Der etwas andere Osterhase oder Bilby comes back

  • Der etwas andere Osterhase oder Bilby comes back

     Driftwood antwortete vor 3 Jahren 4 Teilnehmer · 7 Beiträge
  • Driftwood

    Teilnehmer
    13. April 2021 um 13:46

    Wer weiß es nicht – in Australien gibt es die meisten giftigen Tiere. Dabei sind es nicht die großen Gattungen, welche recht oft bei direktem Kontakt auch tödlich enden können. Es sind die eher kleinen und zu übersehenen Tierchen, welchen wir ausgesetzt sind, nachdem der Immigration Officer bei der Einreise den Stempel in den Pass knallt und uns ein “Welcome to Australia and enjoy your trip” zuwirft. Manchmal hatte ich schon den Gedanken, er weiß nicht nur um die Gefahren, sondern auch darum, dass ich ein “Greenhorn” im Bezug auf Gefahren bin. Dabei bin ich weder leichtsinnig noch treibt mich blinder Adventurewahn ins Outback. Die Tatsache, dass ich nach gut 10 Reisen auf und durch den Roten Kontinent noch recht gut am Leben bin, zeugt davon.

    Also, ja – da lauern schon ein paar Kreaturen im Sand, auf Bäumen und in Sträuchern oder in den warmen Fluten. Selbst in den Häusern und Gärten, wie gerade jetzt besonders in und um Sydney. Die starken Regenfälle sorgen für Flucht – Flucht der Kleinsten in unsere Nähe. Ganz natürlich, oder? Und so findet man dieser Tage öfter als sonst die Trichternetzspinne in Haus und Hof. Es gibt aber ein sehr wirksames Gegengift – schon seit Jahren. Beruhigend, oder? Wer Lust und Zeit hat, kann sie auch – nunja, einladen und der nächsten Ranger Station zuführen. Von dort hat sie dann lange zu laufen, – bis nach Hause.

    Nun fragt ihr euch sicherlich; was hat dieses achtbeinige Wunderwerk der Natur mit unserem Bilby zu tun? Gar nichts! Ich wollte euch nur auf Australien einstimmen.

    Es geht mir um den Kaninchennasenbeutler.

    Kein Aprilscherz: In Australien hoppelt ein kleines Beuteltier dem Osterhasen den Rang ab: der Kaninchennasenbeutler. Das possierliche Beuteltier, Bilby von den Aussies genannt, bietet einfach alles: Lange Hasenohren, süße Knopfaugen, Schnurrhaare, graues Fell und natürlich: es hoppelt!

    Die Hasen und Kaninchen haben in Australien kein besonders gutes Standing. Denn die Mitte des 19. Jahrhunderts aus Europa eingeschleppten Tiere wurden zu echten Schädlingen. Sie fraßen viele Weiden und Felder auf dem Kontinent kahl. Und noch schlimmer: Diese vermehrungsfreudigen Tiere verdrängten das australische Bilby. Da der kleine Kerl vom Aussterben bedroht ist, soll er in seiner Heimat tatsächlich den Osterhasen ersetzen.

