Weihnachten 1970

  • Weihnachten 1970

     Roeschen antwortete vor 4 Jahren, 4 Monate 4 Teilnehmer · 4 Beiträge
  • Mondin

    Teilnehmer
    8. Dezember 2019 um 15:23

    Weihnachten 1970

    Nach 18 Monaten in Diourbel/Senegal endlich drei Monate Heimaturlaub!
    Das heißt: neue Brille, allerlei Arztbesuche;
    das heißt: Berichterstattung an den Arbeitgeber, Verhandlungen über neue Verträge oder Vertragsverlängerungen in Frankfurt;
    das heißt, Kontakte pflegen mit Familie und Freunden, die man seit 18 Monaten nicht mehr gesehen hat und die zum Teil noch schreibfauler waren als ich, die ich darauf angewiesen war. Und wenn dann noch die Mutter einen kleinen Unfall hatte, kann von Erholung keine Rede sein.

    Den Urlaub verschaffte ich mir, indem ich auf einem Frachtschiff zurück fuhr nach Dakar. Ein Kubikmeter freie Fracht waren verlockend. Ich ließ mir eine Kiste zimmern, packte meine neuen Autoreifen hinein und forderte Freunde, Nachbarn und Familie auf, die Kiste mit Kleidung zu füllen.

    Als meine Fracht nach Bremen unterwegs war, bat man mich, erst in Rotterdam zuzusteigen, damit Angehörige der Crew noch ein paar Tage mehr mit den Liebsten hätten, die über Weihnachten auf See sein würden.

    Das Schiff war für Passagiere nicht ausgerüstet und meine Kabine war das Hospital. Als solches nutzte ich es auch, denn ich war fürchterlich seekrank! Die Tabletten, die dagegen halfen, machten müde und schläfrig. So verbrachte ich viel Zeit auf der Brücke, auf dem Hocker hinter dem Radargerät, meine Arme darum geschlungen und den Blick auf den Horizont geheftet, was ein wenig half.

    Einen Streik der Hafenarbeiter in Rouen nutzte ich für einen Ausflug nach Le Havre, wo ich schon zweimal in den Schulferien als Babysitter war und besuchte die alte Dame, deren Enkel ich dort gehütet hatte.

    Es waren mehrere Frauen an Bord: Die Schwester des Kapitäns, die Frau des Funkers, eine Frau aus den Niederlanden, die mit ihrem Mann in Lambarene arbeiten wollte und ich.
    Die Schwester des Kapitäns und ich vertrieben uns die Zeit damit, die Weihnachtsfeier an Bord vorzubereiten. Schwarz-weiß konnten wir vervielfältigen, die Bilder auf den Einladungen und Visitenkarten malten wir aus. Als Lohn bekam ich einen der Weihnachtsbäume mit Wurzelballen, die auf Deck standen. In Bordeaux kaufte ich den Schmuck und die Kugeln dazu.

    In Dakar wurde ich drei Tage vor dem Fest samt Weihnachtsbaum und Frachtkiste abgeholt. Die Kiste blieb verschlossen und weckte Neugier und Begehrlichkeit. Am 24.12. wurde sie geöffnet und alle Angestellten bei den Deutschen durften sich etwas aussuchen bis sie nur noch meine Autoreifen enthielt.

    Der Weihnachtsbaum wurde im Haus des Technikers aufgestellt. Er war der einzige an unserem Projekt mit kleinem Kind und wir waren alle am 25.12. dort eingeladen. Ich hatte Rufbereitschaft und musste mehrmals ins Krankenhaus und so verliefen die Weihnachtstage recht unspektakulär.

    Den Weihnachtbaum wollte mein Hausdiener unbedingt einpflanzen. Ich ließ ihn gewähren, aber in dem nur mit etwas Pferdemist angereicherten Sand hatte er trotz sorgfältiger Pflege keine Chance.

    Wir verbrannten ihn bei einem Lagerfeuer!

  • Constantia

    Teilnehmer
    8. Dezember 2019 um 16:53

    Da sag noch einer, jedes Jahr dasselbe 🙂 . Eine schöne Geschichte.

    Advent und Weihnachten können schon abenteuerlich sein.

    Ich lass ein paar Adventsgrüße hier. Die Kekse sind immer so schnell weg 🙂 .

    Constantia

  • Roeschen

    Teilnehmer
    8. Dezember 2019 um 18:48

    Danke Mondin, für deinen ausführlichen Bericht,
    über dein erlebtes, abenteuerliches Weihnachten
    im Jahre 1970. Sehr schön alles beschrieben, infolge
    vieler Lebensjahre gibt es immer Erlebnisse oder
    besondere, unerwartete Geschehnisse, welche man
    nie vergißt, und sich gerne daran erinnert.
    Wünsche dir weiterhin eine entspannte Adventszeit.

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