-
Den Schleier gelüftet ...
… hat der islamische Theologe Ali Ghandour.
Vom Islam geprägte Gesellschaften waren einst freizügig.
Mit den Kolonialherren sei jedoch die rigide Moral gekommen, sagte er im Dlf.
Die Kolonialherrschaft und der Import viktorianischen Denkens. Ein weiterer Grund sei die Entstehung von Nationalstaaten. Darüber hinaus habe die Ideologisierung von Religion zu einer Suche nach Eindeutigkeit geführt.All diese Ideen hätten ihren Ursprung im Europa des frühen 19. Jahrhunderts, sie hätten aber in islamisch geprägten Ländern nicht funktioniert. Für die Sexualität bedeutet dies: Die Kontrolle des Sexuallebens wurde zum Machtinstrument.
Homosexualität, die ursprünglich toleriert war, wurde von da an verachtet. Ali Ghandour erklärt: Den Begriff Homosexualität als Identität kannten die Menschen vor dem 19. Jahrhundert in islamischen Gesellschaften nicht. Liebe zwischen Männern war nicht Gegenstand einer Normierung. Der Koran behandelt den Geschlechtsverkehr zwischen zwei Männern gar nicht. Homophobie sei ein Import der Kolonialzeit.
Sein Buch Liebe, Sex und Allah. Das unterdrückte erotische Erbe der Muslime" Strenggläubige Muslime provoziert er damit. Uns lässt er staunen.
Kritikern, die allein schon seinen Buchtitel Liebe, Sex und Allah als Gotteslästerung bezeichnen, hält Ghandour im Interview mit dem Deutschlandfunk entgegen:
Man könnte es als Gotteslästerung betrachten, wenn man ein negatives Bild von Gott hat. Als Monotheist kann man Gott eigentlich nicht wegdenken. Gott ist überall da, er manifestiert sich in allen Facetten dieses Lebens. Auch Sex ist eine Manifestation Gottes. Von daher sehe ich keinen Widerspruch zwischen dem Namen Gottes und dem Sex.
Wenn konservative Muslime das nicht gutheißen könnten, dann sei das ihr Problem. Ein bisschen Provokation muss sein, Provokation ist ein Mittel zum Nachdenken.
Ali Ghandour:
Liebe, Sex und Allah. Das unterdrückte erotische Erbe der Muslime
C.H. Beck, München 2019, 218 Seiten. 16,95 Euro.
Sie müssen angemeldet sein, um zu antworten.