auch mir ist nicht immer zum lachen, das war ein schwerer Tag

  • auch mir ist nicht immer zum lachen, das war ein schwerer Tag

      antwortete vor 2 Jahren, 6 Monate 4 Teilnehmer · 7 Beiträge
  • Unbekannt

    Teilnehmer
    19. September 2021 um 17:46

    Auf dem Weg

    Jetzt sind wir auf dem Weg. Zwei Schwestern, wir sind die letzten von fünf Geschwistern

    Eine Schwester, die Älteste verstarb vor 7 Jahren, Einen meiner Brüder verloren wir vor

    2 Jahren. Nun sind wir auf dem Weg um meinen ältesten Bruder zu bestatten.

    Fünf Geschwister, wir drei Schwestern wohnten in der gleichen Stadt. Meine Brüder

    außerhalb. Einer in Norddeutschland und mein ältester Bruder im Münsterland.

    Meine Geschwister, sie waren Kriegsgenartion 1937,1939 und 1940 geboren. Ich kam erst

    1954 zur Welt, als es mit Deutschland wieder aufwärts ging. Oft fühlte ich mich, als wenn

    ich gar nicht dazu gehörte. Ich bin wie ein Einzelkind aufgewachsen, denn meine Geschwister

    gingen früh aus dem Haus.

    Nun sind wir auf dem Weg um meinem ältesten Bruder sein

    letztes Geleit zu geben.

    Mein großer Bruder. Ich sehe ihn noch vor mir. Er war für mich wie eine Lichtgestalt. Ich habe ihn angehimmelt, als kleines Mädchen. Er sah aber auch verdammt gut aus. Dunkle, braune Augen,schwarzes ,volles Haar, breites Schultern und eine stattliche Größe von fast 1,90.

    So einen Mann wollte ich mal heiraten. Er wohnte auch

    nicht mehr bei uns, aber wenn er noch Hause kam war ich einfach glücklich.Manchmal

    setzte ich mich auf seinen Schoß, aber es blieb immer eine gewisse Distanz. Einmal

    überraschte er mich mit 2 niedlichen Stofftieren. Er stand vor mir die Hände hinter dem

    Rücken und ich sollte links oder rechts wählen. Links gab es einen kleinen Hund und

    dazu bekam ich noch einen kleinen Bären. Ich habe mich riesig gefreut. Die Tierchen

    habe ich heute noch, der kleine Bär steckt in meiner Manteltasche und gibt mir Kraft

    auf diesem Weg.

    Dann hat mein Bruder eine andere Laufbahn eingeschlagen. Er war der Star unserer Familie.

    Er hat es zu was gebracht, studierte Medizin und hatte später seine eigene Praxis. Hochgeschätzt von seinen Patienten und Mitarbeitern. Auch viele Freunde mochten ihn sehr. Er hat geheiratet

    und hatte eine Tochter.Wir hatten nicht viel Kontakt. Grüße zu Geburtstagen oder Feiertagen.Ich wusste kaum was von ihm. Erst in letzter Zeit waren wir uns ein bisschen näher gekommen.

    In dieser Zeit in dem ein ganz anderes Scheckgespenst alles überschattet, das man „Corona“

    nennt. Was uns plötzlich einengt. Alles was wir für selbstverständlich hielten gibt es so nicht

    mehr. Es beschränkt uns in unserer Freiheit, unserer Freizeit und selbst in Besuchen.

    Diese schlimme Zeit brachte uns näher.Wir haben oft telefoniert und Nachrichten ausgetauscht und uns gegenseitig Gesundheit gewünscht.Zu meinem Geburtstag Ende Mai hat er mich zu meiner Freude noch angerufen.

    Er war gesundheitlich angeschlagen. War letztes Jahr achtzig geworden. „Ich mach das Beste draus,nur schade, dass ich nicht mehr Golf spielen kann. Sie haben den Platz geschlossen.“ erzählte er mir am Telefon. Er hatte Luftprobleme, Schwierigkeiten beim Laufen und hatte einen neuen Herzschrittmacher bekommen.

