Segeberg statt. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor: Hans (* 25. Januar 1848; † 5. Dezember 1886[6][7]), Ernst (* 30. Januar 1851), Karl (* Juni 1853), Lisbeth (* 10. Juni 1855), Lucie (1860), Elsabe (* Januar 1863) und Gertrud (* 4. Mai 1865).
Constanze Storm starb am 20. Mai 1865 nach der Geburt ihrer Tochter Gertrud. Seiner Trauer verlieh Storm in dem strophischen Gedichtzyklus Tiefe Schatten Ausdruck.
…1866 heiratete Storm die 38-jährige Dorothea Jensen, die er bereits kurz nach seiner ersten Hochzeit kennengelernt hatte und mit der ihn eine leidenschaftliche Beziehung verband. Sie bezogen das Haus Wasserreihe 31, das sie bis 1880 bewohnten und das heute als Theodor-Storm-Museum genutzt wird. Aus der Ehe ging eine Tochter hervor.“
Ich sage:
Schön für die Kinder, dass der Vater Kinder mochte.
Ich wünsche dir einen möglichst sonnigen Tag. Bei uns ist mal ein Balkontag, aber leider bleibt’s laut Wetterbericht bei dem einen.
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„Der Schimmelreiter“ ist wohl noch immer Schullektüre in der Mittelstufe. Ihn auf die Bühne zu bringen, wer kommt auf die Idee?
Es ist häufig so, dass im Theater ganze Schulklassen eintreffen, weil die Aufführung zu einem Thema aus dem Deutschunterricht passt. Wenn der Lesestoff schon während des Unterrichts nicht gut vermittelt werden konnte, wird eine Theateraufführung selten das Defizit ausgleichen. Natürlich sollte man den Schülern und Schülerinnen vorher sagen, wie man sich im Theater benimmt. Viele Erwachsene wissen das allerdings auch nicht mehr und fühlen sich wie im Kino oder am Fernsehschirm zu Hause. „Vor Ort“ kann ein Lehrer, eine Lehrerin nichts mehr „machen“.
Wenn Du an diesem Austausch über die Erzählung teilnehmen willst, solltest Du sie vielleicht (noch einmal) lesen.
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Ich habe vor C eine Inszenierung
im Bremer Theater gesehen , der Schimmelreiter modern ,mich hat es beeindruckt ,leider sassen hinter uns Schüler ,die nur mit ihren handys spielten ,assen und tuschelten und kicherten .In der Pause sprach ich die Lehrerin an , sie meinte ihre Schüler wüssten sich zu benehmen ….es wären wohl nicht ihre …nach dem Stück umringten alle ihre Lehrerin und und die Jugendlichen ,die hinter uns sassen waren auch dabei …..
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@Fiets
Das besonders Verhängnisvolle ist in diesem Zusammenhang, wie die Denkfaulheit, Phantasielosigkeit, Unkenntnis bei unerschütterter Selbstsicherheit umso zwangsläufiger zum „Untergang“ führen, als es Hauke auf Grund seines spröden Charakters nicht möglich ist, Sympathien zu gewinnen, eher im Gegenteil sich Gegner macht.
Mir ist mal anderes, weniger „politisch“ Aktualisierbares aufgefallen.
An der Art, wie die Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen Hauke und Elke beschrieben wird, überzeugt mich insbesondere die Darstellung der kargen Dialoge, die vor allem die Unsicherheit und Schüchternheit des Mannes kennzeichnet.
Manches andere erscheint mir allerdings klischeehaft.
Es fällt auf, dass das Äußere des Mädchens Elke aus der Perspektive des Hauke nur in wenigen mehrfach in Variationen wiederholten Merkmalen beschrieben wird: seine Aufmerksamkeit scheint auf die Augen des Mädchens fixiert.
„Er kannte sie freilich, das ranke achtzehnjährige Mädchen mit dem bräunlichen schmalen Antlitz und den dunklen Brauen, die über den trotzigen Augen und der schmalen Nase ineinanderliefen; doch hatte er noch kaum ein Wort mit ihr gesprochen“
„Die Dirne schien von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an dem stillen Abend die Sonne eben in das Wasser hinabsank und zugleich das bräunliche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.“
Hauke stieg etwas langsamer an der Werfte hinan und dachte bei sich: ›So ist sie nicht so dösig!‹
Hauke hörte nicht auf diesen Zuspruch, denn Elke war in die Stube getreten und nahm mit ihrer leichten Hand die Reste der Speisen von dem Tisch, ihn mit ihren dunkeln Augen flüchtig streifend. Da fielen seine Blicke auch auf sie. ›Bei Gott und Jesus‹, sprach er bei sich selber, ›sie sieht auch so nicht dösig aus!‹“
„Sie sah ihn halb lächelnd aus ihren dunkeln Augen an.“
„zur Seite stand das Mädchen mit den Rätselbrauen und sah scharf aus zornigen Augen auf ihn hin“
„und die dunkeln Brauen standen ihr wie zornig in dem heißen Antlitz.“
„Noch ein paar Augenblicke suchten ihre Augen auf dem Boden; dann hob sie sie langsam, und ein Blick, mit der stillen Kraft ihres Wesens, traf in die seinen, der ihn wie Sommerluft durchströmte.“
Besonders mit dem letzten Zitat habe ich Schwierigkeiten. Grenzt das an Kitsch?
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@Fiets @Wattfrau
„Mit denen zu verkehren, die mit ihm auf der Schulbank gesessen hatten, fiel ihm nicht ein, auch schien es, als ob ihnen an dem Träumer nichts gelegen sei.“
Gäbe es ihn, den jungen Hauke Haien, und lebte er heute, würden besorgte Sozialpsychologen sich auf den Plan gerufen fühlen.
Der Storm-Leser wird durch den Autor eher zu Sympathie und Respekt vor dem jungen Mann „geführt“.
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