    Die australische Regierung hat den Bestand des Kaninchennasenbeutlers als gefährdet eingestuft. Also noch ein Tier, welches wir im Begriff sind, von der Erdoberfläche zu radieren. Weil, nunja, weil wir uns zur “Korne der Schöpfung” gekürt haben und somit das Zepter schwingen. Um auf die schwierige Situation des Bilbys und die landwirtschaftlichen Millionenschäden durch Hasen und Kaninchen aufmerksam zu machen, wurde 1991 die Legende des Osterbilbys ins Leben gerufen. Diese geniale Idee basiert auf einem beliebten australischen Buch der Schriftstellerin Rose-Marie Dusting von 1979 (“Billy the Easter Bilby”). So begannen Supermärkte damit, Schokoladen-Bilbys rund um Ostern zu verkaufen. Ein Teil der Erlöse wurde und wird zum Schutz der Tiere verwendet – nachweislich! Und noch einen Vorteil hat das Osterbilby gegenüber dem Hasen: einen Beutel. Ideal für den Ostereier-Transport, nicht wahr? Ein weiteres Merkmal des Kaninchennasenbeutlers ist neben seinen riesigen Löffeln und dem Beutel auch die langgezogene Schnauze. Das Tier erreicht eine Kopfrumpflänge von etwa 20 bis 55 Zentimetern, der Schwanz misst 12 bis 29 Zentimeter (was für eine Proportion). Der Kleine Kaninchennasenbeutler wog nur 400 Gramm, der Große Kaninchennasenbeutler bringt bis zu 2,5 Kilogramm auf die Waage. Warum wog? In geringem Maße waren die Kaninchennasenbeutler auch schon vor der europäischen Besiedlung gefährdet. Die australischen Ureinwohner schätzten ihr Fleisch als Leckerbissen und ihr Pinselschwanz diente als Schmuck. Doch sie jagten erstens nicht nur ihn sondern viel (Fleisch)-ergiebigere Tiere und auch nur in einem gewissen Umfang, lebten sie doch in einer intakten Umwelt. Mit der Ankunft der Europäer haben sich die Bedrohungen verstärkt, natürlich, denn wer sonst als der weltenorientierte Europäer hätte soweit paddeln können. Dass es andere Völker waren, die es schon viel früher schafften den riesigen und weiten Fluten zu trotzen, spielt eigentlich kaum eine Rolle. Anfang des 20. Jahrhunderts setzte bei beiden Arten, den großen und den kleinen Beutlern ein dramatischer Rückgang der Populationen ein. Die Gründe dafür lagen in der Bejagung wegen ihres seidigen Fells, in der Nachstellung durch eingeschleppte Rotfüchse und Hauskatzen, in der Verdrängung durch die ebenfalls eingeschleppten Wildkaninchen und in der Zerstörung ihres Lebensraums durch Umwandlung in Viehweiden oder andere landwirtschaftlich genutzte Flächen. Platz war ja scheinbar unendlich vorhanden. Was übrigens auch heute noch eine irrige Annahme ist.

    Der Große Kaninchenbeutler ist in abgelegene, dünn besiedelte Regionen zurückgedrängt worden, oder hat sich selbst dafür entschieden und ist „gefährdet“, wie man mit berufenem Munde festgestellt hat. Wem das jedoch schon vorher bekannt war, der kann sich wahrlich als Insider betrachten. Es laufen allerdings Nachzucht- und Wiederaussiedlungsprogramme.

    Der Kleine Kaninchennasenbeutler war bei weitem nicht so clever wie sein großer Verwandter und hat es nicht geschafft, leider. Er gilt als ausgestorben. Die letzte Sichtung erfolgte 1931, in abgelegenen Regionen könnte er sich bis in die 1960er-Jahre gehalten haben. Da, wo der moderne Mensch noch nicht hin konnte oder wollte. Trotz ihrer geringen Größe können Bilbys mehrere Löcher an einem Tag graben. Damit lüften sie den Boden und tun etwas für das Ökosystem. Von diesen Bauten profitieren aber auch andere Tiere. Vögel, Reptilien und Säugetiere suchen hier nach Nahrung und Schutz. Schätzungen ergaben, dass nur noch rund 600 bis 700 Bilbys in Australien frei existieren. Wohlgemerkt, es sind Schätzungen. Doch wie oft haben wir uns schon verschätzt?

    “There is hope” denken sich die Australier, zumindest ein paar ambitionierte von ihnen und haben ein Projekt ins Leben gerufen.

    Die Charleville Bilby Experience möchte diese verbleibende Art schützen und bis zum Jahr 2030 wieder rund 10.000 Bilbys in freier Natur ansiedeln, vorzugsweise im Currawinya Nationalpark, der durch Zäune geschützt ist. Wahrscheinlich wüssen wir die Natur tatsächlich einzäunen, um sie zu schützen. Es fragt sich nur: vor wen? Zuletzt wurden aber große Fortschritte in der Züchtung und Erforschung dieser Art gemacht. Aktuell hält das Sanctuary mehr als 100 Tiere inklusive rund 50 neugeborener Joeys (Joeys nennen die Aussies ihre Tier- und manchmal auch Menschenkinder).