    Als schien besser zu werden. Wir tauschten Nachrichten aus und ich schickte Bilder von

    meiner Geburtstagsfeier und unserem, kleinen blühenden Garten. Er freute sich sehr.

    An seinem Geburtstag im August musste er noch zur Nachuntersuchung in die Klinik.

    Ich schickte ihm Grüße und machte ihm Mut.

    Mein Bruder, er wurde plötzlich sehr krank. Er lag im Krankenhaus und seine Familie

    durfte nicht zu ihm.Es ging ihm immer schlechter. Würde er zum Pflegefall werden,

    wolle er so nicht leben, äußerte sich. Er wollte Zuhause sterben. Zuvor hatte er noch seine Familie treffen können und ihnen alles gesagt, was ihn bewegte.Er kam nicht mehr nach Hause und verstarb am 17. Oktober.

    Jetzt fahren wir zur seiner Beerdigung. Meine Schwester und ich. Die letzten Zwei, die von dieser Familie übrig sind.

    Bei unserer Ankunft ist die Kapelle schon gut gefüllt. Viele Menschen stehen noch draußen. Laut der Regel dürfen nur fünfzig Leute teilnehmen. Anschrift hinterlassen, betreten nur mit Maske. Wir betreten die Kapelle und setzen uns in die Bänke dafür vorgesehen sind. Er erklingt das „Ehr“ von Bach und es läuft mir ein Schauer über den Rücken. Gesang ist nicht erlaubt. Stumm folgen wir dem Ablauf. Der Pfarrer spricht von meinem Bruder. Meinem großen Bruder, den es jetzt nicht mehr gibt. Man hört von seinem Leben, seinem Wirken. Auch in einigen wohltätigen Vereinen war er tätig. Mir treten Tränen in die Augen und ich habe einen Kloß im Hals. Die Andacht endet mit einen Musikstück aus der Klassik. Dann folgen alle schweigend dem Sarg. Jeder hält inne vor dem Grab. Erde und Rosenblätter rieseln herab.Die Trauergemeinde löst sich auf.

    Es gibt noch ein Treffen zum Kaffeetrinken. In dem selben Lokal in dem wir voriges Jahr den achtzigsten Geburtstag meines Bruders feierten.Mit einer tollen Bigband einem großartigen Essen. Mit der ganzen Familie und vielen Freunden. Gut gelaunt und fröhlich. Mein Bruder war der perfekte Gastgeber.Begrüße alle mit Namen. Alle Gäste waren begeistert. Keiner hätte geahnt, dass wir uns heute zu diesem traurigen Anlass wieder sehen würden.

    Mein Partner und ich hatten dieses Jahr auch ein großes Fest geplant.Wir wollten unseren Doppelgeburtstag feiern mit Musik und gutem Essen und dazu die ganze Familie einladen.

    Alle Einladungen waren schon ausgesprochen und gedruckt.

    Mein größter Wunsch mit all meinen Geschwistern noch mal am Tisch zu sitzen, hat sich leider nicht erfüllt. „Corona“ hat die Regeln bestimmt und für meinen Bruder war die Zeit gekommen.

    Wie wird es weiter gehen? Wir können nur hoffen, dass wir verschont bleiben.

  • Driftwood

    Teilnehmer
    20. September 2021 um 16:49

    @lachegern danke für diese ach so traurige Geschichte aus deinem Leben, liebe Lachegern. Manchmal ist es besser, nur ein paar Worte zu finden als eines Zuviel. Deshalb belasse ich es dabei. Viele Grüße, Dirftwood

  • happyday

    Teilnehmer
    20. September 2021 um 17:48

    @lachegern , den Worten von Driftwood möchte ich mich anschließen und dir von Herzen meine Anteilnahme übermitteln. LG happyday

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