Organspende: Bundestag lehnt Widerspruchslösung ab

Der Bundestag hat mit deutlicher Mehrheit den Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abgelehnt, bei der Organspende die sogenannte Widerspruchslösung einzuführen. Danach hätte zunächst jeder als Organspender gegolten – es sei denn, er hätte ausdrücklich widersprochen. Für diese Regelung stimmten 292 Abgeordnete, 379 Parlamentarier lehnten sie ab, drei enthielten sich. Damit gilt auch in Zukunft die bisherige Regelung, dass eine Entnahme nur möglich ist, wenn eine Zustimmung vorliegt (sogenannte Zustimmungslösung).

Nach der Ablehnung von Spahns Gesetzesvorschlag nahm der Bundestag mit großer Mehrheit einen „Gesetzentwurf zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ an, den eine fraktionsübergreifende Gruppe um die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock, und die Vorsitzende der Partei „Die Linke“, Katja Kipping, eingebracht hatte. Danach sollen alle Bürger in Zukunft automatisch über die Organspende informiert werden, etwa wenn sie den Hausarzt aufsuchen oder einen Personalausweis beantragen. Ihre Entscheidung soll dann in einem bundesweiten Online-Register eingetragen werden. Dafür stimmten 432 Abgeordnete.

Befürworter des Spahn-Entwurfs: Quälende Wartezeit für Patienten verkürzen
In der Debatte hatte sich unter anderen der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein (Neu-Ulm) für die Widerspruchslösung ausgesprochen. Es sei normal, dass jeder Mensch, der ein Spenderorgan zum Überleben brauche, auch eins bekommen wolle. Deswegen müsse auf der anderen Seite auch die Spendebereitschaft als Normalfall angesehen werden. Außerdem seien für den Widerspruch keine formalen Voraussetzungen vorgesehen. Es reiche aus, ihn formlos einem Angehörigen mitzuteilen.

Auch die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann (Bremen) stimmte für Spahns Gesetzentwurf. Zur Begründung erklärte sie gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, es gebe in Deutschland nach wie vor zu viele Menschen, die auf eine lebensrettende Organspende warten müssten. Durch eine Widerspruchsregelung könnte die quälende sein Wartezeit auf ein neues Organ für die Patienten verkürzt werden.

Gegner: Spende muss freiwillig
Dagegen sagte der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU, der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel Düren), in der Debatte, die Organspende sei ein Akt der Nächstenliebe, der nicht staatlich eingefordert werden könne, sondern freiwillig geschehen müsse. „Staatlichen Druck aufzubauen, widerspricht dem christlichen Bild des selbstbestimmten Menschen, der in Freiheit und in Verantwortung vor Gott und seinen Mitmenschen über sein Leben und seinen Körper Entscheidungen treffen kann.“

Der kirchen- und religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci (Wiesloch bei Heidelberg), erklärte gegenüber idea, der Schutz des Selbstbestimmungsrechts sei für das menschliche Zusammenleben von entscheidender Bedeutung. Schweigen bedeute auch auf anderen Feldern nicht einfach Zustimmung, etwa beim Datenschutz. Es sei nicht nachvollziehbar, von diesem Grundsatz ausgerechnet da abzuweichen, wo es um die Unversehrtheit des eigenen Körpers gehe.

Menschlicher Körper darf nicht zum Warenlager werden
Der CDU-Abgeordnete Volkmar Klein (Siegen) äußerte gegenüber idea, die Widerspruchslösung würde die Verfügbarkeit des menschlichen Körpers für die Gesellschaft zum Normalfall machen. Das sei „ein Stück Verstaatlichung des Menschen“. Das Ziel, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, lasse sich auch auf anderem Wege erreichen, etwa über den Abbau organisatorischer Hürden in Krankenhäusern.

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger (Ludwigsburg) sagte gegenüber idea, es sei ein besserer Weg zur Erhöhung der Spendenbereitschaft, die Bürger regelmäßig auf das Thema hinzuweisen, etwa beim Arztbesuch oder beim Abholen eines Personalausweises.

Gegen die Widerspruchslösung wandte sich auch die religionspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion „Die Linke“, Christine Buchholz (Frankfurt am Main). Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper schließe auch den Sterbeprozess und den Tod mit ein, erklärte sie zur Begründung gegenüber idea. Die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler (Steinfurt) sagte in der Debatte, durch die Widerspruchslösung entstehe die Gefahr, dass der menschliche Körper zum „Warenlager“ werde. Die Annahme, alle Menschen in Deutschland könnten ausreichend über die Folgen eines unterbliebenen Widerspruchs informiert werden, gehe an der Lebensrealität vorbei.

Weiterlesen unter:
http://www.idea.de/politik/detail/organspende-bundestag-lehnt-widerspruchsloesung-ab-111640.html

Twdore

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