Essen gehen
Meine Eltern wollen mit mir essen gehen. Nicht an die Bude, nein sie wollen mit mir richtig essen gehen. Schon Tage vorher wurde beim Essen darauf geachtet, dass ich mit Löffel, Messer und Gabel ordentlich umzugehen wusste. Als der große Tag kam, wurde ich ordentlich, aber mit viel zu viel Wasser und Seife, gewaschen und fein angezogen. Nachdem sich auch meine Eltern herausgeputzt, also landfein gemacht hatten, ging es los. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Auto gingen meine Eltern mit mir in einen wunderschönen eingerichteten Raum mit Kronleuchtern an der Decke und mit weißen Tüchern bedeckten Tischen.
„Die Herrschaften wünschen einen Tisch für drei Personen?“
Oh, wir waren Herrschaften und der Mann, der das sagte, konnte schon bis drei zählen. Nachdem wir an unserem Tisch saßen, sagte mein Vater zu einem der im schwarzen Anzug dort herumlaufenden Männer:
„Herr Ober, bitte die Speisekarte!“
Ja mein Vater kannte jeden, er wusste sogar, wie der Herr mit Namen hieß. Es war der Herr Ober. Beim Essen war ich so aufgeregt, stieß mit der Hand das Glas um und verschüttete meine Limonade. Bevor die Eltern losschimpfen konnten, kam ein Fräulein und brachte alles wieder in Ordnung. Anschließend stellte sie mir noch eine neue Limonade hin. Mein Vater bedankte sich mit den Worten:
„Vielen Dank Fräulein.“
Mutter beugte sich nach rechts und flüsterte Vater ins Ohr:
„Du kannst doch nicht Fräulein sagen, sie hat doch schon ein Kind.“
Das leuchtete mir nicht ein und ich rief laut:
„Na und, dann ist das eben ein Fräulein mit Kind.“