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  • Volks­verhet­zungs-Paragraf und Bun­des­zentralregister­gesetz geändert

     Paesi antwortete vor 1 Jahr, 4 Monate 10 Teilnehmer · 34 Beiträge
  • rooikat

    Teilnehmer
    29. Oktober 2022 um 10:34

    Ist die Änderung bzw. Erweiterung des § 130 Strafgesetzbuch (StGB) hier unbemerkt vorbei gegangen? Hat niemand dazu etwas zu sagen? Oder wird mit Meinungsäußerung bereits Gefahr befürchtet? Das Missverstehen ist ja nicht gerade selten.
    M.E ist diese Änderung zu ungenau, zu schwammig. Ich vemisse präzisere Formulierungen zu den Grenzen, was ist strafwürdig? Wer bestimmt diese Grenzen? Wie ist abgesichert, dass in Machtposition eine subjektiv einseitige Sicht nicht ausgenutzt wird?
    Den Holocaust abzustreiten gehört bestraft. Völkermord zu leugnen ist m.E. wirklich strafwürdig, ebenso wie Aggression – dann aber bitte ausgewogen nach tatsächlichem Geschehen und nicht je nach passender Motivation und unabhängig, wen es betrifft.
    Der gummiartig dehnbar auslegbare, weil undefinierte Text kann jegliche Diskussion verhindern oder auch verdrehen.
    Wie ist das mit der in der Demokratie verankerten Meinungsfreiheit vereinbar?

    Mich beschäftigt das, weil ich diese Art aus eigenem Erleben nur zur gut kenne.

    Eine Frage, Skepsis, ist schon ein Zweifel, ein Zweifel schon ein Fuß beim Gegner. Und eine andere Meinung ist schon sträflich. Stattdessen zeigt der Frager, der Skeptiker , dass er sich mit dem Sujet beschäftigt. Das bedeutet doch auch, mit sachlich stichhaltigen Argumenten besteht die Chance der Überzeugung. Während Ablehnung, sogar Verurteilung die gegenteilige Haltung meist verstärkt.
    Widerspruchslose Folger schwenken m.M.n. meist auch sehr schnell zu den nächstbesten, verlockenderen Angeboten.

    https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/volksverhetzung-voelkermord-kriegsverbechen-groeblich-verharmlosen-billigen-leugnen-130-stgb-holocaust/

    https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw42-de-bundeszentralregister-915600

    • Dieser Beitrag wurde am vor 1 Jahr, 5 Monate von  rooikat geändert.
  • Paesi

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 7:51

    @rooikat

    Schwammig, um nicht zu sagen „schlampig“, formuliert in einer Nacht-und Nebelaktion. Man nehme Bezug auf eine EU-Richtlinie von 2008 bzw. setze EU-Recht um. Man nennt es „eine Klarstellung“.

    Es war genug Zeit, um gründlicher zu arbeiten und darüber öffentliche Diskussionen zu führen.

    Die Ergänzung: „Wer eine Handlung … öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost …“. Eine Äußerung müsse „geeignet“ sein, um zu Hass und Gewalt anzustacheln, den öffentlichen Frieden zu stören. In dieser Ergänzung liegt die Problematik

    Was bedeutet, beinhaltet diese Ergänzung im Konkreten? Der Ermessensspielraum scheint mir sehr, sehr groß und kann zu zu viel Subjektivität verleiten.

    Muss jemand künftig mit Freiheitsstrafen rechnen, wenn er sich zu gegenwärtigen umstrittenen Konflikten kritisch äußert? Bei Vergangenen Ereignissen, die von Gerichten als Kriegsverbrechen bereits verurteilt wurden, ist es nachweisbar. Aber bei laufenden Konflikten? Und sind nicht auch für internationale Verbrechen auch nur internationale Gerichte zuständig?

    Bundesministerium der Justiz versucht, einige Fragen zu klären, aber konkrete, wichtige Antworten sind das nicht für mich.

