Salzburger Reminiszenzen

  • Salzburger Reminiszenzen

     happyday antwortete vor 1 Jahr, 3 Monate 2 Teilnehmer · 2 Beiträge
  • Suffade

    Teilnehmer
    9. Januar 2023 um 16:44

    Heute hatte ich beim Schreiben die entsetzliche Vorstellung, dass die Leser meinen Intentionen nicht folgen könnten. Stehe ich doch selber machtlos den Erlebnissen vergangener Zeiten gegenüber. Dunkel vor aller Welt, lange dunkel vor mir selber, sind sie plötzlich da! Kennen das die Leser auch von sich selbst? Haben sie ähnliche Flashbacks? Wenn ja: Willkommen im Club.

    Noch eine Bemerkung: Ich verstehe meine Storys als geschriebene Briefe an Unbekannt. Briefe, von denen nur der Absender bekannt ist, nicht der Empfänger. Je wunderbarer ich mir meine Leser denke, umso besser die Briefe. Mit anderen Worten: ich bemühe mich, so gut wie möglich zu schreiben.

    Zurück zum Anfang. Ich schreibe Geschichten die ich selbst erlebt habe und bemühe mich, authentische Bilder zu erzeugen. Heute geht’s um Glück und Dilemma. Die Episode liegt lange zurück. Ich war damals obdachlos und dem Trunke ergeben. An jedem Tag begann das Leben neu. Für diesen besagten Tag hatte ich die Devise ausgegeben: Es braucht wenig, um glücklich zu sein. Man muss nur daran glauben.

    In aufrechter Haltung, gesenkten Hauptes und möglichst unauffällig ging ich einst durch die Straßen Salzburgs, zögernd, oft auf meine Schritte zurückkommend, immer wieder mit der Schuhspitze ein kleines Ding schiebend oder drehend, ein Stück Blech, einen Fetzen Papier. Unsicher, bald nach links, bald nach rechts ging ich in mancherlei Richtungen, ohne erkennbares Ziel. Ich suchte etwas. Ja, etwas zu finden habe ich in meine Gedanken gesetzt, es brannte in mir, zehrte an mir: Jederzeit verloren viele Menschen etwas, fanden viele etwas – warum sollte gerade ich nichts finden? Verlangte ich zu viel?

    Erwartete ich etwa Gegenstände großen Werts, eine pralle Geldtasche? Nein. Und doch: einen kleinen Seitenblick, einen verborgenen, warf ich in Abfallkörbe. Mit meinen wirren Geistern hatte ich mich geeinigt, dass es vielleicht ein Geldstück sei. Soviel nur forderte ich vom Schicksal; ich wollte nicht maßlos sein. Gerade so viel wie nötig. Ich fühlte mich nicht als der Allerärmste, das harte Dasein nahm ich hin, weil ich wusste, dass es selbst verschuldet war; aber arm war ich doch.

    Ein Papier, zunächst nur grau-schwarz-grün, einem Zeitungsausschnitt ähnlich, blitzte durch das Gitter des Abfallkorbes. Ich hielt den Atem an, traute der Szenerie noch immer nicht. Ein verstohlener Rundumblick gestattete mir ein Aufatmen – ich griff hinein ins Glück. One Dollar! United States of America. Die Banknote war echt. Der Wechselkurs: knapp zwanzig Schilling. Ich war mir sicher, das war ein Gruß von oben, ein Zeichen vom Schicksal, ein Zeichen, dass es gelungen war, die rätselhaften Mächte günstig zu stimmen … Und sogleich befand ich mich in einem Dilemma: Was kaufe ich mit dem Geld? Ich hatte die Qual der Wahl: Entweder Zigaretten für den Tag oder ein Imbiss für den Moment. Ich entschied mich für die Stammkneipe. Der Dollar machte sich gut am Tresen, gleich neben dem Zapfhahn fürs Bier.

    ©photo: Stallone-alvez.unsplash.jpg

  • happyday

    Teilnehmer
    9. Januar 2023 um 19:24

    @Suffade

    Wie immer, kann ich nur für mich schreiben. Ganz ehrlich ? Ich freue mich sehr, dass du hier wieder aktiv bist. Und JA, ich kann dir folgen, sehr gut sogar …Da ich mich gut daran erinnere, was du vor einiger Zeit von dir mitgeteilt hattest, kann ich deinen Worten besonders gut folgen.

    Selbst habe ich keine mich beunruhigenden Flashbacks.- ABER, noch immer unterstütze ich einige Frauen, die davon völlig aus der Wirklichkeit geworfen werden bis hin zur völligen Orientierungslosigkeit. – Vor einigen Jahren habe ich mich entschlossen, ein Zusatzstudium SE ( Somatic Eperiencing ) zu absolvieren. Abgesehen davon, dass ich mir das finanziell kaum leisten konnte, habe ich es keinen Tag bereut.

    Ziemlich schnell habe ich gespürt, was ich da alles ( kennen ) lerne, hat zunächst mit mir, meinem eigenen Leben und meiner Herkunftfamilie zu tun. – Meine eigentliche Idee war, mit von Angst verfolgten Patienten besser umgehen zu können. Und plötzlich war ich mitten drin in meinem Leben. Autsch ! Thinking Aufgeben war für mich keine Option, sondern hinschauen, hinter die “Vorhänge” blicken, bis es keinen Vorhang mehr gibt, der etwas verbirgt .

    Danke, Suffade, für deine Reminiszenzen sagt

    happyday

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 3 Monate von  happyday bearbeitet.
Beiträge 1 - 2 von 2

Sie müssen angemeldet sein, um zu antworten.

Hauptbeitrag
0 von 0 Beiträge June 2018
Jetzt

Verstoß melden

Schließen