Ein Brunnen, sein Name und warum es ihn eigentlich gibt

  • Ein Brunnen, sein Name und warum es ihn eigentlich gibt

     seestern47 antwortete vor 3 Jahren, 9 Monate 3 Teilnehmer · 8 Beiträge
  • Constantia

    Organisator
    30. Juni 2020 um 11:04

    Brunnen hatten ja wohl ursprünglich eine ganz simple Bedeutung. Sie sollten die Menschen mit einigermaßen sauberen Wasser versorgen.

    Erst viel, viel später wurden sie zu Kunstwerken oder wie sie bei mir archiviert sind – Wasserspiele. Sie entstanden aber auch aus anderen Gründen.

    Ein gutes Beispiel dafür ist in Dresden der Cholera-Brunnen. Na klar, sagt der Besucher/die Besucherin. Da war eine Epidemie und an die vielen Opfer soll erinnert werden.

    Manchmal ist es aber ganz anders. Die Cholera wütete 1841/42 zwischen Oder und Unterelbe. Dresden war zwar bedroht, aber nicht betroffen.

    So hatte der Freiherr Eugen von Gutschmid die Idee aus Dankbarkeit einen Brunnen an diesen glücklichen Umstand zu erinnern. Er wandte sich an Gottfried Semper, einen geeigneten Standort zu finden, Genehmigungen zu erhalten. Nun erspar ich euch mal das fast endlose Hick-Hack – ihr kennt es sicher von dem einen oder anderen Objekt der Gegenwart.

    Oh Wunder noch im Jahre 1842 begann man mit dem Aufstellen eines Brunnens vor dem Wilsdruffer Tor. Bis 1944 dauerte der Bau, 1845 wurden die Wasserrohre verlegt. Es daueerte aber noch bis zum 15. Juli 1846 als der Stifter, immerhin Königlich Sächsischer Hauptmann Ludwig Alfred Clementin Eugen Freiherr von Giutschmid den Brunnen an den Oberbürgermeister Hübler übergeben konnte. Zunächst als “Gutschmidbrunnen” bekannt, setzte sich der Name “Cholera-Brunnen” immer mehr durch.

    Nimmt sich der Betrachter etwas Zeit erkennt er die Form eines gotischen Sakramentshauses und auch die erklärende Inschrift.

    Das Brunnenbassin hat einen achteckigen Grundriss mit 12 Ellen Durchmesser, 64 Fuß hoch ist die gotische Spitzsäule. Das ist insofern schon verwunderlich, da Gottfried Semper es wohl nicht so sehr mit der Gotik hatte, ja sie sogar ablehnte.

    Gottfried Semper fungierte als Architekt, der Entwurf stammt von Karl-Moritz Selig und ausgeführt hat ihn der Dresdner Bildhauer Franz Schwarz, auf 21 000 Mark sollen sich die Kosten belaufen.

    Soweit so gut denkt man. Pustekuchen (um auf andere Brunnen der Stadt Bezug zu nehmen). 1856 waren u. a. es durch starken Frost entstandene Schäden der Wasserleitungen, 1857 gab es mutwillige Zerstörungen, 1868 war es ein Sturm. Die Liste ist lang.

    Die städtebaulichen Veränderung und immer wieder auftretende Schäden schickte den Brunnen sozusagen “auf Wanderschaft” Mal stand der Brunnen der Pferdebahn im Weg. Man baute sogar ein Holzmodell, um zu sehen, wie der Brunnen an anderer Stelle wirkt.

    Am 16. April 1891 beschließen die Stadtverordneten einstimmig, den Brunnen einen Platz mitten auf dem Postplatz seinen Platz behalten soll. Genau dort, wo die “Käseglocke” (einst Wartehalle, heute die Möglichkeit für ein “Schälchen Heeßen” zu finden ist). Aber auch dort störte der Brunnen irgendwann. Genauer gesagt 1927 bekam er seinen heutigen Platz. Wie durch ein Wunder überlebte er die Zerstörung, zwar nicht ohne Schäden, aber immrhin .

    1966/67 wurde das Kunstwerk rekonstruiert durch die Absolventen der Dresdner Hochschule für Bildende Künste Wolfgang Kuhle und Wolf-Eike Kuntsche.

    Auch den Wiederaufbau des Taschenbergpalais überstand der Brunnen, geschützt durch ein Gerüst.

    Ist doch unglaublich, was so ein Brunnen alles erleben kann im Laufe der Jahre. Nun steht er immer noch zwischen Zwinger und Taschenbergpalais. Das Café unmittelbar daneben bietet einen guten Blick auf die Details und von der Balustrade des Zwingers ist er in voller Pracht zu sehen.

    Ein Dankeschön, welches die Jahre überdauert hat. Ab und zu sollte man sich daran erinnern. Besonders in den Tagen von Corona – finde ich.

    Der Ordnung halber sei noch erwähnt, ich habe eine kleine Broschüre aus dem Jahr 1996 von Eberhard Engel und Jochen Hänsch “Gottfried Semper’s Cholera-Brunnen in Dresden” zu Hilfe genommen. Frau kann einfach nicht alle Daten im Kopf haben.