  • rooikat

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 9:14

    Guten Morgen @Paesi,

    Du benennst genau das, was mich hier zu Fragen anregt. Ich dachte eigentlich, bei der hier herrschenden Diskussionsfreudigkeit, Gedanken, Meinungen dazu zu lesen.
    Immerhin sind hier doch lebenserfahrene, sogar in unterschiedlichen System erfahrene Teilnehmer. Ich weiß nicht, was hinter meinen Fragen vermutet – auf keinen Fall sind sie provokativ gemeint, falls das in eigener Lesart so ankommt.
    In einer Demokratie mit Meinungsfreiheit ist es doch normal, über diese Beschlüsse unsrer
    gewählten Vertreter ebenso zu diskutieren, wie über andere. Mit Pro und Kontra, aus verschiedener Sicht und ohne vorauseilendes Be- und Verurteilen.

    Schade – immerhin wird in den Medien heftig diskutiert.
    Ich wünsche Dir einen sonnigen Sonntag!
    rooikat

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 5 Monate von  rooikat bearbeitet. Begründung: Tippfeher
  • Paesi

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 9:41

    @rooikat

    Dir auch einen schönen Sonntag.

    Letztes Jahr gab es – ich nenne es vereinfacht eine Beschwerde/Beschwerdeverfahren der EU gegenüber Deutschland, dass diese EU-Vorgabe nicht deutlich exakt umgesetzt worden sei. Da blieben dennoch Monate Zeit für die Ampel, das ausführlich zu besprechen, da es doch um einen wirklich wichtigen Paragraphen geht.

    Der EU-Rahmenbeschluss lässt aber den Mitgliedsstaaten einen große Spielraum der Formulierung: So ist es möglich, nur die Leugnung/Verharmlosung solcher Kriegsverbrechen unter Strafe stellen, die ein internationales Gericht bereits endgültig festgehalten hat. Die deutsche Ergänzung liest sich aber keinesfalls so.

    Nach EU-Spielraum: Der Angriffskrieg auf die Ukraine wurde bisher von keinem internationalem Gericht in dieser Art und Weise (s. oberen Abschnitt) verurtelt. Ob es später zu einer Verurteilung in Den Haag kommt, weiß noch keiner, ist m.E. nicht sicher.

    Die UN-Kommission hat verschiedene russische Kriegsverbrechen festgestellt. Aber sind Anzweifeln, Leugnen, Verharmlosen einer UN-Einschätzungen ausreichend zur Anklage für ein deutsches Gericht? Die Kommission ist kein internationales Gericht.

    Deshalb: Schwammige, ungenaue, verwirrende, inexakte Formulierung.

  • GSaremba61

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 15:21

    Ich gebe zu, rooikat und @Paesi ich war bisher nicht bereit mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Heute habe ich dann doch die beiden Links und eure Beiträge gelesen.

    Es liest sich nicht gut und ja, auch ich sehe die Gefahr – Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Kann nur dem bisher Geschriebenen zustimmen. Was mir spontan in den Sinn kam, war der Gesichtsausdruck von Scholz, als er feststellte, dass die deutschen Panzer jetzt Sache Griechenlands sind und wenn der Staat die Panzer an die türkische Grenze bringt, so ist das nicht seine Entscheidung – stimmt – doch beim Ringtausch sollten doch sooo hochrangige Politiker wissen was passiert?

    Jedenfalls der Gesichtsausdruck unseres Kanzlers erinnerte mich an einen Versicherungsverkäufer, der gerade eine Versicherung verkauft hat, von der er genau weiß dass sie nie hält was er gerade dem Käufer versprochen hat. Und sofort war Wirecard, Hamburger Hafen in meinem Hinterkopf. Ich glaube ein Bayer würde den Mann “hinterfotzig” nennen.

    Zu dieser Regierung kann man Deutschland nur “gratulieren” und ich will mich nicht aufregen!

    Schönen Sonntag

    GeSa

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 5 Monate von  GSaremba61 bearbeitet.
  • Paesi

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 15:24

    @SusiSoho

    Darum geht es gar nicht. Diese Straftaten, vor allem die Leugnung des Holocausts waren schon vor dem abgedeckt und das mit Recht. Dazu brauchte es diese schwammige Ergänzung nicht.