    Diese ganz besondere und weltweit einzigartige Einrichtung können Queensland-Urlauber zwischen April und Oktober hautnah erleben. Das Outback-Städtchen Charleville ist eine Stadt im Bezirk Murweh Shire, im australischen Bundesstaat Queensland. Sie befindet sich im Südwesten von Queensland, 758 km westlich von Brisbane, der Hauptstadt des Bundesstaates. Also, nach australischen Maßstäben – um die Ecke, sozusagen. Und, Charleville liegt an den Ufern des Warrego River, an dem der Warrego Highway endet. Gut 3000 Einwohner zählt diese Stadt, wahrlich viel für australische Verhältnisse.

    https://savethebilbyfund.com/charleville-bilby-experience/

    Und wie es sich so bei einer geschlossenen Geschichte gehört, folgt nun die letzte Ecke, um sie komplett zu machen.

    Die Sonne meinte es wieder einmal sehr gut, an diesem Tage, an der Nordost Seite Tasmaniens in Australien. Ich ließ meine Frau an einer traumhaften Bucht zurück. Der fast weiße Sand, die glitzernden Wellen und der blanke Himmel sind traumhaft – aber nichts auf Dauer für mich. Deshalb nahm ich meinen Hut, stieg in den Off-roader und verließ diesen Strand in Richtung Bush. Wir haben uns in den Jahren gemeinsamen Lebens auf diese, manchmal nur, getrennten kleinen Zeiträume eingestellt und können beide gut damit umgehen. Ich machte mich sozusagen „aus dem Staub“. Doch das ist in Australien eher unmöglich – aus verständlichen Gründen. Im Rückspiegel verlor sich die Silouette der Bucht in rotem Nebel aus Staub. Gerade noch rechzeitig konnte ich den Wagen auf einen Seitenstreifen lenken und kam zu Halten. Ich stand ziemlich schief, da das Gelände recht abschüssig war. Es wäre, folgt man den Grundlagen des Fahrens im Outback nicht soweit gekommen, wenn ich gerade auf dem Pfad geblieben wäre. Schon öfter haben Fahrer bei einem solchen Manöver die Kontrolle verloren, kamen aus der Spur der Sandpiste und gerieten ernsthaft ins Schleudern bis zum Kippen des Gefährts. Abgesehen vom Schaden für Karosse und möglicherweise Fahrer, wäre es im schlimmsten Falle eine Sache auf Leben und Tod. Denn Hilfe ist in entlegenden Teilen dieses Kontinents eher kaum zu Erwarten. Warum tat ich es also? Vor mir lag scheinbar unbeweglich ein dicker „Ast“. Im letzten Moment erkannte ich ihn als Schlange, etwa 120cm lang. Die Oberseite braun wie ein Ast bewegte sie sich vorerst nicht und schaute nur gelangweit weg. Es war eine Lowlands Chopperhead; eigentlich sehr scheu doch recht giftig. Beim Näherkommen nahm sie wohl die Vibration oder den Geruch war. Jedenfalls verzog sie sich dann doch recht schnell ins Gebüsch, noch bevor ich meine Kamera „schussbereit“ hatte.

    „Na, das fängt ja gut an“, dachte ich und hoffte auf Mehr. Etliche Kilometer später stellte ich den Wagen ab und begann meinen Bushwalk und fühlte mich wie, nunja, ein Ranger, welcher seiner Arbeit nachgeht und mal im Wald nach dem rechten sieht. Ich trug kurze Hosen, ein luftiges Hemd, knöchelhohe geschlossene Schuhe und einen Hut, alles in den beliebten Farben von braun bis grau.

    Lange laufen mußte ich nicht. Irgendetwas regte sich im trockenen Bush rechts neben dem Pfad. Neugier und bedingte Vorsicht ließen mich verharren. Ich konnte nicht erkennen, was es war und entschied, mich hier auf einem alten Baumstumpf niederzulassen. Ich wurde zum Baum, mit einem Unterschied: Bäume schwitzen anders. Freilich prüfte ich vorher die nähere Umgebung. Auf einen Small Talk mit einer Braunschlange, Rotrücken Spinne oder Bulldoggen Ameise hatte ich gerade keine Lust, weil – auch recht giftig. Die Minuten vergingen, das Rascheln kam näher und……

    Soll ich weiter schreiben?