    Constantia

    • Dieser Beitrag wurde am vor 3 Jahren, 9 Monate von  Constantia geändert.
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  • seestern47

    Teilnehmer
    30. Juni 2020 um 11:28

    @Constantia

    Du bist wirklich eine tolle Botschafterin für die Stadt Dresden. Und Du schreibst so schön. Vor kurzem gab es wieder eine Folge des Museums-Check. Kennst Du die Sendung?

    Diesmal wurde die Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden vorgestellt. So schön Heart Eyes

    Schau mal hier:

    https://www.3sat.de/kultur/museums-check/museums-check-2020-brock-ingo-schulze-dresden-100.html

    • Dieser Beitrag wurde vor 3 Jahren, 9 Monate von  seestern47 bearbeitet.
  • Mondin

    Teilnehmer
    30. Juni 2020 um 11:29

    Danke, Constatia für diese schöne Beschreibung. Mit deinen Beiträgen zur Hand braucht man fast keinen Reiseführer!Wink Hast Du sie eigentlich irgendwo gesammelt? Das wäre schön!

    Übrigens: frau muss auch nicht alles im Kopf haben, besonders dann nciht, wenn sie weiß, wo es zu finden ist.

    Mondin

  • Constantia

    Organisator
    30. Juni 2020 um 11:38

    Ja, den Museum-Check sehe ich sehr gern. Den Besuch in der Gemäldegalerie habe ich noch nicht gesehen. Ich erinnere mich nur, dass er auch im Militärhistorischen Museum war. Eine spannende Geschichte, denn ich kenne viele, die aus Prinzip das Museum nicht besuchen.

    Ich hatte nach der Eröffnung mir eine Führung gegönnt und fand es sehr spannend. Der Grund waren allerdings Kindheitserinnerung an Weihnachtsausstellungen in diesen Räumen. Ich war also auf der Suche nach Bekanntem sozusagen.

    Danke für den Link, werde ich mir möglichst schnell ansehen.

    Constantia

  • Constantia

    Organisator
    1. Juli 2020 um 8:19

    @seestern47

    Inzwischen habe ich mich mit dem Link “Museums-Check” verwöhnt. Da haben die “Macher” die wenigen Tage aber genutzt, die die Gemäldegalerie offen war. Ich war auch sehr glücklich, die wenigen Tage zwischen Eröffnung und Corona-Schließung meinen Schweinehund überredet zu haben. Die Touristen blieben schon weg und so konnte man das Haus sowas von genießen.

    Ingo Schulz als Begleiter war auch eine gute Idee. Das kurz erwähnte und gezeigte Buch “Die rechtschaffenden Mörder” habe ich als Lesung auf mdr-kultur kennenlernen dürfen. Eine bekannte Gegend in der der Autor das Buch angesiedelt hat. Für mich war alles sehr nah. Aber ich schweife ab.

    Allen, die hier lesen einen schönen Mittwoch. Und nicht zu vergessen, ein Danke für die lobenden Worte von euch beiden.Blush

    Constantia

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  • seestern47

    Teilnehmer
    1. Juli 2020 um 11:14

    @Constantia

    War die Sendung nicht klasse?! Ich habe übrigens noch nie etwas von Ingo Schulz gelesen. Lesenswert? Ich fand ihn zumindest sympathisch.

    Übrigens bin ich gerade wieder mit meinem geliebten Victor Klemperer verbunden, der ja auch eng mit Dresden verbunden ist…

    LG Tulip

  • Constantia

    Organisator
    1. Juli 2020 um 14:48

    Ich kenne nur dieses eine Buch und bin ganz sicher durch die Nähe des Handlungsortes nicht objektiv Grinning. Ich fand es gut. Jeden Morgen eine halbe Stunde Lesezeit im Radio.

    Was liest Du gerade über/von Klemperer? Ich habe viel Zeit mit ihm verbracht. Bin seine Wohnorte hier in Dresden abgelaufen, habe fotografiert. Die Tagebücher haben jede Menge Merkzettel.

    Ich hatte die Tagebücher meiner Mutter geschenkt und sie hat mir vieles aus diesen Büchern bestätigt und weiteres erzählt. Auch die Tagebücher vor 1933 und nach 1945 sind interessant.

    So, ehe ich mich hier mal wieder verplaudere …Rofl.

    Ich habe die letzten Tage mit Preußens Königinnen verbracht. Heute morgen habe ich ein Buch über Eva Lessing begonnen. Ja, ich rede von der Ehefrau Gotthold Ephraim Lessing. “Ich küsse Sie tausendmal …” von Petra Oelker.

    Bin schon weg … BooksBooksBooks

    Constantia

    • Dieser Beitrag wurde vor 3 Jahren, 9 Monate von  Constantia bearbeitet.
  • seestern47

    Teilnehmer
    2. Juli 2020 um 9:49

    Wie schön, dass Dir der Museums-Check auch gefallen hat. Im Moment ist mir nicht nach verreisen, aber nach der Sendung wäre ich am liebsten sofort nach Dresden gefahren. Ich war vor 12 Jahren zu letzt dort. Die Stadt hat sich sicher noch weiter entwickelt.

    Ich glaube, ich recherchiere mal ein bisschen Ingo Schulz – vielleicht eine neue literarische Entdeckung 😉

    Ja, Klemperer. Jetzt lese ich den ersten Teil seiner Autobiografie:

    Curriculum vitae – Erinnerungen 1881-1918

    Ich habe den 2. Band zuerst gelesen. hast Du auch die Verfilmung gesehen?

    LG

    Seestern47

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