Nicht jeder kann den Elefanten wieder verpacken
Wie können Juden und Araber in Frieden leben? Für den Friedensforscher Mohammed Darawshe ist das gemeinsame Hummus-Essen eine gute Strategie für den Anfang. Auch der Abbau von Sprachbarrieren fördere das Zusammenleben, sagt er im Israelnetz-Interview.
Mohammad Darawshe gilt als Experte des jüdisch-arabischen Zusammenlebens in Israel. Der israelische Araber hat einen Masterabschluss der Universität Haifa in Konflikt- und Friedensforschung und studierte im Bachelorstudiengang Englisch und Politikwissenschaft in Jerusalem. Erst kürzlich erhielt er eine Gastprofessur für arabisch-israelische Koexistenz an der Ludwig-Maximilian-Universität in München.
Israelnetz: Wo in Israel liegt Ihr Wohnort genau?
Mohammad Darawshe: Iksal ist ein kleines Dorf im Norden Israels. Es wurde bereits im Alten Testament im Buch Josua 19 erwähnt (lacht). Es ist also eine alte Stadt und meine Familie lebt dort seit rund 800 Jahren meine Kinder in der 28. Generation. Das Dorf Iksal liegt ungefähr zehn Autominuten von Nazareth entfernt. In Nazareth wurden auch meine Mutter und ich selbst geboren. Meine Familie ging dort zur Oberschule. Ich studierte später in Jerusalem und Haifa, baute mein Haus aber in Iksal.
Das klingt nach einem sehr landverbundenen Menschen. Sie sind darüber hinaus Direktor des Zentrums für Gleichheit und gesellschaftliches Miteinander bei Givat Haviva, das seit 1963 als jüdisch-arabisches Zentrum für Frieden dient und 2001 den UNESCO-Friedenspreis erhielt.
Stimmt, ich bin auch in erster Linie Direktor einer Nichtregierungsorganisation. Für unsere jüdisch-arabische Friedenserziehung nutzen wir verschiedene Strategien. Zum Beispiel bringen wir jüdische und arabische Kinder dazu, gemeinsam Hummus zu essen oder Musik zu hören. Dabei bemerken die Kids, dass sie dieselben Gerichte oder Sänger lieben oder dieselben Hobbys teilen.
Dann sprechen wir über ihre individuellen Konflikterfahrungen. Das schafft Verständnis und versöhnt miteinander. Die Krux ist, sehr sensibel vorzugehen. Jeder kann einen Elefanten auspacken, aber nicht jeder kann den Elefanten wieder verpacken! Wir wollen nicht, dass die Kinder hinterher denken: Das Treffen war okay, solange wir nicht über den Konflikt gesprochen haben. Ziel ist es, sich trotz aller Differenzen zu tolerieren. Das gelingt, wenn man sich auf gemeinsame Interessen konzentriert. Wir müssen bloß die Regeln schaffen, die das Miteinander lebbarer machen.
Spannend war auch Ihre Forschungstätigkeit an der Robert Bosch Academy in Berlin. Dort erforschten Sie den Umgang der Europäer mit sozialen Minderheiten.
Während meines Aufenthalts in Deutschland im Jahr 2016 untersuchte ich alteingesessene Minderheiten in Europa. Die Frage war: Was geschah in Italien mit der deutschsprachigen Minderheit, was in Deutschland mit den Dänen oder Sinti und Roma? Die Geschichte zeigt, dass sich Minderheiten in Europa, die bereits vor der eigentlichen Nationsbildung im Land lebten, kaum angepasst haben weder sprachlich noch kulturell.
Ganz im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten von Amerika, in denen der Erwerb der US-Staatsbürgerschaft jedem dort geborenen Kind automatisch ermöglicht wird. Dennoch verlangen unterrepräsentierte Volksgruppen häufig Kollektivrechte, die ihre Identität schützen. Viele Länder gewähren ihnen eine gewisse Autonomie, indem sie identitätsstiftende Regularien schaffen. Etwa in Flensburg, wo dänische Kindergärten und Altenheime entstanden sind. Dort können dänische Kinder und Senioren von alteingesessenen Familien in ihrer Herkunftssprache sprechen.
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http://www.israelnetz.com/gesellschaft-kultur/gesellschaft/2019/11/01/nicht-jeder-kann-den-elefanten-wieder-verpacken/
Twdore
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