Ein Gedenktag

  • Ein Gedenktag

     happyday antwortete vor 1 Jahr, 9 Monate 3 Teilnehmer · 3 Beiträge
  • Maryrose40

    Teilnehmer
    1. Juli 2022 um 22:49

    Guten Abend liebe Leser M/F

    heute ist der 111. Geburtstag meiner Mutter, die in 1991 ein paar Monate vor ihrem 80. Geburtstag starb. Damals waren wir (meine Kinder und ich) wohl traurig aber auch erleichtert. Sie lebte im Pflegeheim, mit Medikamenten die ihren Vervolgungswahn dämpften, aber auch ihren Lebenswillen. Jetzt, wo ich schon ein bißchen älter bin als sie je wurde, denke ich mit liebevoller Nachsicht an alle Probleme die wir hatten, an all ihre guten Pläne, mir Mutter und Vater zu sein, liebevoll zu sein und streng, daß sie in ihren eigenen Schwierigkeiten versunken war und dann wieder interessiert und aufgedreht – ich konnte mit soviel verschiedenen Gefühlen nicht gut umgehen und wußte als zehnjärige schon nach 2 Wochen bei ihr, daß ich meine Probleme soviel wie möglich vor ihr verbergen wollte und mußte. Nach zwei Jahren war ich zurück bei Oma und meine Welt wieder in Ordnung. Es blieb so, auch als ich erwachsen war, als wir alle in einem Haus wohnten, als ich heiratete und Kinder hatte. Wir zogen weit weg nachdem Oma gestorben und ihr mildernder Einfluß nicht mehr half, nach Holland, aber ich fühlte mich immer verantwortlich für ihr Wohlergehen. Erst Jahre nach ihrem Tod träumte ich öfter, daß ich ihr sagen konnte, es war nicht ehrlich wie sie mich behandelte…

    Auch das ist schon so lange her, daß ich jetzt positiv und liebevoll an sie zurückdenken kann. Das wollte ich gerne mit euch teilen!

  • Carl75

    Teilnehmer
    18. Juli 2022 um 0:23

    Ist es Nachsicht oder eine Art der Altersweisheit wenn wir versuchen unsere Mütter und / oder Väter, die schon verstorben sind zu verstehen. Da ist manchmal vieles, was damals nicht gesagt wurde. Nicht gesagt, weil man Frieden wollte und Angst hatte, dass die Worte, die man gerne gesagt hätte, den momentanen Frieden stören könnten. Ich kann das sehr gut nachvollziehen.

    Gruß Carl75

  • happyday

    Teilnehmer
    19. Juli 2022 um 19:46

    @Maryrose40

    Dieser Satz von dir …es war nicht ehrlich wie sie mich behandelte…” hat mich sehr berührt, liebe Maryrose.Ähnliches habe ich erlebt und ich dachte damals genau das immer wieder, wie ungerecht es ist, wenn ich wegen meiner kleinen Schwester Schläge erhielt.

    Als meine Mutter unerwartet starb war das für meine Schwester, meinen Vater und mich ein großes Unglück. Meine Mutter war gerade 50 Jahre alt, meine Schwester erst 15 Jahre, ich gerade 21 Jahre und unser Vater war sehr krank. Mein Leben wurde von hier auf jetzt auf den Kopf gestellt, außerdem war ich zum Zeitpunkt ihres Todes mitten in den wichtigsten Prüfungen für Mediziner, im Physikum…

    Fast 40 Jahre später erlebt ich bei einem der Teilnehmer des Trauma-Studiums genau das, was ich wieder und wieder erlebt und worüber ich nie gesprochen habe. – Er als Klient erzählte, dass er oft von seinem Vater geschlagen wurde wegen seines kleinen Bruders . Wie er es erzählte, zutiefst verletzt wieder in der Rolle des älteren Bruders, ließ meine Tränen nur so aus mir heraus laufen. Es dauerte einen Moment bis ich es selbst merkte, dass ich weinte, weil ich mich plötzlich nicht mehr allein fühlte mit dieser Ungerechtigkeit. –

    Im Rahmen der Trauma-Ausbildung verstand ich dann auch die tiefe Hilflosigkeit und Angst meiner Mutter, und ich konnte ihr endlich verzeihen. VG happyday

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