[Constantia]

Immer wenn ich in dem Stadteil meiner Kindheit bin, erinnere ich mich noch gut, wo welches Geschäft war. Da war ein Bäcker, da die Räume eines Fotografen, ein Milchladen, ein Fischgeschäft. An einer anderen Ecke konnte man Schuhe kaufen. Die riesigen Regale mit den Schuhkartons werden mir ewig in Erinnerung bleiben. Ging meine Mutter einkaufen, ging sie “durchs Dorf”. Das Dorf gehörte zwar längst zur Stadt. Aber gewisse Strecken und damit die Geschäfte mussten anvisiert werden. Es hätte ja sein können, im DDR-Alltag gibt es etwas Besonderes.

Außer meinen Erinnerungen finde ich kaum etwas. Anders in einem anderen, gar nicht so weit entfernten Stadtteil. Als ich Kind war sind wir hin und wieder vorbeigefahren. Es war ein Geschäft , in dessen Schaufenster fast das ganze Jahr eine Puppe im Brautkleid stand. Nur in der Vorweihnachtszeit (da stand der Weihnachtsmann) und in der Faschingszeit gab es eine Ausnahme. Selbst wenn meine Mutter mit mir noch nicht über Weihnachten gesprochen hatte, wenn der Weihnachtsmann im Schaufenster stand, konnte es nicht mehr lange sein. Wer konnte sich ein solches Kleid wohl leisten? Es war immerhin eine Gegend, wo wohl (zumindest früher) die etwas gut Betuchten wohnten.

Kürzlich las ich in einem Artikel des “Elbhangkurier” einen Artikel über eben dieses Geschäft und stellte fest, ich irre mich und bin im Irrgarten der Zeit etwas durcheinander gekommen.

Elly Tille, geb. 1911, suchte nach dem Bombenangriff ohne ein Zuhause und schwanger eine Bleibe und fand sie in einem Haus in diesem Stadtteil. Seit 1944 war sie Schneidermeisterin, meldete 1945 ein Gewerbe an und eröffnete im gleichen Haus ein Geschäft.

Fingerfertigkeit, Ideen und Phantasie hatten sich schnell herumgesprochen. Meine Erinnerung geht auch von einem Kostümverleih aus. Bei Weihnachts- oder Engelskostüm, bei Faschingskostümen einzusehen. Aber bei Brautkleidern? Aber es scheint auch heute noch zu funktionieren.

Wie denn auch sei, 1987 übernahm der Sohn von Elly Tille das Geschäft. Ich weiß nicht, wieviele Brautmodengeschäfte es bis zur Wende in Dresden gab. Neben “Tille” kann ich mich nur am “Hochzeitsausstatter” im Stadtzentrum erinnern. Von dort stammte auch mein Kleid, auf das ich heute weiß Gott nicht stolz bin.

Inzwischen soll es wohl über 20 Geschäfte in Dresden geben. Bei der Summe so manchen Brautkleides wird mir schwindlig. Auch bei der Anzahl der Möglichkeiten (der Kleider, nicht der Männer).

Das kleine Geschäft gibt es immer noch. Inzwischen hat die Enkeltochter das Zepter in der Hand.

Kürzlich entdeckte ich auf dem Friedhof in meiner Nähe das Grab von Elly Tille, der Frau, die dafür sorgte, dass der Hochzeitstag in Sachen Kleidung, der Schönste wurde. Ich war sofort wieder in der Vergangenheit.

Constantia

[Robert13]

Aus dem Archiv eines befreundeten Schuhändlerkollegen habe ich dieses Foto aus dem Jahre 1932

[Constantia]

@Robert13 , vielen Dank für dieses Foto. Es erinnert mich an das Schuhgeschäft meiner Kindheit. Genauso sah es aus. Vielleicht etwas kleiner, aber die Schuhkartons bis zur Decke mit diesen hohen Lleitern. Deer Laden “Schuh-Barth” war die erste Adresse, wenn es um Fußbekleidung ging. In der Zeiten der Mangelwaren konnte es passieren, dass Frau Barth sagte “Moment mal, ich glaube ….” und verschwand in den Hinterraum und kam mit einem Karton wieder in den Laden. Sie wusste fast immer eine Lösung und wusste auch, worauf geachtet werden musste. Später gaben sie das Geschäft auf, es gab keine Erben und damit auch keinen Nachfolger. Später war ein Friseur eingezogen. Von der Fußpflege zur Kopfpflege.

Nochmals Danke und ein schönes Wochenende

Constantia – welcher darf es sein?