    Der Internationale Gerichtshof, und das kann Jahre dauern, entscheidet darüber, was Kriegsverbrechen sind und erst danach kann m. M. n. auch erst national dagegen „vorgegangen“ werden. Jetzt liest sich es so, als läge diese Entscheidung bereits in den Händen von deutschen Amtsgerichten.

  • GSaremba61

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 15:27

    Was hätte man noch diskutieren wollen, nachdem man täglich in seriösen
    Medien lesen konnte, dass wieder Flüchtlingsunterkünfte angezündet
    werden, von anderen Bedrohungen durch Rechtsradikale gar nicht erst zu
    sprechen? 30.10./15:02h

    Sollte ich mich irren @SusiSoho ?DAS waren auch bisher Straftaten, die geahndet wurden, wenn man die Täter ergreifen konnte? Dazu brauchte es doch keine schwammigen Veränderungen bestehender Gesetzte?Worried

    GeSa

  • Cocco

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 15:56

    15:02 stimmt SusiSoho @SusiSoho, und dass seit 2008 “nachgebessert” werden musste, wird auch aufgrund aktueller Entwicklungen überdeutlich.

    Wenn für die Beurteilung und Rechtsprechung auch hier ein Ermessungsspielraum eingeräumt wird, dürfte das m.E. eher von Vorteil als “schwammig” sein.

    Es sagt wohl auch etwas aus, dass es keine Zustimmung seitens AfD und LINKE gab….

  • Paesi

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 17:31

    @Cocco

    Da musste nichts von 2008 nachgebessert werden, es ging auch nicht um aktuelle Entwicklungen und hat nichts mit dem russischen Angriffskrieg zu tun – sagt sogar das BMJ explizit.

    2008 wusste die EU noch nichts von der gegenwärtigen Situation und als 2021 gegen die BRD das Vertragsverletzungsverfahren zu kam, war auch kein Krieg. Die Ampel war unter Zugzwang – deshalb eine Änderung ohne Vorankündigung, im Omnibusverfahren, kurz vor 23.00 Uhr als letzter Tageordnungspunkt – unüblich für solche Art von Gesetzesänderungen.

    CDU/CSU kritisierten das sehr – stimmten dennoch dafür.

    Linke/AFD kritisierten m. E. n. nicht das Gesetz an sich, sondern wie die CDU/CSU die Art und Weise sowie die Ungenauigkeiten. (RND)

    Ermessungsspielräume sind gut, aber die Grenzen müssen erkennbar sein, sonst kann aus einem Ermessungsspielraum eine Art subjektive Willkürlichkeit werden. Den Rahmen, den die EU-Richtlinie bot, hat man ausgeblendet, überschritten. Er hätte einem Ermessensspielraum eine objektive Grenze setzen können.

    Die Gerichte kommen in einem gewissen Grade in eine schwierige Situation und kann auch eine Unzumutbare Überforderung/Überlastung darstellen – auch der Polizei. Sie müssen klären, ob historischer oder gegenwärtiger Vorgang als Kriegsverbrechen oder Völkermord gewertet werden kann.

    Das Gesetz ist schlecht gemacht, schließlich ging es um einen politisch sehr sensiblen Bereich. Die EU-Regelungen waren bekannt, das drohende Verfahren ebenfalls – rund 14 Jahre. Da war kein Zeitdruck.

    Mir fehlt diese Grenze für den Ermessensspielraum: Die vorherige Entscheidung internationaler Gerichte.

    • Dieser Beitrag wurde vor 1 Jahr, 5 Monate von  Paesi bearbeitet.
  • GSaremba61

    Teilnehmer
    30. Oktober 2022 um 17:43

    Wie hier gesagt @Paesi der nicht erkennbare Ermessungspielraum, der ein Vorteil sein soll, wie ich hier lesen konnte, ist jetzt ein Spielfeld – wem steht der Richter näher. Für Angeklagte kann es ein Vabanquespiel werden.

    Immer öfter zu erkennen – je nach Gusto zu Parteien sind Entscheidungen richtig oder falsch. Neutrales Hinschauen gibt es nur noch bei Bürgern, die keine Partei für ideal halten – natürlich nur mein Eindruck.

    GeSa

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