    Dann hopste etwas über den Pfad. Da sich weder Schlangen oder Goulds Warane so bewegen, auch Koalas und Kurzschnabeligel nicht unbedingt, war es scheinbar ein Beuteltier. Dann schauten mich zwei riesige dunkle Knopfaugen an. Ein Quokka hatte mich im Visier und schien sich zu fragen, ob dieser Baum echt ist.

    Es ist per Definition ein Kurzschwanzkänguru, etwas 50 bis 60 cm groß und wiegt kaum mehr als ein kleiner Sack Kartoffeln. Die auffallend abgerundeten, abstehenden Ohren und der gedrungene Körper machten diesen kleinen Kern zu einem Liebling auf den ersten Blick. Und auch er gilt als eine bedrohte Art. Kaum zu glauben, doch die Nachstellung durch eingeschleppte Füchse und Katzen, die Zerstörung ihres Lebensraums sowie die Nahrungs- und Lebensraumkonkurrenz durch die ebenfalls eingeschleppten Wildschweine haben ihre Anzahl drastisch reduziert.

    So saßen wir eine Weile und zwinkerten uns zu. Manchmal möchte man einfach die Zeit anhalten.

    Dann entließ ich meinen Apfel aus dem Rucksack und ließ ihn mir schmecken. Den guten Rest teilte ich mit dem Quokka und hatte noch einmal das Glück, ihn ausgiebig zu beobachten.

    Als ich später an den Strand zurückkehrte, erzählte ich meiner Frau von dem Abenteuer und sagte:“Schatz, ich habe dir etwas kleines mitgebracht. Es ist ein Quokka“. Ich öffnete meine Rucksack und zeigte ihn – auf dem Display meiner Kamera.

    Als der Tag sich neigte und ich unser Nachtquartier im Nationalpark einrichtete, bekamen wir Besuch – unangemeldet aber nicht unerwünscht. Es erhob sich lediglich nur eine Frage: Wer sollte später im Klappstuhl den Nachthimmel genießen können?

    P.s. Die Aufnahmen stammen von mir und wurden auf Tasmanien aufgenommen

  • happyday

    Teilnehmer
    13. April 2021 um 13:56

    Wow, @Driftwood , was für ein Erlebnis…Du hast es wunderbar spannend und anschaulich beschrieben, wer oder was dir so alles begegnet ist. Sweat Smile Tolle Fotos machen deinen Bericht auch optisch anschaulich. Danke sagt happyday…

  • Driftwood

    Teilnehmer
    13. April 2021 um 14:10

    Und ich danke dir für deine netten Worte, happyday.

  • Webra

    Teilnehmer
    13. April 2021 um 14:55

    Hallo Driftwood,

    dein Beitrag ist sehr interessant und unterhaltsam geschrieben. Besonders gefallen mir die kleinen

    “humorvollen Einlagen”. Laughing

  • Driftwood

    Teilnehmer
    13. April 2021 um 16:06

    Vielen Dank für deine netten Worte, Webra. Du findest noch ein paar weitere Geschichten von mir in dieser Gruppe der Schreiberlinge, sofern du Interesse hast. VG Driftwood

  • Piccoloechen

    Teilnehmer
    13. April 2021 um 23:46

    Deine erlebten Abenteuer im australischen “Busch” und Drumherum, mit den erforderlichen Hintergrundinformationen samt Bebilderung, gefallen mir ausnahmslos im Sprachgebrauch, in der Farblichkeit sowie in der von dir gewählten Form, ja…, sie begeistern mich geradezu.

    Dankeschon, lieber @Driftwood , du bereicherst damit dieses Forum und ich hoffe, hier weiter von dir lesen zu dürfen.

    Guten Abend und LG von Picco

  • Driftwood

    Teilnehmer
    15. April 2021 um 12:52

    @Piccoloechen Lieben Dank für deine so netten Worte, Picco. Sie geben mir tatsächlich den “Boost”, um hier in diesem Forum noch weitere Dinge zu teilen. Liebe Grüsse und dir noch einen entspannten Tag, Driftwood

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